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Angst vor Überfremdung - Nein, wir dürfen sie nicht ernst nehmen

Kolumne: Zwischen den Zeilen. In Bayern brennen geplante Flüchtlingsheime und montags trifft sich der wütende Bürger, um vor Überfremdung und Flüchtlingen zu warnen. Was passiert hier eigentlich?

Autoreninfo

Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Wir müssen sie ernst nehmen, die Ängste der Menschen, der Bürger. Es sind Politikersätze. Signale an all die Abtrünnigen, doch endlich zurück in den Schoß der Etablierten zu kehren. Innenminister Thomas der Maizière übt sich gerade darin. Den Pegida-Demonstranten reicht er die Hand, warnt vor Stigmatisierung.

Montagsdemos der friedlichen Revolution von 1989 ad absurdum geführt


Natürlich, Ängste sollten ernst genommen werden, wenn sie denn begründet sind. Sofern man es aber mit diffuser, unbegründeter Angst zu tun hat, sollten die Ängstlichen ihre Angst hinterfragen.

Denn: Was genau sollen wir eigentlich ernst nehmen? Sollen wir ernsthaft über die Islamisierung des Abendlandes diskutieren? Ernsthaft über Überfremdung in von Fremdheit unberührten Landstrichen wie den neuen Bundesländern? Müssen wir uns ernsthaft fragen, ob wir Einwanderungsland sein wollen, mit allen Schwierigkeiten, die das nun einmal mit sich bringt?

Diskutiert nicht das ganze Land die Gefahren des Islam rauf und runter?

Was also genau gilt es, ernst zu nehmen? Statt Verständnis für eine Gruppe von Menschen zu fordern, die mit „Wir sind das Volk“- Parolen die friedliche Revolution von 1989 ad absurdum führt, braucht es klare Positionen. Die Politik war auf einem guten Weg, bis sie merkte, welch Wählerpotenzial da jeden Montag Deutschlands Straßen und sieben Tage die Woche die Internetforen beglückt. Es der AfD zu überlassen, wollte man dann auch nicht.

Die große Mehrheit ernst nehmen, die sich hinter keinem Akronym versteckt


Nehmen wir ernst, was ernst zu nehmen ist. Und beäugen wir mit der gebotenen Portion Skepsis das Hofieren wütender Kleinbürger ins demokratische Spektrum durch die politische Klasse. Nehmen wir die hoffentlich nach wie vor große Mehrheit ernst, die sich hinter keinem Akronym versteckt, die sich nicht in Dresden oder Hannover tummelt, keine Angst davor hat, dass der Christstollen seine abendländische Identität verliert, dass die Gesellschaft durch verburkatisierte Mullahs infiltriert wird oder die Genderisierung die deutsche Sprache abschafft. Nehmen wir ernst und wahr, dass offensichtlich notleidende Asylsuchende ausreichen, um dieses Land mit einem Mehltau der Ignoranz zu überziehen. Und das in einer Zeit, in der die Gesellschaft mit den NSU-Morden noch einen riesigen Berg an Aufarbeitung zu bewältigen hat.

Anstatt verschwimmenden Ängsten Autorität und Legitimität zu verleihen, sollte man besser das Feuer ernst nehmen, das in drei geplanten Flüchtlingsunterkünften in Bayern brannte. Gleiches gilt für die Hakenkreuzschmierereien und fremdenfeindlichen Parolen, die dort hinterlassen wurden.

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