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Sexuelle Übergriffe - Aus Köln nichts gelernt?

Die jüngsten Debatten um sexuelle Übergriffe haben offenbar zu nichts geführt: Noch immer gibt es keinen besseren Schutz für Frauen und Kinder. Im Asylpaket II, das noch bis Monatsende verabschiedet werden soll, ist das auch gar nicht vorgesehen

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Die neuerlichen Vergewaltigungsvorwürfe aus Köln sind schockierend – wenn sie sich denn als wahr herausstellen. In einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Humboldt-Gremberg sollen Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes Frauen begrapscht, gefilmt und sich an ihnen vergangen haben, heißt es in einem offenen Brief. Bis jetzt gibt es aber noch keine Anzeigen, und auch der betroffene Sicherheitsdienst bestreitet das. Man darf jetzt nicht den gleichen Fehler machen wie das Berliner Bündnis „Moabit hilft“: Das glaubte an ein Facebook-Gerücht über einen toten Flüchtling vor dem Lageso in Berlin, das sich hinterher als erfunden herausstellte.

Ja, das sollten wir seit dem Jahresbeginn gelernt haben: Bevor nicht die Polizei Details zu den Ermittlungen bekanntgibt, sollten keine voreiligen Schlüsse über Opfer, Täter und mögliches Behördenversagen gezogen werden.

Und nein, trotzdem darf man das Problem nicht verschweigen, das sich hinter dieser und ähnlichen Meldungen verbirgt: Dass es noch immer ein Sexismus-Problem gibt. Huch: #aufschrei, #ausnahmslos – alles schon vergessen?

Naive Hoffnungen


Für einen kurzen Moment hätte frau die Hoffnung haben können, dass die Ereignisse der Silvesternacht die Sexismus-Debatte auf eine neue intellektuelle Ebene heben. Dass es jetzt wieder um Frauenrechte geht.

Es war eine mehr als naive Hoffnung.

Die Koalition schnürt Pakete, darin: Maßnahmen zur Begrenzung, Abschiebung, Repression.

Das Naheliegende dagegen wird in die ferne Zukunft verwiesen.

Zum Beispiel der Vergewaltigungsparagraf. Dass nach Köln kurz über dessen Verschärfung diskutiert wurde, lag nicht an Köln. Justizminister Heiko Maas hatte das im vergangenen Herbst ohnehin schon auf seiner GroKo-Stichpunkteliste. Aber es war mehr ein Herumdoktern als ein Ausarbeiten. Die Reformvorschläge sind noch unausgegoren und auch nicht geeignet, Opfern von sexueller Belästigung Schutz zu gewähren. Auch das geplante Gesetz gegen Stalking hat nichts mit der jüngsten Debatte zu tun: Maas wurde erst tätig, nachdem er Ende 2014 eine Petition mit Zehntausenden Unterschriften überreicht bekam.

Ende Januar hat die Große Koalition eine weitere Chance verstreichen lassen, als sie einen wichtigen Kompromiss von Familienministerin Manuela Schwesig und Innenminister Thomas de Maizière gegen Missbrauch einfach kippte. Es ging um einen besseren Schutz von Frauen und Kindern in Notunterkünften. Dort müssen sich Männer und Frauen oft dieselben Waschräume teilen, in riesigen Turn- oder Traglufthallen nebeneinander schlafen. Die Koalition hätte Betreiber solcher Unterkünfte verpflichten können, wenigstens getrennte Duschen oder abschließbare Toiletten anzubieten. Und Jugendhilferecht da anzuwenden, wo Flüchtlingskinder sind. Aber auch hier: Fehlanzeige.

Gemurkse der Politik


Der Landtag Nordrhein-Westfalen befasst sich in seinem Untersuchungsausschuss zu den Silvesterereignissen mit: der Polizei, der Verwaltung, der Düsseldorfer Love-Parade. Wichtige Punkte, keine Frage. Ob aber auch Opfer der Kölner Übergriffe gehört werden, ist offenbar noch nicht klar.

Dass es irgendwo signifikant mehr Geld für Prävention, Kinderschutz, Frauenhäuser und Beratungsstellen gegeben hätte, hat man auch noch nicht gehört.

Das Gemurkse der Politik ist aber noch nicht alles. Da ist auch die Art, wie der Sexismus jetzt überall herhalten muss, um eigentlich ganz andere Ziele zu verfolgen.

Die einen beschwören das Heil der deutschen Frau – und locken mit völkischen Parolen.

Die anderen wittern gleich Ausländerhass, wo auf gruppenspezifische Probleme verwiesen wird.

Die nächsten verknüpfen das Schicksal der Frauen mit denen der Juden.

Und wer es wagt, die Angst eines Vaters anzusprechen, wird gar des Rechtspopulismus bezichtigt.

Rational ist das alles nicht. Intellektuell schon gar nicht.

Es scheint, als müsse man die Frau heute schon wieder anketten – an einen Zweck.

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