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Markus Lanz - Dschungelcamp, nur ohne Maden

Raus aus meiner Rundfunkgebühr. Über 130.000 Menschen haben die Online-Petition zur Absetzung der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" bereits unterschrieben. Aber wer tatsächlich glaubt, via Online-Aufruf Herrn Markus Lanz absetzen zu müssen, der hat das Prinzip von „Markus Lanz“ nicht verstanden

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Ach, das Fernsehen nun schon wieder. Ich hatte mir ja geschworen, nie wieder etwas aus dem deutschen TV-Programm zu kommentieren – ob öffentlich-rechtlich oder privat. Es ist als Medium nämlich schlichtweg zu unbedeutend geworden. Dann aber gibt es eben doch immer wieder Momente, die meine These von der Bedeutungslosigkeit der Flimmerkiste widerlegen. Zum Beispiel die derzeitige Online-Petition gegen den Moderator Markus Lanz wegen angeblich unbotmäßigen Verhaltens gegenüber seinem Talkgast Sahra Wagenknecht. Oder die aktuelle, tagtägliche Berichterstattung auch sogenannter seriöser Printprodukte über die emotionalen Verrenkungen der Bewohner des RTL-Dschungelcamps. Die von mir ansonsten hochgeschätzte Berliner Zeitung hat aus letztgenanntem Anlass sogar eine eigene Kolumne ins Leben gerufen, die ich bisher noch nicht ein einziges Mal gelesen habe.

Das Dschungelcamp selbst habe ich mir gestern Abend allerdings angeschaut, ungefähr eine halbe Stunde lang. Ich gestehe, dass ich dort beim Durchzappen hängengeblieben bin, weil sich eine sehr großbusige, sehr tätowierte, blondhaarige Frau unter einem kleinen Wasserfall ihrer morgendlichen Waschung unterzog – und zwar oben ohne, wie sich das für zur Ausstrahlung vorgesehene Körperreinigungsrituale im Privatfernsehen gehört. Leider wurde dann recht bald wieder ins eigentliche Kandidatenlager übergeblendet, wo sich die Stars, von denen mir einzig der Schauspieler Winfried Glatzeder bekannt war, über die tätowierte Blonde unterhielten. Wobei man von „Unterhaltung“ weder im einen noch im anderen Sinne sprechen kann, wenn Menschen vorformulierte und höchst langweilige Sätze miteinander austauschen und dabei in die Kamera schielen.

Wenn das Konzept schon „Scripted Reality“ lautet, sollte der Schwerpunkt vielleicht doch besser auf der Vortäuschung von Realität liegen als auf dem bräsigen Abspulen eines Scripts. Sonst wirkt das ganze nämlich so unbeholfen wie die Inszenierungen am Berliner Maxim-Gorki-Theater unter der Intendanz von Shermin Langhoff. Also Schüler-Theater, nur mit mehr Kohle.

Können die Dschungel-Beteiligten sich nicht etwas Mühe geben? Selbst die Kulisse ist derart baumschulenmäßig zurechtgepflanzt, als handele es sich in Wahrheit um keinen Dschungel, sondern um einen holländischen Center-Park mit Plastikpalmen und Kunst-Matsch. Aber womöglich haben sich die Zuschauer in all den Jahren schon so an diese artifizielle Urwald-Welt gewöhnt, dass sie ihnen mittlerweile tatsächlich wild und verwegen vorkommt. RTL kann sich also zugutehalten, den Dschungel domestiziert zu haben und es gleichzeitig auf eine Verwilderung der Sitten ihrer dort festgehaltenen Kandidaten anzulegen. Ein Nullsummenspiel ist das Projekt leider trotzdem nicht, weil weder die Kandidaten noch der Dschungel wirklich davon profitieren. Ob wenigstens die Zuschauer etwas davon haben, sollte jeder für sich selbst entscheiden.

Womit wir auch schon bei Markus Lanz wären. Der spricht ja, wenn es um seine Kritiker geht, inzwischen nur noch von „Meute“. Da machen sich also auch bei ihm gewisse Verwilderungstendenzen bemerkbar, was auch nur verständlich ist, wenn man sein Auskommen im Dschungel des öffentlich-rechtlichen Gebührenfernsehens fristen muss. Tatsächlich sind Talkshows wie die von Markus Lanz ja auch nichts anderes als Dschungelcamps – nur eben ohne eklige Maden oder zum Verzehr vorgesehene Känguruhoden. Denn jeder, der sich als Talkgast dort einfindet, hat schon vorher seine Rolle zugewiesen bekommen: Sahra Wagenknecht gibt dann halt die „schöne Kommunistin“, Hans-Ulrich Jörges vom Stern mimt den „kritischen Journalisten“. Und Markus Lanz spielt „Markus Lanz“, also einen grundsympathischen Fernsehmoderator, der den Verwaltungsratschargen vom ZDF beweisen muss, dass er außer „Wetten, dass?“ auch Politik beherrscht. Aber so was von!

Und jetzt soll ich eine Petition unterschreiben, nur weil die Figur „Markus Lanz“ einer anderen Figur namens „Sahra Wagenknecht“ das Wort ein paar mal abgeschnitten hat? Ich kann nur sagen: Wer tatsächlich glaubt, via Online-Aufruf Herrn Markus Lanz absetzen zu müssen, der hat das Prinzip von „Markus Lanz“ nicht verstanden. Es basiert nämlich genauso auf „Scripted Reality“ wie das Dschungelcamp. Mit dem Unterschied, dass Winfried Glatzeder im RTL-Urwald mit seiner Rolle als „authentischer Ossi-Schauspieler“ dann doch noch den höheren Unterhaltungswert besitzt. Aber das ist auch nicht besonders schwer.

 

 

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Volker Leyendecker | So., 2. Juli 2017 - 08:04

Sie brauchen nicht nur Markus Lanz zu nennen, die Unhöflichkeit der Talkshows ist Politisch motiviert . Es wird nur der GAST unterbrochen, dessen Meinung nicht in den Politischen Kurs passt. Ich habe oft das Gefühl die missliebigen Gäste werden nur als Alibi für die Ausgewogenheit des Staatlichen Fernsehen eingeladen.