Christian Lindner
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, betritt das Kanzleramt, 29.11.2023 / dpa

Koalitionsausschuss zur Haushaltskrise - Christian Lindners verräterisches Wörtchen

Der Koalitionsausschuss endet ergebnislos. Doch der Finanzminister hatte unmittelbar davor mit einem vielsagenden Wörtchen seinen Koalitionspartnern Mut gemacht, ihn in Sachen Schuldenbremse weiter unter Druck zu setzen.

Ferdinand Knauß

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Der Koalitionsausschuss tagte und heraus kam: nichts. Allzu dringend scheint den Spitzen von SPD, Grünen und FDP die Suche nach einer verfassungsrechtlich sicheren Füll-Lösung für das 17-Milliarden-Euro-Loch im Bundeshaushalt 2024 wohl gar nicht zu sein. Sonst wäre man nicht nach eineinhalb Stunden ergebnislos auseinander gegangen. Angesichts der „Not“, die nun zumindest für das Noch-Haushaltsjahr 2023 ausgerufen werden soll, und der sonst bei solchen Runden gerne aufwändig inszenierten Entscheidungsdruck-Stimmung kann man sich darüber durchaus wundern. 

Aus Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion war gestern vor dem Treffen zu hören, dass jedenfalls in der Fraktion bislang kein „großer Wurf“ unmittelbar zu erwarten sei. Von kursierenden Sparvorschlägen hört man jedenfalls bislang nichts. 

Wie es mit dem Haushalt 2024 weitergehen soll, weiß Finanzminister Christian Lindner offenbar selbst noch nicht genau. Aber aus seinen Aussagen vor dem abendlichen Treffen kann man eine Tendenz ableiten. 

 

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Er sagte einerseits, es müsse nun schnell und sorgfältig eine Entscheidung getroffen werden, hielt es aber offenbar auch für notwendig, zu betonen, dass der Staat „voll handlungsfähig“ sei und die Regierung „treffsicherer“ mit dem vorhandenen Geld umgehen müsse. Was implizit bedeutet, dass er bisher beachtliche Summen an den Zielen vorbei verfeuert habe.

Doch die wichtigste Lindner-Botschaft steckte wohl in einem kleinen Wörtchen, das ihm vielleicht unabsichtlich in einem ZDF-Interview über die Lippen kam. Da sagte er nämlich: „Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für einen Notlagenbeschluss 2024 vorliegen würden.“ Noch. Wer so spricht, der signalisiert – ob bewusst oder unbewusst – dass er sich „noch“ überzeugen lässt. Dass er nur „noch“ etwas gutes Zureden oder Druck benötigt. Lindners Koalitionspartner, die immer lauter nach einer zunächst temporären, vermeintlich notbedingten Aussetzung der Schuldenbremse für 2024 rufen, werden also durch ihn selbst ermutigt, weiter zu rufen.

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R.B. | Do., 30. November 2023 - 12:28

„Halb zog sie ihn halb sank er hin“ könnte man sagen. Lindner weis, dass er nach dieser Wahlperiode mit seiner FDP wohl keine Wahl mehr gewinnen kann und aus allen seinen Ämtern entlassen wird. Da ist es ihm jetzt auch egal, das Wahlversprechen Schuldenbremse einzuhalten, aufzugeben und damit um jeden Preis die Ampel zusammen zu halten und ihn in seinem Amt. Bezahlen müssen eh wir Bürger und unsere Kinder und Kindeskinder. Ist der Ruf erst ruiniert regiert es sich ganz ungeniert. Verantwortung dem Bürger und seiner Partei gegenüber sähe anders aus. Mal sehen was die Mitgliederbefragung der FDP ergibt und wie die Partei dann agiert. Ich denke, die FDP als Partei wird es bald so nicht mehr geben. Der Bürger ist es einfach satt.

Peter Sommerhalder | Do., 30. November 2023 - 13:04

das ist so eine Sache mit den verräterischen Wörtern.

Mir kam da spontan Lino Ventura in "La bonne année" (Ein glückliches Jahr) 1973 in den Sinn:
Als Lino Ventura beim Flirten das Wörtchen "bequem" herausrutschte...

Gute Idee, heute Abend schaue ich wieder Mal diesen grandiosen Film...

Henri Lassalle | Do., 30. November 2023 - 15:27

Antwort auf von Peter Sommerhalder

Ich mag Lino Ventura als Schauspieler, als Mensch war er sehr human und sozial, darüber hinaus ein intelligenter Manager seiner selbst.

Werner Peters | Do., 30. November 2023 - 13:33

Lindner fällt wieder um und macht auch den 24er Haushalt mit Notlage und Aussetzen der Schuldenbremse mit, obwohl er diese in Sonntagsreden für gut hält. Von Einsparungen keine Rede mehr. Die machen weiter so wie gehabt.

Heidemarie Heim | Do., 30. November 2023 - 13:53

Und ich denke, dass er nicht überzeugt werden will (muss), weil er genau weiß auf welch verfassungsrechtlich schmalen Grat er balanciert, sondern er möchte die Rückendeckung möglichst Vieler, um nicht als Alleinverantwortlicher samt der FDP in einem erneuten Vabanque-Spiel die A-card zugewiesen zu bekommen;)? Zählt man nämlich auch die immer lauter werdenden Unions-Player/MPs aus den Bundesländern hinzu, die nicht der gleichen und strikten "Überzeugung" ihrer Führungsfigur (Merz) sind, erhöhen sich die Chancen Lindners, dass dieser davon absieht den Kläger in Karlsruhe zu geben. Und wo kein Kläger, da kein Richter, oder? Eng könnte es nur bei wirtschaftlichen Investoren werden, die in dieser Hinsicht was z.B. Rahmenbedingungen, unklare Rechtslagen oder eine mögliche Herabstufung des Ratings (Bonität) wie bisher höchstmögliche "Sicherheiten" gewohnt waren. Denn die müssen in erster Linie überzeugt werden den Standort BRD entweder nicht zu verlassen oder neues Kapital einzubringen? MfG

Lindner im Bund und die CDU in den Ländern mit ihren grün roten Koalitionspartnern schlucken muß. Günther hat schon, Wüst eiert noch, den „Notstand“ ausgerufen. Was in Hessen war bzw. wird, weiß keiner. In Sachsen wird mit beiden Fliegen regiert, Berlin mit rot….. usw usw usw.
Und der Bürger wird weiter im unklaren gelassen bis Zahltag ist. Dann kommt neu bezeichnetes Geld, alles wird halbiert und binnen weniger Jahre sind die Preise auf „vor Niveau“ und Löhne und Gehälter bleiben halbiert ohne Anstieg. War doch beim € genau so…. Eine riesige Geldentwertung und butterweich !
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Danke für den Hinweis lieber Herr Frank;)! Natürlich wurde uns Bürgern in keinerlei Weise klar und ehrlich gesagt, wie hoch die Gesamtrechnung ausfällt, geschweige Rechenschaft über die im Interesse der Parteien liegenden "Einzelposten" abgelegt. Und die, wenn es nach deren Willen und dem ihrer geförderten NGOs, Stiftungen u. anderen Helferlein oder den Inhabern neu geschaffener Posten geht, auch weiterhin nicht zur Disposition stehen sollen. Worüber wir aber jetzt schon Gewissheit haben, und lebenslange Erfahrungen zeigen es, es wird für den gemeinen Bürger niemals billiger! Das Versprechen z.B. die Erhöhung des Co2-Preises z.B. Benzin usw. durch ein Klimageld zu kompensieren, können Sie m.E. getrost vergessen. Auch an das Versprechen des Kanzlers für die Gastronomie, die abgesenkte Mehrwertsteuer beizubehalten will sich heute niemand mehr erinnern. Erhöhungen bei nahezu allen
Versicherungen, Zusatzbeiträge KV und noch einiges mehr wovon wir gesichert ausgehen werden uns ereilen! MfG

Han Hube | Do., 30. November 2023 - 14:04

Charakterlose Person ohne Rückgrat und Cojones - mehr gibt’s nicht zu sagen.

Norbert Heyer | Do., 30. November 2023 - 15:19

Lindner windet sich noch, aber er wird umfallen. Die Schuldenbremse wird ausgesetzt, die Schulden werden größer, die Sorgen kleiner und die nächste Generation kann sich mit der Rückzahlung beschäftigen. Eine Billion Steuereinnahmen - und es reicht immer noch nicht. Sind wir tatsächlich der Zahlesel für die ganze Welt? Wenn wir wirklich abschmieren - was passieren kann - wird die Ampel „völlig überrascht“ sein und eine weitere bittere Pille schlucken müssen: Wir sind nur beliebt und geschätzt, wenn wir am Ende der Party die Zeche bezahlen. Als Habenichts haben wir für keinen Staat dieser Erde noch eine Bedeutung. Wer hofft, dass wir vom Ausland irgendeine Hilfe oder Unterstützung erwarten können, ist eine völlige Fehleinschätzung. Im Gegenteil, wir werden genauso schuldig gesprochen wie - berechtigt - nach dem zweiten WK.
Denn dann ist das christliche Europa durch eigene Dummheit auf den Weg in ein islamisches Kalifat. Unsere Politik hat es so gewollt und auch gnadenlos durchgezogen.

Henri Lassalle | Do., 30. November 2023 - 15:30

dass wir in aussergewöhnlichen Zeiten leben, in denen rigide Konzepte nichts bringen. Es ist intellektuelle Mobilität und Mobilisierung gefragt.

Manuel Gerber | Do., 30. November 2023 - 15:47

....wichtiger ist dann wohl eher, ob das Verfassungsgericht sich von einer "Notlage" überzeugen lässt...

Gunther Freiherr von Künsberg | Do., 30. November 2023 - 16:10

Einen möglicherweise verfassungswidrigen Haushalt 2024 darf die oppositionelle Union keinesfalls dulden und muss, wenn sie nicht alle Glaubwürdigkeit verlieren will, dass BVerfG um eine Klärung herbeizuführen, anrufen. Es ist nun mal so, dass weder das Gericht ohne Klage tätig werden kann. Auch der Bundesrechnungshof kann nur seine Meinung/die Rechtslage publizieren, mehr nicht.
Wenn die Union nicht versucht einen verfassungsmäßigen Haushalt durch Klage zu erzwingen bedeutet dies eine Oppositionsverweigerung und damit eine Stärkung der Randparteien, insbesondere der AFD.

Jochen Rollwagen | Do., 30. November 2023 - 18:02

Vielleicht könnte mal jemand von "Der Presse" fragen, um wieviele Milliarden es denn nun geht. Zuerst hieß es so um die sechzig, dann plötzlich nur noch so um die fuffzehn - obwohl nix passiert ist - aber es hat auch schon Gebote bis zu sechshundert ("Zum ersten, zum Zweiten und zuuuuuuum..") gegeben.

Aber ich denke das wissen die selber nicht so genau.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 1. Dezember 2023 - 07:42

Wir können noch so viele Artikel darüber lesen, ob und wie die FDP, namentlich Lindner, wie mit dem Urteil umgehen wird. Für mich steht fest. Lindner wird natürlich umfallen. Er muss die Ampel irgendwie erhalten, das ist er sich und seinen Kollegen für die Versorgung schuldig. Die FDP ist so oder so am Ende.