Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Alex Salmond - Für Schottlands Unabhängigkeit!

Schottlands Ministerpräsident Alex Salmond will sein Land von Englands Joch befreien. Dafür hat er ein Referendum durchgesetzt

Autoreninfo

Borger, Sebastian

So erreichen Sie Sebastian Borger:

Neulich reiste David Cameron nach Edinburgh. In der schottischen Hauptstadt galt es zu besiegeln, was der Londoner Premierminister eigentlich hatte vermeiden wollen: Per Unterschrift stimmte der Konservative offiziell der Abstimmung über Schottlands Unabhängigkeit zu, dem größten verfassungspolitischen Wagnis Großbritanniens seit Bildung der Republik Irland vor 90 Jahren.

Dass es so weit gekommen ist, geht vor allem auf das Konto eines Mannes: Alex Salmond, den Ministerpräsidenten der britischen Nordprovinz, zählen selbst eingefleischte Gegner zur Handvoll herausragender Politiker auf der Insel. In mittlerweile 18 Jahren als Vorsitzender hat der 57-Jährige seine kleine, belächelte und unterfinanzierte schottische Nationalpartei SNP zur bestimmenden Kraft der stolzen Nation gemacht. Das hat Auswirkungen auf das ganze Land, in dem normalerweise die Interessen der Regionen keine wichtige Rolle spielen.

Bei der Zeremonie in St. Andrews House, dem Sitz der schottischen Regionalregierung, erinnerte der Gastgeber seinen Besucher David Cameron ebenso subtil wie boshaft an die politische Realität nördlich des Hadrianwalls: An der Wand über den beiden Politikern hing eine Schottlandkarte, weitgehend in Gelb, mit einigen roten und blauen Tupfern: Sie stellt das Ergebnis der Landtagswahl 2011 dar, bei der die SNP (gelb) einen Erdrutschsieg errang über Labour (rot) und die Konservativen (blau).
Seither regiert Salmond mit absoluter Mehrheit im Edinburgher Parlament und verfügt über das Mandat, seiner 1934 gegründeten Partei ihren uralten Wunsch zu erfüllen: Im Herbst 2014 sollen die Schotten den 1707 freiwillig geschlossenen Bund mit England auflösen und ihren eigenen Weg gehen. „Wir wollen lieber guter Nachbar sein als mürrischer Mieter“, beschreibt der Chef das Ziel.

Der Sohn zweier Verwaltungsbeamter trat als Student der SNP bei. Anfang der achtziger Jahre wurde er wegen seiner Propaganda für „die schottische sozialistische Republik“ kurzzeitig aus der Partei ausgeschlossen. 1987 zog Salmond ins Unterhaus ein, 1990 übernahm er den Parteivorsitz, den er seither – mit einer vierjährigen Unterbrechung – innehat. In dieser Zeit ist aus dem Linksaußen längst ein national gesinnter Sozialdemokrat geworden, der die Eroberung der Macht vor das Ziel rascher Unabhängigkeit setzte. Auch die Monarchie will er neuerdings erhalten. Dieser Kurswechsel liegt an der hohen Popularität der Amtsinhaberin Elizabeth II, mit der Salmond zudem eine Leidenschaft verbindet: Wie die Königin ist auch der Ministerpräsident ein Pferdenarr, einer kleinen Wette auf der Rennbahn nicht abgeneigt.

Seite 2: Ein paar Ohrfeigen von der Sunday Times

Es gehört zu Salmonds Qualitäten, dass ihn die Aura des Geheimnisvollen umgibt. Auch von seinem Biografen David Torrance ließ sich der begeisterte Bridgespieler nicht in die Karten sehen. Dass er sich für Poesie und Geschichte begeistert, seine eigenen Memoiren schreiben will, Asthmatiker und stark übergewichtig, aber mit einem hervorragenden Schneider gesegnet ist, gehört in Edinburgh fast schon zum Allgemeinwissen. Der Regierungschef hatte denn auch, außer einem Telefonat „im Stil eines enttäuschten Oberlehrers“ (Torrance), nur Spott übrig für den Biografen und dessen Buch: „Mir war gar nicht klar, wie langweilig ich bin.“

Selbstironie kommt immer gut an auf der Insel – mehr jedenfalls als die Arroganz und Launenhaftigkeit, für die Salmond auch bekannt ist. Für sein breites, selbstgefälliges Grinsen wollte ihm die konservative Sunday Times vor Wut gar „ein paar Ohrfeigen mit einem feuchten Fisch verpassen“. In den vier Jahren als Chef einer Minderheitsregierung in Edinburgh von 2007 bis 2011 musste der frühere Ökonom bei der Royal Bank of Scotland stets auf Kompromisssuche gehen. Dabei hat Salmond entscheidend dazugelernt – und Eigenschaften wie Verhandlungsgeschick und Einfühlungsvermögen gezeigt, die man dem gelegentlich allzu selbstbewussten SNP-Chef nicht zugetraut hatte.

Zu Salmonds Erfolg trägt bei, dass er sich als national gesinnter Sozialdemokrat geriert und damit dem schottischen Mainstream entspricht. Sein Nationalismus gibt sich modern und weltoffen. Fotos des kinderlosen, seit 31 Jahren mit seiner 17 Jahre älteren Frau Moira verheirateten SNP-Chefs im Kilt sucht man vergeblich – solch traditionelle Auftritte überlässt der Politiker lieber dem telegenen James-Bond-Darsteller Sean Connery, der die SNP von seinem Wohnsitz auf den Bahamas aus unterstützt. Von Moira, die einst im schottischen Agraramt Salmonds Chefin war, gibt es hingegen kaum Fotos. Dabei werde sie sicher zu allen wichtigen Entscheidungen konsultiert, mutmaßt man im Politbetrieb. Genau weiß man das aber nicht. Wie es sich für eine frühere Spitzenbeamtin gehört, hält sich Salmonds Frau stets diskret im Hintergrund.

Von dort aus dürfte sie die Kampagne über „die wichtigste politische Entscheidung seit 300 Jahren“, zu der Salmond die Volksabstimmung hochjazzt, begleiten. Einstweilen liegen in den Umfragen die Gegner der Unabhängigkeit (53 Prozent) deutlich vor den Befürwortern (28 Prozent), der Rest der Schotten ist unentschlossen. Alex Salmond wird alles daransetzen, dass sich dieses Verhältnis in den kommenden zwei Jahren umkehrt und aus Großbritannien ein kleineres Britannien wird. 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.