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Weltbild - Einen Schund-Verbreiter braucht die Kirche nicht

Kisslers Konter: Die Kirche hat den Weltbildverlag pleitegehen lassen. Gut so, findet unser Kolumnist Alexander Kissler. Denn die Kirche sollte sich mehr ihren eigentlichen Aufgaben widmen: der Seelsorge und der Verkündigung

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Wer daran glaubt, dass der Herr seine Kirche leitet, gelangt zu dem Eindruck: In diesen Tagen tut er es besonders kraftvoll. Mit dem Argentinier Bergoglio ist ein programmatischer Kurien- und Karrierenkritiker an die Spitze gerückt, dessen Unberechenbarkeit und Prunkallergie manchen selbstverliebten Kirchenfunktionär rotieren lässt. Die Insolvenz wiederum des „Weltbild“-Konzerns ist ein für die Betroffenen zwar schmerzlicher, aber radikaler und überfälliger Akt der Entweltlichung. Das von Benedikt XVI. vor gut zwei Jahren in Freiburg angestoßene Projekt der Entweltlichung schreitet voran trotz massiver Widerstände in der deutschen Gremienkirche.

Wer nur an Zahlen glaubt, der muss erkennen: Es ist folgerichtig, dass die katholischen Bischöfe den Stecker bei „Weltbild“ gezogen haben. Einen defizitären Versandhändler, der vor allem Tinnef und Schabernack liefert, zwischen „Wohlfühl-BH“, Deko-Katzen und dem „Tattoo-Armling Tiger & Dragon“, braucht die Welt nicht. Und einen Verlagskonzern, der mittelbar oder unmittelbar Schund verbreitet oder gar produziert, Esoterik, neuheidnische Lebensratgeber und Schlüpfriges aller Couleur, braucht eine Kirche erst recht nicht. Diese hat exakt zwei Aufgaben: Seelsorge und Verkündigung.

Weder dem einen noch dem anderen diente das bizarre Treiben von „Weltbild“. Gewiss, solange es lief, drückten die Bischöfe die Augen zu und trösteten sich mit der Rendite über manche inhaltliche Unwucht hinweg. So flohen sie vor der Frage, die nun denkbar dramatisch beantwortet wird: Warum um alles in der Welt soll die Kirche wildern in Bereichen, die das säkulare Unternehmertum viel besser zu beackern versteht? Im Zweifel lockt die kirchliche Arbeitgeberschaft halbkompetente Schönredner an, die wirtschaftlich unterbelichteten Bischöfen das Blaue vom Himmel versprechen. So rächt es sich bitter, dass die ökonomische Kompetenz der Kirche an vielen Stellen zum plumpen Antikapitalismus ausschlägt. Die selbstverschuldete desolate Haushaltslage der Bistümer Berlin und Magdeburg spricht ebenfalls nicht für wirtschaftlichen Sachverstand.

Jetzt braucht es Frustrationstoleranz


Das Debakel ist auch ein gewaltiger Dämpfer für die Aufstiegsambitionen des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx, der das Wort Karriere zu buchstabieren versteht. Weder drang er mit seinem Plan durch, das schlingernde Unternehmen in eine Stiftung einzugliedern, noch gelang seinem Generalvikar Beer, von Marx als Aufsichtsratsvorsitzender durchgesetzt, eine Neuausrichtung. Die anderen Miteigentümer, die deutschen Diözesen, waren auf keine gemeinsame Linie zu verpflichten, sie ließen Beer am ausgestreckten Arm verhungern. Unter dem Strich lautet die Lehre des „Weltbild“-Abenteuers: Die Kirche sollte privaten Unternehmern keine Konkurrenz machen. Ihre Kompetenz ist kleiner, ihr Auftrag ein anderer.

Um Seelsorge und Verkündigung zu stärken braucht es jede Menge Frustrationstoleranz und inneres Feuer. Kann es sein, dass die Kirchen in Deutschland genau deshalb die kirchenfremden Sektoren aufblähen, dass sie in Strukturen und Apparate, in Vermögens- und Immobilienmanagement, in Personalfragen vernarrt sind, weil ihnen das Feuer der Begeisterung abhanden kam? Weil da nichts mehr glüht außer der „Solarfackel Rattan groß“, bei „Weltbild“ für 19,99 Euro zu haben? „Weltbild“ ging Pleite, weil dieses Weltbild falsch ist.

In Freiburg sagte Benedikt XVI., die „von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“ Darum sei es „wieder an der Zeit, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen.“ Eine solchermaßen kleiner und ärmer gewordene Kirche könne „in die pluralistische Gesellschaft mit ihrer Begeisterung hineinstrahlen.“ Die mangelnde Begeisterung hat auch Papst Franziskus in Blick. Nun erst, am 11. Januar, warnte er die Priester davor, sich von Christus zu entfernen und diese Leere „mit anderen weltlichen Haltungen zu kompensieren.“ Es dürfe keine „Geschäftemacher-Priester“ und keine „Unternehmer-Priester“ geben. Ob Deutschlands Bischöfe, in München und anderswo, zugehört haben?

 

 

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