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(picture alliance) Wolfgang Bosbach, Vollblutpolitiker mit Schwäche zur Selbstreflexion

Kind und Beruf - Familie? Die Politik taugt nicht zum Vorbild

Kiffen im Fernsehen, Doktorarbeiten abschreiben, Bonusmeilen missbrauchen: Wenn Politiker als Vorbilder versagen, gibt es meistens Ärger. Nur nicht, wenn es um die eigene Familie geht

Claudia Roth sitzt an eine Wand gelehnt da, sie blickt ins Leere. Verloren sieht sie aus. Die Frau, die bekannt ist für ihre Fröhlichkeit, für ihr lockeres Auftreten in allzu buntem Zwirn. Auslöser war die Frage des Magazins der Süddeutschen Zeitung in der Fotoreihe „Sagen Sie jetzt nichts“: „Sind Sie manchmal traurig, dass Sie keine Kinder haben?“ Claudia Roth ist eine von vielen Politikerinnen, die sich für die Karriere und gegen Kinder entschieden hat. Man könnte auch sagen, die sich nicht dagegen gestemmt hat, dass ihr Leben eine kinderlose Richtung einschlug. Denn Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist schwierig in Deutschland. Trotz Kinderbetreuungsoffensive und gelebter Emanzipation, trotz flexibler Frauenquote und Väter-Elternzeit. Geändert hat sich eigentlich nur eines: Während früher die Karriere der Frauen, die Kinder bekamen, auf der Strecke blieb, liegt heute auch noch die Karriere der dazugehörigen Männer brach, wenn diese sich um den Nachwuchs kümmern.

So geht es vielen Politikern, die sich im Gehege des Deutschen Bundestages nur eingeschränkt bewegen können. Fraktionssitzungen, Ausschüsse, Bundestagsdebatten. Das Leben des Zoon politikon ist stressig und selten zur Fortpflanzung geeignet. Das wäre nicht ganz so schlimm, wenn es hier nicht um eine Berufsgruppe ginge, deren Vertreter in vielen Bereichen als Vorbilder agieren. Die Beispiel-Funktion gehört quasi zur Stellenbeschreibung des Berufspolitikers dazu.

Wenn Politiker fallen, dann oft, weil sie sich Fehler geleistet haben, die ihre Rolle als Vorbild nicht verträgt: Beim Promovieren abschreiben, einen Kollegen mit den Worten „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ beschimpfen, sich von Freunden auf eine Yacht einladen lassen, geschäftlich erworbene Bonusmeilen für private Flugreisen nutzen. Die Öffentlichkeit versteht da keinen Spaß. Es geht sogar so weit, dass darüber diskutiert wird, ob ein Politiker in der Öffentlichkeit kiffen darf. Ich bitte Sie! Haschisch! Man müsste eigentlich fragen, ob ein Minister tatsächlich dieses Land führen kann, wenn er nicht einmal in seinem Leben bewusstseinserweiternde Drogen genommen hat. Das ist aber heute nicht die Frage.

Es geht vielmehr um verschobene Maßstäbe. Was nämlich nur mit einem Achselzucken quittiert wird, ist ein solch entlarvender Foto-Beitrag von Claudia Roth im SZ-Magazin. Oder die tieftraurige Befragung, die Frank Plasberg in seiner Talkshow vor einem Jahr bei seinen Gästen abhielt. Was sie am meisten in ihrem Leben bereuen würden, fragte er und bekam von den vier männlichen Besuchern drei Mal die gleiche Antwort: Dass sie nicht genügend Zeit mit ihren Kindern verbracht hätten.

Da stand neben Peter Maffay, Günter Wallraff und Michael Jürgs ein CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der sagte: „Das Beste, was ich in meinem Leben gemacht habe, hat nichts mit Politik zu tun. Das sind Caroline, Nathalie und Viktoria. Und wenn ich etwas zutiefst bereue, dann ist es, dass ich nicht mehr Zeit mit den Kindern verbringen konnte.“

Seite 2: Ein Jahr danach spricht Bosbach über seinen Krebs und stürmt wieder in den Bundestag

Heute, ein Jahr danach, hat Herr Bosbach einen Haufen Interviews gegeben zum Thema Krebs. Er bereut es, da kein gutes Vorbild gewesen zu sein. Wäre er früher zur Vorsorge gegangen, hätte man seine Prostatawucherung besser in den Griff bekommen, sagte er der Frankfurter Rundschau. Klare Worte für einen Politiker.

Zum Thema Familie aber kann man Bosbachs Fähigkeit zur Selbstreflektion nur anzweifeln: Jetzt, wo für ihn vielleicht nicht mehr viel Zeit bleibt, will er trotz des Krebses wieder für den Bundestag kandidieren. Seine Frau meint dazu nur: „Das musst du selber wissen.“

Auch Norbert Geis, ein Leben lang in der Politik, denkt nicht ans Kürzertreten. Jetzt, mit 75 Jahren, darf er nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Seine Zeit von nun an mit der Familie zu verbringen, daran denkt der vierfache Vater und Großvater nicht. Er will weiterhin als Anwalt arbeiten und jeden Tag im Büro verbringen – von acht bis acht, sagte er dem Spiegel. Rar sind dagegen Politiker wie Cem Özdemir oder Philipp Rösler, die den Sonntag regelmäßig für die Familie blocken.

Dass die Frauen in der Politik nur selten reich an Kindern sind, versteht sich bei all dem von selbst. Nicht umsonst betont Familienministerin Kristina Schröder immer wieder, dass sie das Glück habe, auf ihren Mann, ihre Eltern und Schwiegereltern zählen zu können. Nur so ist ihr eine Karriere mit Kind in den engen Zeitkorridoren der Bundespolitik möglich.

Ein ähnliches Problem hat der Pandabär. Auch ihm will die Fortpflanzung in Gefangenschaft nicht so recht gelingen. Mit Potenzpillen, Panda-Pornos und künstlicher Befruchtung wird gegen das Aussterben angekämpft. Gerade ist wieder einmal ein solcher Coup gelungen. In einem chinesischen Forschungszentrum kamen sieben Pandabären zur Welt. Das sind übrigens genauso viele wie bei Ursula von der Leyen. Die ist aber wirklich eine Ausnahme unter den – äh – Menschen.

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