Die politische Kommunikation wird hyperaktiver und gereizter, nicht aber unbedingt fundierter / picture alliance

Kurzfristiger, schneller, extremer - Leiden wir an politischem ADHS?

Die Macht der digitalen Medien macht auch vor der Politik keinen Halt. Für Diskussionen und Entscheidungsfindungen bleibt zunehmend weniger Zeit. Dabei bedarf es in unserer derzeitigen Krisenlage nichts dringender als Entschleunigung und geschützter Räume für einen echten Diskurs.

Autoreninfo

Roland Wöller ist Abgeordneter (CDU) im sächsischen Landtag und Professor für Volkswirtschaftslehre. Von 2017 bis 2022 war er Staatsminister des Innern in Sachsen.

So erreichen Sie Roland Wöller:

Eltern und Lehrer kennen es schon länger. ADHS - Das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom. Unkonzentrierte, zappelige und gereizte Schüler, bei denen ADHS diagnostiziert wurde – für die Betroffenen ein ernsthaftes gesundheitliches Problem und eine Herausforderung für Eltern und Schule. Die Häufigkeit steigt und ist keineswegs auf Kinder und Jugendliche beschränkt. Auch Erwachsene leiden unter Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität. Abgesehen von dieser spezifischen klinischen Erscheinungsform nimmt in unserem digitalen Zeitalter generell die Aufmerksamkeitsspanne ab und die kollektive Erregung zu.

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beschreibt in seinem Buch „Die große Gereiztheit“ treffend die Auswirkungen auf Medien, Politik und Gesellschaft. Nun könnte man meinen, dies seien lästige Oberflächenphänomene einer schönen neuen Digitalwelt. Diese Transformation ist in vollem Gange, hat aber gravierendere Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und jeden Einzelnen, als vielen klar ist.

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Inana | Mo., 10. Juli 2023 - 12:05

Die Beschlüsse in der Politik heute liegt an vielem - aber mit Sicherheit nicht an den sozialen Macht.
Denn sie beginnt ja an ganz anderer Stelle. Wenn es etwas gibt, dass das heutige System wirklich kennzeichnet ist es die Postdemokratie. Alles ist schon auf supranationaler Ebene ausgehandelt und wird als „alternativlos“ durch Medienkampagnen durchgesetzt. Diese Kampagnen sind nie sachlich, sondern zielen eigentlich immer auf Lächerlich-Machen von allen, die nicht auf Linie sind. Ziel ist eine Aufteilung der Gesellschaft in gute und böse Kinder. Jenes entlädt sich dann in Zoff in den sozialen Medien. Ursächlich dürfte es mit ihnen aber wenig zu tun haben.

Karl-Heinz Weiß | Mo., 10. Juli 2023 - 12:37

Der Blick über den Atlantik bietet wenig Grund zur Hoffnung. Ein Kandidat wurde durch einen rüden Wahlkampfstil Präsident und nach seiner Abwahl blies er zum Sturm auf das Parlament. Und das Ergebnis: 2024 ist er aussichtsreichster Bewerber. Und in Thüringen ist die Höcke-AfD stärkste politische Kraft.
In exakt.100 Jahren nichts dazugelernt-außer den neuen Erklärungsversuch ADHS=Allgemeines Deutsches Hilflosigkeits Syndrom.

Könnten sie sich die „Erfolge der Höcke AFD“ zumindest erklären …… beispielsweise durch eine CDU die seit 3 Jahren eine Rote Minderheitsregierung stützt, oder in dem die Wahl eines MP, ja auch mit den Stimmen der AFD gewählten MP von der FDP, einfach auf Weisung Merkels rückgängig gemacht wurde. Und das sehr geehrter Herr Weiß, hat sich noch nicht einmal Ulbricht od. Honeckers SED in der DDR getraut. Auch Gründe für die niemand will sie Partei.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Markus Michaelis | Mo., 10. Juli 2023 - 12:43

zumindest glaube ich nicht, dass es eine Hauptursache ist. Was ich auch denke ist, dass die Gesellschaft viel mehr Diskussionen bräuchte, die sich viel Zeit nehmen.

Als größere Ursachen der heutigen gesellschaftlichen Unsicherheit würde ich mehr sehen, dass sehr viele Menschen irgendwie fühlen, dass "Wir" nicht wissen, wie Gesellschaft eigentlich funktioniert und was feste Werte und Regeln sind. Lange hat das im Wesentlichen ganz gut funktioniert, aber jetzt gibt es vielfältige Umbrüche, die in der Summe bei vielen das Gefühl erzeugen, dass entweder irgendetwas ganz schief läuft und/oder, dass wir auch bei gutem Willen nicht wissen, was eigentlich ein gesellschaftliches Ziel sein soll, oder wie wir dahin kämen, hätten wir ein Ziel.

Natürlich haben viele Gruppen Ziele und Vorstellungen - aber "jedem" ist auch irgendwie klar geworden, dass es eben viele Gruppen, viele Ziele und Sichtweisen gibt und dass das alles nicht recht zusammenpasst.

Urban Will | Mo., 10. Juli 2023 - 12:47

Teil Ihres Artikels, Herr Wöller, kann ich voll und ganz zustimmen. Privat sollte jeder schauen, dass er sich der Reizüberflutung nicht allzu sehr hingibt, doch das ist leichter gesagt als getan. Es ist schon erschreckend, dass man nicht mal 2 Minuten irgendwo sitzen und sich die Welt anschauen kann, ohne zum Handy zu greifen...

Was unsere Regierung angeht und das von Ihnen angemahnte fehlende sich Zurückziehen zu „offenen“ Klausuren:
Das ist der neue Politikstil. Das ist keine „ADHS“ in dem Sinne, dass man es nicht merkt oder nicht besser kann. Man m ö c h t e es genau so.
Gerade in Sachen Klima oder als neuester Gag: das SBGG, ist es ganz klare Absicht, nur einseitige „Fachleute“ anzuhören und dem Volk diesen bullshit möglichst unbemerkt und schnell unterzujubeln.

Man kann gar nicht dankbar genug sein, dass da jetzt mal das BVG „Stopp“ geschrien hat.

Es wird unter Links – Grün auch zukünftig keinen ernsthaften Diskurs geben.
Das haben Sektierer so an sich.

Ingo Frank | Mo., 10. Juli 2023 - 12:55

Politikstil und die damit verbundene Politik selbst, hat nichts mit den sozialen Medien sondern insbesondere mit der Gleichschaltung Medien, der Junallie und vor allem mit dem ÖRR zu tun und nicht zuletzt an der Unfähigkeit der uns Regierenden, welches im Besonderen auf unserer Fortschrittskoalition zu erkennen ist und im speziellen an den Grün besetzten Ministerien. Beispiele / Belege Erspare ich mir.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Heidemarie Heim | Mo., 10. Juli 2023 - 15:14

Hört sich erst einmal gut an geehrter Herr Prof. Wöller! Nur fällt einer inzwischen von politischer Paranoia befallenen oder auch nur von Misstrauen geprägten Person wie mir bei solch einem "Rückzugsort für Politiker" und ihren nicht öffentlichen Debatten sofort das sogenannte Hinterzimmer ein inklusive Schweigegelöbnis. Was aber nach mehrmaligem Bruch die Gesprächsleitung dazu veranlasste, den Damen und Herren den Zugang mit tablet und smartphone zu verweigern. Früher musste der arme Journalist sich den Hintern abfrierend abwarten bis zu einer Raucherpause oder am Ausgang den Abfangjäger spielen;). Und welches Bild der Debattenkultur ergibt sich für die Bürger/in in einem weniger abgeschotteten Schutzraum politischer Debatte und Information wie dem Parlament? Tumultartiges wie letzten Freitag, ansonsten unhöfliches, von Ignoranz geprägtes Verhalten den Redner/innen gegenüber während man auf seinem Endgerät rumklimpert und nur noch auf Provokationen des Gegners reagiert. Vorbildlich!?

Tomas Poth | Mo., 10. Juli 2023 - 16:27

Wir leiden an einer politischen Klasse in den Altparteien, die den politischen Gegner ausgrenzt, verunglimpft und ihre Antifa-Truppen nicht im Griff hat.
Die Demokratie wird durch die Altparteien mißbraucht, um die eigenen Interessen, die leider in einigen Fällen nicht die unseres Volkes sind, durchzusetzen und kennt da kein Pardon. Sie instrumentalisiert die Exekutive für ihre politischen Zwecke!

Die Altparteien haben bezüglich Massenmigration, deutsche Nationalität und CO2-Hypothese eine nicht verhandelbare Meinung/Haltung, da sind die Fakten die diesem Wahnsinn widersprechen nur störend und werden untergebuttert. Der mediale Mainstream stützt die Regierung mit Propaganda.
Wir brauchen offensichtlich ein zweites 1989, um uns einer erneuten sozialistischen Zwangsjacke zu entledigen.
Der Anfang wäre ein Verbotsverfahren gegen die LINKE, sie haben den Sozialismus als Ziel in ihrem Programm stehen.
Das bedeutet den Umsturz der Demokratie!

Hans Schäfer | Di., 11. Juli 2023 - 09:10

>>Auch Erwachsene leiden unter Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität.>>
Ich kenne hier einem im Blog, der hat neben den von Ihnen aufgeführten Leiden noch weitere behandlungsbedürftigen Phobien!