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Bürgermeister Bill de Blasio - Afro, Freiheit, Multi-Kulti

New York hat einen neuen Bürgermeister: Nachdem Bill de Blasio im November gewählt worden war, trat er am ersten Januar sein Amt an. Damit haben nicht nur die Demokraten, sondern auch die Offenheit gewonnen. Denn de Blasio steht mit seiner Familie für das liberale New York

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Bahners, Patrick

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Gut gemacht, Junge! So etwas muss Bill de Blasio, 52, zu seinem Sohn Dante gesagt haben. Zu sehen im Abspann des Fernsehwerbespots, dem der demokratische Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von New York nach allgemeiner Überzeugung seinen Sieg in der Vorwahl verdankt. Man hört es nicht, so viel bleibt privat. Aber man sieht, wie der Vater dem Sohn auf die Schulter klopft, während sie auf einem Bürgersteig nebeneinander hergehen, beschwingten Schrittes auf dem Weg zur – öffentlichen – Schule oder zum nächsten Wahlkampftermin. Sie lachen, und ihre Freude steckt an.

In Amerika ist der Fernsehspot die Königsdisziplin unter den Wahlkampfkünsten. In 30 Sekunden wird das Bild des Kandidaten fixiert, der den Wählern häufig nur dem Namen nach bekannt ist. Vati ist der Beste: eigentlich das Gegenteil einer informativen Mitteilung. De Blasios Film spielt mit den niedrigen Erwartungen an die Selbstauskünfte von Politikern. Der Sohn wird nicht als Sohn vorgestellt, sondern als Teenager, als engagierter Noch-nicht-Wähler: Dante, 15 Jahre alt, aus Brooklyn. Nachdem er die Wunderdinge aufgezählt hat, die von allen Kandidaten angeblich nur Bill de Blasio vollbringen kann, versichert er im letzten Satz: „Das würde ich alles auch über ihn sagen, wenn er nicht mein Vater wäre.“

De Balsio warb mit weniger Willkür bei Polizeikontrollen


Durch förmliche Tatsachenprüfung sind Zeugenaussagen von Verwandten nicht zu erschüttern. Vergeblich wies die New York Times darauf hin, dass keineswegs nur de Blasio die Abschaffung der Polizeikontrollen irgendwie auffälliger Passanten in Aussicht stellte, eine Taktik der Prävention, deren Handhabung eine Bundesrichterin unlängst als verfassungswidrig erklärt hat. Schwarze protestieren dagegen, dass sie nur deshalb angehalten würden, weil sie in den Augen von Polizisten verdächtig aussähen. Dass Dante de Blasio über die Macht alltäglicher Vorurteile mit Autorität sprechen kann, sieht jedermann: Er ist ein Farbiger, und sein Haar trägt er als imposanten Lockenhelm.

Dantes Afrolook war die Sensation des Filmes, der eigentliche Star. Die Frisur löste sich gleichsam von ihrem Träger, um fortan als Aura den Vater zu umgeben. Eine Haarwolke trug Bill de Blasio über die Latte von 40 Prozent der Vorwahlstimmen, sodass ihm eine Stichwahl erspart blieb.

Wie ist der märchenhafte Effekt zu erklären? Der Afrolook ist ein Symbol von Stolz und Rebellion, aber unabhängig von allen politischen Assoziationen zuerst ein Zeichen aus einer anderen Zeit. Dass die Entwicklung, die New York in den zwei Jahrzehnten unter den Bürgermeistern Rudolph Giuliani und Michael Bloomberg genommen hat, bruchlos so weitergehen könnte, irritiert die Demokraten, auch diejenigen, die von der beispiellosen Zurückdrängung des Verbrechens und der Anziehungskraft Manhattans auf superreiche Wohnungskäufer profitieren. Die Familie de Blasio wohnt jedenfalls in Park Slope, dem Viertel in Brooklyn, wo nach vollendeter Gentrifizierung gemäß bürgerlicher Tradition nun das schlechte Gewissen regiert.

De Blasios Familie ist ein liberales Statement


Als Studentenpolitiker an der New York University ließ sich Bill de Blasio mit wilder Mähne fotografieren. Dantes Frisur beweist, dass in der nächsten Umgebung seines Vaters ein zwangloser Eigensinn sprießt. Der Haushaltsvorstand ist kein in Uniformität vernarrter Manager. In einer Stadt, in der die sogenannten Minderheiten sich immer noch in den Armenvierteln ballen, spricht es für sich, dass Bill de Blasio mit einer Schwarzen verheiratet ist. Die Dichterin Chirlane McCray war 1979 – lange bevor sie ihren späteren Mann traf – mit einem lesbischen Manifest bekannt geworden.

Das weckt zusätzliche Neugier. Im liberalen Milieu New Yorks gilt die Präferenz für das eigene oder das andere Geschlecht heute als Naturtatsache. Durch hartnäckiges Nachfragen erreichte Bill, dass Chirlane mit ihm ausging und nunmehr seit 19 Jahren mit ihm verheiratet ist: Zeugnis einer erstaunlichen Überzeugungskraft.

Der Vorname des Sohnes ist ein Denkmal der italienischen Herkunftswelt von Bills Mutter. Maria de Blasio Wilhelm schrieb mit Unterstützung ihres Sohnes ein Buch über den italienischen Widerstand gegen Hitler. Der Vater, ein Ökonom und Weltkriegsveteran, hatte die Familie verlassen, als Bill ein kleiner Junge war. Weshalb de Blasio bei Beginn seiner öffentlichen Laufbahn den Mädchennamen der Mutter annahm.

Als Public Advocate war de Blasio seit 2009 protokollarisch der zweite Mann von New York: ein Volkstribun ohne Vetomacht, der nur mit Worten auf Reformen hinwirken konnte. Er hat kaum exekutive Erfahrung, ist so gesehen immer der Schülersprecher geblieben, den der Zorn über eine Rede Präsident Richard Nixons zum Vietnamkrieg dazu brachte, die Mitbestimmung der Mitschüler zu organisieren. Man kennt den Typus des Schulterklopfers, der sich an den Star mit dem Afrolook hängt. Er hat seinen eigenen jungenhaften Charme.

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