Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main / picture alliance

Euro-Staaten - Begrenzung der Staatsschulden muss eingehalten werden

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat vergangene Woche in Brüssel „mit der Faust auf den Tisch gehauen“, um den weiteren Anstieg der Staatsverschuldung durch neue Regeln der EU-Kommission zu stoppen. Das war auch dringend nötig, denn europäische Gemeinschaftsschulden können nicht im Interesse Deutschlands liegen.

Roland Koch

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Roland Koch war von 1999 bis 2010 hessischer Ministerpräsident. Seit November 2020 ist er Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Foto: Ludwig-Erhard-Stiftung

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Gerade für Deutschland ist die Garantie solider Staatsfinanzierung eine Voraussetzung für den Wechsel zur Gemeinschaftswährung gewesen. Die damals verabredete Statik ist schon lange unter Druck, denn keiner der Euro-Staaten – und Deutschland war bei den ersten – hat die Verschuldungsregeln ernst genommen. So sind zahlreiche Mitglieder der Währungsunion heute von der Regel, nicht mehr Staatsschulden als 60 Prozent des jährlichen Volkseinkommens zuzulassen, weiter denn je davon entfernt.

Warum ist das eigentlich so wichtig und warum ist es zugleich umstritten? In Europa gibt es nicht die geringste Chance, einen einheitlichen Staat wie etwa die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu gründen. Tatsache ist, die europäischen Verträge und der Binnenmarkt sind nur möglich, weil alle Politiker immer wieder versprechen, dass es diese Vereinigten Staaten auch nie geben wird. Wenn man das Entstehen der großen neuen Wirtschaftsräume wie China oder Indien sieht, kann man durchaus die Frage stellen, ob die relative Kleinstaaterei Europas wirklich die richtige Antwort ist. Aber für die erste Hälfte dieses Jahrhunderts wird sich da nichts ändern. 

Schulden sollten von den einzelnen Staaten bezahlt werden

Unter dieser Voraussetzung bleibt nationaler Egoismus legitim. Auch wir Deutsche legen ja großen Wert darauf, dass Steuer- und Haushaltsrecht vollständig national bleibt. Die wesentliche Rechtfertigung für die Begrenzung von Staatsschulden der einzelnen Staaten ist die Tatsache, dass wir zum Schluss alle gemeinsam vom Wert des Euro abhängen und deshalb in beachtlicher Weise zusammen für ihn haften. Ohne den Euro wäre unser Platz in der ersten Reihe der künftigen Wirtschaftsräume unmöglich, aber das hat auch den Preis, dass Fehler in einzelnen Staaten von allen ausgebadet werden müssen. Und genau deshalb sind die Regeln über die Schulden der einzelnen Staaten unverzichtbar.

Über die Frage, ob Schulden hilfreich oder schädlich sind, gibt es eine endlose Debatte. Man konnte Deutschland nach dem Krieg ohne Schulden wieder aufbauen, erst dann brachen die Dämme staatlicher Wohlstandsfinanzierung. Heute werden alleine 25 Prozent des Bundeshaushalts für den Zuschuss der Rentenkasse gebraucht: Das mindert den Spielraum für Infrastruktur und Bildung. Also schreibt man vieles gerne auf die Rechnung unserer Kinder und macht Schulden. Durch die Schuldenbremse haben wir uns in Deutschland erfolgreich selbst Fesseln angelegt, die in großen Ländern wie Italien oder Frankreich keine Nachahmung finden.

Deutsche sind bei Schulden besonders sensibel

Die Sorge vor zu hohen Schulden ist eine deutsche Eigenheit. Aber selbst bei uns wird sie keineswegs von allen geteilt, und gerade die Parteien, die den Staat in einer umfassenden fürsorgenden Rolle für alle Bürger und für alle Probleme sehen, rufen immer wieder nach mehr Geld, und zwar sofort. Aber die Verfassung ist klar.

In anderen europäischen Ländern versprechen Politiker ihrer Bevölkerung, mehr Geld auszugeben, auch wenn man es gerade nicht hat und deshalb Schulden machen muss. Dieser Egoismus anderer Staaten, so gern er auch dort von der Bevölkerung gesehen werden mag, darf nicht auf unsere oder die Kosten stabilitätsorientierter Staaten gehen. Auch in Zukunft werden wir bei uns sparsam mit Geld für Bildung, Infrastruktur und auch Sozialleistungen umgehen müssen und können viele Wünsche und Programme nicht erfüllen. 

Da das von Bundeskanzler Scholz abgegebene Versprechen, die dramatisch höheren Kosten der Verteidigung unserer Freiheit würden keine Einschränkungen bei den Sozialleistungen haben, wahrscheinlich nicht gehalten werden kann, wird diese Sparsamkeit noch schmerzhaft werden. Dass wir dann gleichzeitig große Risiken für die Stabilität unserer Währung durch die Bereitschaft zur Verschuldung in anderen Ländern hinnehmen sollen, ist falsch. Viele Menschen finden das zu Recht nicht erträglich.

 

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12 von 20 Mitgliedsstaaten der Eurozone sind mit deutlich mehr als dem Betrag von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet und verstoßen damit schon gegen eines der Maastricht-Kriterien. Nach den Vorschlägen der EU-Kommission sollen diese Kriterien in Zukunft zwischen der Kommission und jedem Land einzeln verhandelt werden. Es sollen auch nicht mehr die Haushalte einzelner Jahre, sondern ein Abschnitt von drei bis vier Jahren zum Maßstab gemacht werden.

Immerhin soll wenigstens bei neuen Schulden von mehr als drei Prozent in einem Jahr weiterhin ein förmliches Verfahren eröffnet werden. Dieses Paket an Vorschlägen hat keine Zustimmung aus Deutschland. Als die Kommission sie jetzt schon anwenden wollte und damit Fakten gegen die deutsche Position – die ja auch von einer Reihe anderer Staaten geteilt wird – schaffen wollte, kam es zu Lindners Stopp-Signal.

Europäische Gemeinschaftsschulden sind nicht der richtige Weg

Wir sollten nicht vergessen, dass es zusätzlich zu den Risiken der Überschuldung der einzelnen Staaten auch noch einen Konflikt um Gemeinschaftsschulden in Europa gibt. Auch da wäre Deutschland bei der Haftung ganz vorne dabei. Lange Zeit wurden diese Schulden Euro-Bonds genannt und es gab keine Mehrheit in Europa dafür.

Aber das ändert sich schleichend: 2020 gab es erstmals den EU-Beschluss, über den „Next Generation EU Fonds“ eine direkte Schuldenaufnahme von über 800 Milliarden Euro zu ermöglichen. Im Mai 2022 kam es zu einem Versuch der EU-Kommission, Kredite aufzunehmen, um die Hilfen für die Ukraine zu finanzieren. Im Oktober 2022 kam der Vorschlag, die EU solle sich verschulden, um die Gaskäufe der Bürger Europas zu finanzieren. Und nun fordert man in Brüssel neue EU-Schulden, um einen Subventionswettlauf mit den USA zu bestehen.

Alle müssen akzeptieren, dass es gemeinsame Regeln gibt

Der Euro und die Staatsschulden bleiben auch in Zukunft ein heikles Thema. Italien und Frankreich, aber auch Spanien und kleinere Länder wollen den Frieden im eigenen Land mit mehr Schulden erkaufen, bei uns wird es nur friedlich bleiben, wenn wir nicht die Schuldenberge der anderen mit bezahlen müssen. Der Bundesfinanzminister, aber auch die ganze Bundesregierung, sind gut beraten, mit Härte in den Konflikt einzusteigen

Gerade im Zusammenhang mit der sehr lockeren Haltung der EZB gegenüber der Staatsfinanzierung, mit der die Vernunft und das Wissen der Kapitalmärkte nicht mehr genutzt werden, um die wahren Risiken transparent im Preis der Staatsschulden abzubilden, kann es keine substanzielle Lockerung bei den Regeln der Staatsverschuldung geben. Man mag sich auf besser handhabbare Kriterien verständigen und auf einen effizienteren Prozess. Aber alle müssen akzeptieren, dass es gemeinsame Regeln sind, die die Freiheit der einzelnen Länder durchaus schmerzhaft begrenzen. Das ist Teil der Geschäftsgrundlage für den Euro und damit für Europas Platz in der globalen Wirtschaft. Lindners Klarheit bleibt dafür zentral!

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Ingo frank | Do., 23. März 2023 - 19:09

und „wenn“ beschrieben. Aber die eigens dafür eingesetzte EZB Chefin folgt dem eingeleiteten Kurs den der Italiener unter wohlwollender Duldung von Deutschland unter Merkel & Frankreich, vorbestimmt haben. „Ausnahmesituationen“ wie Banken-, €-, Corona- Kriese, Grichenlandrettung um nur einige der „Freifahrtscheine des billigen Geldes zu benennen passten doch super in die Verteilungspolitik und die Notenpresse lief heiß mit dem Ergebnis einer riesigen Geldentwertung für die kleinen und kleinst-Vermögenden, die so blöde waren, dem Ruf auf Eigen- Vorsorge den „Mutti“ durchs Land schallen ließ, zu folgen. Und das System der Verteilung setzen der ehemalige SPD Finanzminister und heutige BK trefflich mit seinen links grünen Bundesgebossen fort. Und die FDP spielt nur die 6. Geige und macht den Schlendrian mit …. Bis auf einige wenige Scheingefechte um die eigenen Wähler zu beruhigen.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Volker Huber | Do., 23. März 2023 - 19:32

An der Grundproblematik des Euros, der ein politisches Projekt ist, das ökonomisch zum Missbrauch einlädt, lässt sich nichts mehr ändern. Erfahrungsgemäß lösen sich die Konsolidierungsbekundungen der Schuldenländer immer wieder von Neuem in Wohlgefallen auf. Bei ihnen sind die nationalen
Verschuldungsmöglichkeiten weitgehend erschöpft, weswegen neue europäische Quellen angesteuert werden - egal wie man das Kind jeweils nennt. Und selbst bei uns dienen die Kreditaufnahmen letztlich großenteils zur Finanzierung des Gegenwartskonsums und nicht der Investitionen. Betrachtet man die Mehrheitsverhältnisse in der EU ist es daher vermutlich realistischer, selbst im europäischen Schuldenzirkus zuzugreifen, möglichst für investive Zwecke - auch wenn es die marktwirtschaftlich-liberale Seele schmerzt.

Norbert Heyer | Fr., 24. März 2023 - 09:08

Wir möchten - zu Recht - das Verbrennerautos auch nach 2035 mit e-fuel weiter betrieben werden können. Das nervt unsere rotgrünen Wohlstands-Zerstörer, obwohl wir am meisten darunter leiden würden. Jetzt steht der deutsche Verkehrsminister am Pranger, weil Deutschland seine ureigenen Interessen durchsetzen will. Natürlich kann Estland oder Island oder Bulgarien für die Abschaffung sein - sie haben schließlich keine Autoindustrie. Deutschland hat immer bezahlt, wenn es finanziell brannte - ich erinnere nur mal an Griechenland. Jetzt haben wir ein Anliegen und bekommen von allen Seiten Gegenwind, den müssen wir jetzt aushalten und unseren Willen durchdrücken. Wer sich nämlich immer devot abduckt, wird nicht respektiert, sondern heimlich verlacht und verspottet. Wir haben die Macht, das diese sinnvolle Maßnahme Vertragsgrundlage wird. Sollten die anderen EU-Staaten dagegen sein, werden wir unsere finanzielle Unterstützung einfach mal einstellen. Es reicht nämlich, immer für alle zu zahlen

So sehr ich Ihnen zustimmen kann, muß ich jedoch leider darauf hinweisen, daß die Regierung es so will. Im Koalitionsvertrag steht verbindlich drin:
- Wir wollen Europa dienen -

Hier wird die freiwillige Selbstaufgabe Deutschlands bekundet! Wie gewählt so umgesetzt.

Der DExit aus der EU erscheint mir als die einzige Möglichkeit, um den Automatismus dieser Unterjochung zu stoppen.
Die Zwangsbeiträge die wir automatisch an die EU abführen müssen, können wir besser aus eigener Hand an unsere Nachbarn verteilen und darauf aufpassen, daß unsere Interessen dabei auch Berücksichtigung finden.

Norbert Heyer | Fr., 24. März 2023 - 17:51

Antwort auf von Tomas Poth

Sehr geehrter Herr Poth,
wenn wir Europa dienen wollen, bedeutet dass doch nicht eine formulierte Selbstaufgabe. Das mögen viele Partner in der EU so empfinden, aber anderen dienen kann ja auch bedeuten, Hilfestellung zu gewähren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Natürlich - das gestehe ich zu - haben wir mit der Übernahme finanzieller Verpflichtungen beim Brexit, für Griechenland, für Sozialleistungen anderer Länder und Bürgschaften für Italien wegen besserer Zinskonditionen den Eindruck des gutmütigen reichen Onkels erweckt. Ich erinnere auch an die Target-Konten, die mittlerweile auf über eine Billion angewachsen sind. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir unseren Kurs beim Verbrenner-Auto beibehalten und von den Schuldnern verlangen, dass sie ihre Schulden bei uns abtragen. Kein weiteres Geld, keine Bürgschaften, keine Zugeständnisse mehr - selbst auf die große Gefahr, dass diese unsägliche EU daran zerbricht. Denn sie geht so oder so ihrem hochverdienten Niedergang entgegen.

Gerhard Lenz | Fr., 24. März 2023 - 10:21

noch niemand erzählt, dass in der Ukraine ein Krieg tobt? Dass es Inflation und für bestimmte Energieformen und Rohstoffe horrende Preise gibt? Dass der Klimawechsel noch zu ganz anderen Ausgaben führen wird?

Dass man in bestimmten Situationen, besonders bei Krise, flexibel sein sollte?

Offensichtlich nicht.

Anders kann ich mir nicht erklären, dass er einen Text veröffentlicht, der vielleicht in das Jahr 1980 gepasst hätte.

Maria Arenz | Fr., 24. März 2023 - 10:30

legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als daß sich Mitglieder des Club Med an die beim Euro-Beitritt unterschriebenen Budgetregeln halten werden (Frei nach FJS). Und Deutschland holt unter Rot -Grün grad so mächtig auf, was das mediterrane "Nach uns die Sintflut" anbetrifft, daß der große Währungskladderadatsch keine 5 Jahre mehr auf sich warten lassen wird, weil Deutschland als "lende rof last resort " ja dank unserer Wirtschafts -Waisen (frei nach Frau Hein) ja inzwischen auch ein Totalausfall ist.

Menzel Matthias | Fr., 24. März 2023 - 10:32

frage ich mich in welcher Parallelwelt sie leben! Dieses Sprücheklopfen ist mehr als peinlich. Hat nicht gerade die CDU den Löwenanteil an der Zerstörung der Grundfesten des beschriebenen Staates gebracht? Und dann noch 16 Jahre Merkel. Oder ist Herr Koch nicht mehr in der CDU? Habe ich was verpasst?

@Herr Matthias, Sie stellen die richtige Frage. Bei vielen früheren CDU-Parteitags-Claqueren sind stark nachlassende Gedächtnisleistungen zu beobachten. Eine ehrliche Bestandsaufnahme steht weiterhin aus. Ob die privatwirtschaftlichen Erfahrungen von Herrn Koch zu einem wirtschaftspolitischen Rundumschlag prädestinieren, sei dahingestellt.

Urban Will | Fr., 24. März 2023 - 10:38

der gerade sein letztes Wasser verschüttet hat.
Er weiß genau, dass keines seiner Worte hier auch nur in Ansätzen irgendwo Gehör finden wird. Er weiß auch, dass EU in der Form wie sie heute vor sich hin wurstelt und das Geld zuhauf verbrennt, nicht überleben wird. Er ist nur zu feige, das einzugestehen.
Keines der Schlamper – Länder wird auch nur in Ansätzen aufhören, das Geld rauszuhauen, solange der schlafende Riese in der Mitte brav weiter zahlt und der Schlaf – Michel wird auch dann noch zahlen und sich weismachen lassen, wie toll die EU sei, wenn er mit 90 in Rente geht und 75% Steuern zahlt, während man südlich der Alpen das dolce vita genießt.
Es ist einfach unfassbar, im Lande mit den in Teilen schlechtesten Sozialleistungen für seine (arbeitenden!) Bürger (bei gleichzeitig offenen Kassen für Betrüger aller Art) eine Einschränkung dieser überhaupt in den Raum zu stellen.
D hat bald fertig und spätestens dann hat auch diese mental verschrottete EU fertig.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 24. März 2023 - 17:54

Linder und "auf den Tisch gehauen". Ernsthaft jetzt. Alles für mich nur für die Galerie. Der gelbe Blender spielt den Schuldenbremser und hier im Land wird mit Geld um sich geworfen, wie bei einem schweren Schneesturm. Die FDP hat sich doch längst der EZB und Flinten Uschi ergeben. Wenn diese EU zusammen bricht sind vor allem wir Deutschen die Dummen, die ohnehin dieses ill. Lügengebäude bezahlt und auch die Schlussrechnung übernehmen werden muss. Diese EU findet und hat bereits verschiedene U-Boote im deutschen Finanzwesen, deren Auftauchen, wie ein Damoklesschwert über Lindner schwebt und wenn wir nicht willig sind, dann tauchen die auf und eröffnen das Feuer auf D. Und überhaupt. Was will Lindner denn machen? Nicht mehr bezahlen? So recht Sie sicher haben Herr Koch, so wurde bereits unter Merkel mit der sog. schwarzen NULL getrickst, wie die Hütchenspieler am Bahnhof. Drei Hütchen, links UvdL, rechts Lagarde und in der Mitte, wie ein Sandwich? Na wer wohl? Der deutsche Steuerzahler.