
- Wie die Politik das Wohnen verteuert
Die Politik entdeckt im Wahlkampf ihr Herz für Mieter und Familien, plötzlich wollen alle Parteien den Wohnungsbau ankurbeln. Dabei verhindert der Gesetzgeber mit überzogenen Auflagen und Steuererhöhungen selbst, dass das auch geschieht
Wer heute die Immobilienteile der Zeitungen durchforstet, muss gegen Schwindelgefühle und Übelkeit ankämpfen. Für kümmerliche 50-qm-Wohnungen werden in begehrten Lagen nicht selten mehr als 300.000 Euro verlangt. Wer deutlich geräumiger wohnen will, muss in München, Stuttgart oder Hamburg schon mal mehr als eine Million hinblättern. In diesen Metropolen haben sich die Preise seit 2006 im Schnitt verdoppelt. Gleichwohl rechnet der Verband der Sparda-Banken aufgrund aktueller Studien vor, dass selbst in diesen Hochpreislagen der Erwerb günstiger ist als das Mieten. Auf lange Sicht betrage der Vorteil für Immobilienkäufer im Mittel aller Regionen immerhin 41 Prozent. In den ohnehin schon teuren Ballungszentren etwas weniger.
Was optimistisch stimmen und zum Eigenerwerb animieren soll, ist in Wahrheit eine schlechte Nachricht: Mieter wie Käufer müssen mit weiter steigenden Preisen rechnen. Denn durch diese ermunternde Kalkulation wird die Nachfrage nach Immobilien weiter steigen – mit entsprechenden Renditeerwartungen, die nur durch Preiserhöhungen möglich sind.
Deutsche Politik und EZB sind nicht ganz unbeteiligt
Die Politik, die im Wahlkampf ihr Herz für Mieter und Familien entdeckt, ist daran nicht unschuldig. Dass sich der Erwerb selbst horrend teurer Immobilien rechnet, ist in erster Linie der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zuzuschreiben: Sie drängt die nach Sicherheit dürstenden Bürger regelrecht ins „Betongold”. Auch für ausländische Anleger und internationale Fonds ist Deutschland ein lukrativer Wohnungsmarkt, der sichere Gewinne verspricht. Das treibt die Preise zusätzlich in die Höhe. Doch die Regierung Merkel/Gabriel lässt EZB-Präsident Mario Draghi weiter mit Abermilliarden um sich werfen. Das rechnet sich zwar für die Finanzminister, denn sie verdienen durch Negativzinsen sogar am Schuldenmachen. Die Dummen aber sind die (deutschen) Sparer. Ihnen entginge laut Postbank seit der „Euro-Rettung” 2011 etwa 125 Milliarden Euro an Zinsen.
Neben billigen Krediten ist es das politisch verknappte Bauland, das die Kosten fürs Wohnen nach oben schießen lässt. Zwar sind nur 13,7 Prozent der deutschen Fläche überbaut, gleichwohl soll mit strengen Umweltauflagen der „Flächenfraß” eingedämmt werden. Selbst Kommunen, die noch reichlich Platz hätten, werden so zu Preistreibern beim Bauland. Hohe Umlegungskosten tun ihr Übriges.
Die SPD enttäuscht bei leistbarem Wohnen
Dass nun SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz die hohen Mieten anprangert, ist geradezu zynisch: Schließlich kommt aus dem Umweltministerium seiner Parteifreundin Barbara Hendricks eine Energie-Einspar-Verordnung nach der anderen. So steht ein weiteres Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) an, das die Kosten noch einmal um zehn Prozent oder einen Euro pro Quadratmeter für die Mieter hochtreibt, obwohl Bauexperten vorrechnen, dass dadurch nur ein paar Cent an Heizkosten eingespart werden. Auch von der „Regulierungspause”, welche die SPD-Minister Hendricks und Gabriel angekündigt hatten, ist nichts zu sehen: Seit 1990 sind die zu befolgenden Baunormen von 5000 auf 20.000 gestiegen.
Zu den gestiegenen Grundstücks- und Baukosten kommen noch die Erwerbsnebenkosten von rund zehn Prozent. Die sind in Deutschland nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) viel höher als in anderen europäischen Ländern. Haupttreiber ist die Grunderwerbsteuer, die in sieben Bundesländern von 3,5 auf stattliche 6,5 Prozent nahezu verdoppelt wurde. In vier davon, wie in Schleswig-Holstein, stellt die SPD den Ministerpräsidenten. In zwei weiteren regieren die Genossen mit. Nur Bayern (CSU) und Sachsen (CDU/SPD) beließen es bei den 3,5 Prozent, die bis 2006 einheitlich galten. Auch die Grundbuch- und Notarkosten wurden seit 2013 um 25 Prozent angehoben, rechnet der Verband "Haus und Grund" vor. „Ständig steigende Baukosten und stabile Mieten, das geht nicht zusammen”, klagt deren Präsident Kai Warnecke und warnt: „Die Mittelschicht kann sich das Eigenheim bald nicht mehr leisten.”
Daran werden auch die aktuellen Wahlköder wenig ändern. Das gestaffelte Familienbaugeld, das die SPD verspricht, ist auf Einkommensklassen bis maximal 70.000 Euro pro Haushalt begrenzt, die sich eigentlich keine Immobilie leisten können oder nicht in ländliche Gebiete ziehen wollen.
Vor allem Mieter leiden unter zu wenig Angebot
Die CDU liebäugelt mit einem Baukindergeld und Abschlägen bei der Grunderwerbsteuer, die jedoch den Ländern alleine zufließt. Diese hat sich seit 2007 auf insgesamt 12,4 Milliarden Euro verdoppelt. Weshalb der FDP-Plan, den Ersterwerb bis 500.000 Euro davon ganz freizustellen, kaum Chancen hat. Wie die Klagen über steigende Wohnpreise überhaupt heuchlerisch sind: Ob Länder, Notare oder Makler, sie alle berechnen ihren Anteil prozentual. Je teurer, desto mehr.
Insgesamt zieht der Rat der Immobilienweisen eine verheerende Bilanz: Mit überzogenen Auflagen, Steuererhöhungen und einem blühenden Normenwesen verhindere der Gesetzgeber, dass in Deutschland genug gebaut werde. Und wenn, dann nicht unter 2500 Euro pro Quadratmeter – ohne Grundstück.
Immerhin haben die Erwerber von Immobilien die Chance, irgendwann schuldenfrei im eigenen Heim zu wohnen. So lassen sich die ebenfalls drastisch gestiegenen Nebenkosten (Strom, Wasser, Heizung, Versicherung etc.) leichter schultern. Mieter zahlen hingegen laut Mieterbund zusätzlich 3,19 Euro pro Quadratmeter. Das betrifft 55 Prozent der Bürger, in Städten sogar 73 Prozent. Denn Deutschland ist Mieterland. Auch so produziert man Altersarmut.