Zum Schweigen gebrachte palästinensische Stimmen? Anti-Israel-Protestierer vor dem Weißen Haus in Washington / dpa

Postkolonialismus - „In aller Freundschaft von Israel emanzipieren“

Der Historiker Per Leo erhält Zuspruch für seine Kritik an Robert Habecks Rede gegen Antisemitismus. Dabei ist Leo Vertreter einer postkolonialen Linken, die sich eine Parteinahme gegen Israel und die Verharmlosung von muslimischem Judenhass zum Programm gemacht hat.

Autoreninfo

Ingo Way ist Chef vom Dienst bei Cicero Online.

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Dieser Text ist eine Erwiderung auf den Artikel „Das amerikanische ,Ja, aber…‘“ von Mathias Brodkorb.

Israel erlebt das schlimmste antisemitische Pogrom seiner Geschichte, wird seit vier Wochen vom Gazastreifen, aus Syrien, dem Libanon und dem Jemen beschossen; die Israelis sind verängstigt, traumatisiert, trauern um ihre ermordeten und bangen um ihre entführten Angehörigen, sind teilweise selbst auf der Flucht und wissen nicht, wann wieder ein normales und sicheres Leben für sie möglich sein wird.

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Kai Hügle | Mi., 8. November 2023 - 16:33

Danke! Besser hätte man es wahrscheinlich nicht formulieren können.

Jens Böhme | Mi., 8. November 2023 - 17:04

Ich glaube, Per Leo ist noch im Stadium mit Pazifismus und Befreiungs- und Unterdrücktenideologie die Welt zu deuten. Mittlerweile ist Menschheit (wieder) am Punkt, Farbe zu bekennen. Unpolitische Neutralität war in der Interimszeit nach 1945 schick, aber kein vernunftorientiertes Dogma. Man darf die Zeit nach 1945 nicht als human und zivilisiert schönreden. Die meisten und tödlichsten Kriege fanden und finden in zivilisatorischen Systemen statt.

Heidrun Schuppan | Mi., 8. November 2023 - 17:08

irritierend, den Text von Herrn Brodkorb zu lesen, habe es aber bis zum Schluss durchgehalten, um auch andere Blickwinkel zu verstehen. Es war aber ein bisschen zu viel, was da relativierend zu lesen war. Allein der Satz, dass Assimilierung (sinngemäß) an Erpressung grenzt, hatte für mich eine Grenze überschritten. Ich ignorieren nicht die Siedlungsbestrebungen von Israelis im Westjordanland, auch wie heute in welt.de zu lesen ist, dass jüdische Siedler immer wieder Beduinen im Westjordanland angreifen. Das sollte klar verurteilt werden, auch von unseren Politikern. Aber es wird von Per Leo allzu viel relativiert – die Ausgewogenheit fehlt, wie ich finde.

ist ein Ereignis wie das Folgende ein Grund. Leider berichten über den Terror gegen Juden im Westjordanland unsere Medien nur selten. Man weiß ja, andere Menschen wohnen, Juden" siedeln": "Während im Gazastreifen freudig Süßigkeiten verteilt wurden und die dort agierenden Terrororganisationen den »heroischen Akt« bejubelten, erfuhr man, dass der Attentäter ein 34-jähriger muslimisch-beduinischer Staatsbürger aus dem nahe Be’er Sheva gelegenen Hura ist".Es geht dabei um einen Anschlag im März 2022.Nur einer von vielen.

Tomas Poth | Mi., 8. November 2023 - 17:26

Hier wird ideologisches Schattenboxen betrieben, anstatt nach Friedenslösungen zu suchen!!
Die Suche nach Friedenslösungen erfordert es beide Seiten ernst zu nehmen. Wenn diese Äquidistanz nicht möglich sein darf, dann ist dies letztlich nur eine einseitige Parteinahme für eine Fortsetzung des Dauerkonfliktes, für Krieg bis hin zum letzten Gefecht, egal für welche Seite!
Ich wage zu behaupten, wer Israel in dieser Form beisteht ist ein schlechter Ratgeber. Die langfristige Perspektive, nicht heute oder morgen, aber in überschaubarer Ferne, spricht eher für einen Siegfrieden der palästinensisch/arabischen Welt.
Es sei denn diese Welt wird in einem Gewaltakt in naher Zukunft komplett flach gelegt, sodaß es Jahrhunderte braucht bis sie sich davon erholen kann.
Die verquere UN Resolution zur Aufteilung Palästinas kann nicht rückgängig gemacht werden, aber sie könnte heute zu einer Basis für Verhandlungen gemacht werden, um Juden & Palästinensern ein gesichertes existieren zu ermöglichen.

Chris Groll | Mi., 8. November 2023 - 18:08

Heute gelesen: Hat zwar nicht direkt mit diesem Artikel zu tun, gibt aber die Situation in Deutschland haargenau wieder. Die Einstellung des Herrn Per Leo und leider muß ich sagen auch die Einstellung der Polizei, obwohl die ja wohl weisungsgebunden ist.
Die Entwicklung Deutschlands zur dunklen Seite hin kann man sehr gut in dem Film Comedian Harmonists erkennen.
Nun zu dem auf TE gelesenen:
****Als Hamas-Freunde unbehelligt von der Polizei durch Siegen ziehen und zur Vernichtung Israels aufrufen, halten zwei ältere Ehepaare am Rande der Demonstration friedlich Pro-Israel-Schilder hoch. Jetzt gibt es Strafanzeigen – gegen die vier alten Leute: wegen „unangemeldeter Versammlung“. ****

****Ein Polizist spricht die Fünfer-Gruppe an (ein Bekannter hatte sich noch dazugestellt) und fragt, wer die Versammlungsleitung habe. Eine der Damen hält das für einen Scherz und antwortet, ebenso scherzhaft und spontan: „Ich.“ Das hätte sie nicht tun soll.****

Heidemarie Heim | Do., 9. November 2023 - 11:57

Antwort auf von Chris Groll

Gar Mitglieder einer Rollatoren-Gang?! Da muss das SEK ran. Doch ich denke wie Sie werte Frau Groll, dass es sich nur wieder um eine verunglückte Ansprache handelte, um der Deeskalation willen, wie von oben angeordnet;) Mutmaßlich dachte er aber :" Die provokanten Alten da haben mir grad noch gefehlt! Hoffentlich kann keiner der friedliebenden Demonstranten entziffern was die da hochhalten, sonst geht`s gleich rund im Gebüsch!" MfG

Heidemarie Heim | Mi., 8. November 2023 - 19:32

Wie das, was dieser Mensch von sich gibt geehrter Herr Way! Bis heute überlege ich, wieso Herr Brodkorb, den ich wie gesagt sehr mag obwohl er bei der SPD ist;), diesem Menschen und seinen seltsamen und wie mir scheint gefährlichen Ansichten und Äußerungen, nicht nur Israel und den Juden gegenüber, hier eine Plattform bot. Ich kann mich irren, aber ich möchte gern glauben, dass er uns einfach mal zeigen wollte anhand des so beispielhaften Herr Leo, was es heißt, bzw. wie linksgestrickte Vergangenheitsbewältigung in echt aussieht. Da ich in noch näherem Verwandtschaftsgrad als Herr Leo zu einem 1,95m großen, blonden, blauäugigen Arier u. Mitglied der Waffen-SS stehe, den ich nie kennenlernte weil er fiel, stelle ich mir gerade vor wie es wäre, würde ich meine post-arische Neurose in der Art von Kompensation wie besagter Herr L betreiben. Keine Ahnung ob Sie mich verstehen Hr. Way aber wie schrieb mir eine Mitforistin, wenn ich schriebe was ich über Herr Leo denke wäre es justiziabel! LG

Helmut Bachmann | Mi., 8. November 2023 - 19:40

Ich bin für Meinungsfreiheit, aber eine nachvollziehbare Meinung als Gegenstück zu solch einer so kontroversen und mich abstoßenden eines Per Leo zu lesen, rundet den Abend angenehm ab.

Thorwald Franke | Mi., 8. November 2023 - 20:26

Ich danke dem Autor für diese exzellente Analyse des Extremismus von Per Leo. Und es ist so bezeichnend, dass der Großvater von Per Leo SS-Sturmbannführer und Abteilungsleiter im Rasseamt war. Warum erkennt Per Leo nicht, dass die Flucht ins andere Extrem auch nur ein Extrem ist? Und dass ein Spiegelbild zwar alles ins Gegenteil verkehrt darstellt, aber am Ende doch ganz genauso aussieht, wie das Originalbild, nur andersrum? Ach, diese Menschen, diese Menschen ... sie irren oft so irre ... man möchte Mitleid mit Per Leo haben. Er ist doch so klug! Aber an dieser Erkenntnis scheitert er.

Markus Michaelis | Mi., 8. November 2023 - 20:32

Ich bin nicht auf Leos Seite. Er greift Absolutheiten, wie die Erinnerungskultur, an, nur um sie durch eigene zu ersetzen.

Was für mich ein Punkt ist: die deutsche Erinnerungskultur ist nichts Universelles. Man kann soviele Bücher schreiben oder Gesetze erlassen, wie man will, an diesem Grundbefund wird man nichts ändern. Wir können die grausamsten Menschenfeindlichkeiten aufzählen, aber 8 Mrd Menschen denken nicht auf eine einzige Weise. Sie zählen jeweils ihre eigenen Traumata auf - die ihnen auch sehr wichtig und nicht verhandelbar sind. Und es passt nicht immer alles zusammen.

Öffnet man eine Gesellschaft, wie Deutschland das die letzten Jahre gemacht hat, und auch noch mit den Erzählungen dazu, die Deutschland abgegeben hat, wird sich die Gesellschaft ändern - auch in wesentlichen Punkten. Ich bin gerne für eine bestimmte Erinnerungskultur, aber dann kann man nicht in einer so weltfremden, selbst-weltzentrierten Fantasiewelt leben.

Erich Becker | Do., 9. November 2023 - 01:23

Ich versuche es mit 5 Thesen:
1. Das Morden der Hamas am 7. Oktober ist in höchsten Maße zu verurteilen.
2. Die israelische Regierung hat dabei offensichtlich versagt, weil dies militärisch nicht verhindert wurde - trotz der Warnungen, die es vorher (!) gab.
3. Die danach folgenden Tötungen und Zerstörungen durch israelisches Militär sind Racheakte, keine völkerrechtskonforme Verteidigung.
4. Daraus resultierende Judenfeindlichkeit ist nicht zu dulden; ebenso daraus resultierende Islamfeindlichkeit.
5. Wem Israels Sicherheit und die der Palästinenser am Herzen liegt, sollte daran mitwirken, die Spirale der Gewalt zu stoppen und ihre Wurzeln zu beseitigen. Und das bedeutet, die Politik von Besatzung und Blockade zu beenden und den Palästinensern die volle Selbstbestimmung über ihre gesamten Territorien zurückzugeben, so wie es das Völkerrecht vorsieht.

Ernst-Günther Konrad | Do., 9. November 2023 - 08:39

"Solange Deutschland sich nicht in aller Freundschaft von Israel emanzipiert hat, wird unser Verhalten von Triebkräften gesteuert, die wir selbst nicht durchschauen.“ Einer der wenigen Sätze, die ich in diesem Artikel als ernsthaft diskutabel bezeichne. Mit unserem Schuldkult haben wir uns dermaßen von Israel abhängig gemacht, das wir jetzt bei vielen anderen Konflikten, größte Schwierigkeiten haben, halbwegs neutral mit Israel und seiner Politik und den Umgang mit den Palästinensern umzugehen. Wir fühlen uns Generationen später noch immer schuldig, obwohl fast niemand mehr aus dieser Zeit vorhanden ist. Wir haben nie diesen Schuldkult aufgebarbeitet und tun uns jetzt äußerst schwer dabei, einerseits natürlich das Existenzrecht der Juden und Israels ohne Wenn und Aber zu verteidigen und anderseits im Einzelfall als selbstbewusste Freunde Israels, auch an der ein oder anderen Stelle deren Politik kritisch zu hinterfragen und zu begleiten. Vieles was Leo da schreibt ist sehr einseitig.

Brigitte Miller | Do., 9. November 2023 - 08:55

die Aussage ( in Variationen) "die Deutschen werden uns Auschwitz nie verzeihen" in den Sinn.

Seltsam auch das von der Amadeu-Antonio-Stiftung erstellten "Zivilgesellschaftlichen Lagebilds Antisemitismus". Darin geht es schwerpunktmäßig um Antisemitismus von rechts und Angriffe auf Gedenkstätten und Erinnerungsorte.
Im Text "Juden leben im "Ausnahmezustand" in der Süddeutschen Zeitung wird nur der "rechtsextreme Antisemitismus" thematisiert.

Wolfgang Borchardt | Do., 9. November 2023 - 09:26

hat D eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk. Indes gibt es keinen Grund, Juden moralisch zu überhöhen. Genau das wird - wenigstens rhetorisch - getan und erzeugt Gegenwind auch dort, wo er nicht schon vorher vorhanden war.

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 9. November 2023 - 12:41

Antwort auf von Wolfgang Borchardt

unsere Verantwortung ihnen und Israel gegenüber schon.
Sagt man wirklich bei Israelis immer "siedeln" nicht "wohnen", wie Frau Vetter schreibt?
Ich möchte für die Bundesrepublik gerne hoffen, dass wir "in Freundschaft und Verantwortung ZU Israel emanzipieren".
Erinnerung baut Brücken.
In stillem Gedenken

S. Kaiser | Do., 9. November 2023 - 09:39

Man liest die zitierten statements, und fragt sich, wie zur Hölle dieser Per Leo eigentlich tickt, der mir bis dato unbekannt war. Man vermutet einfache Bösartigkeit, aber manchmal hilft es, sich das Auftreten einer Person „live“, sprich auf Video anzuschauen, weil man dort zu den Worten noch Körpersprache, Tonfall und Mimik mitberücksichtigen kann. Eines der neueren Videos auf YT war eine Podiumsdiskussion von Anfang '23. Und angesichts der Beiträge von Leo bei dessen Auftritt kann ich das prägnant zusammengefasste Ergebnis vom Autor nur unterstreichen: Es zeigt sich eine „Eiseskälte und moralische Indifferenz des deutschen Diskursstrebers [….] der seine Empathie vermeintlich gleichmäßig auf alle Seiten verteilt, in Wirklichkeit aber über gar keine verfügt“. Auch wenn intellektuelle Differenzierungsfähigkeit einen hohen Wert hat, wenn darüber die Menschlichkeit verloren geht, ist nichts gewonnen. Denn gerade letzteres macht eine zivilisierte Gesellschaft im Kern auch aus.

Maria Fischer | Do., 9. November 2023 - 12:36

Ich weiß nicht ob Leo Vertreter einer postkolonialen Linke ist.
Leo ist eitel, sehr eitel.
Sein Buch "Flut und Boden" ist konfus.
Versucht er in diesem Buch seine Geschichte zu erzählen? Versucht er die Ambivalenz zu seiner Geschichte zu verstehen? Oder benutzt er z.T ziemlich flach formulierte ambivalente Gedanken, geschmückt durch Kenntnisse der deutschen Literatur- und Philosophiegeschichte, um mir gezielt seine politische Haltung aufzudrängen?
Dort schreibt er u.a. "Das gefährlichere Ressentiment gegen die Juden war ja das der Gebildeten. Es war frei von offenen Hass der Straße und konnte auch mit Bewunderung einhergehen. .....Es artikulierte nur ein Unbehagen“
D.h heisst nicht, dass andere Autoren nicht ähnliche Gedanken schon hatten, aber die Formulierung ist merkwürdig.
Ansonsten würde ich mir wünschen, dass Kierkegaard Kenner sich "Flut und Boden" zur Brust nehmen würden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich einige Passagen auf Seite 71-73 schon einmal gelesen habe.