Grell geschmückter Garten eines Familienhauses
Mit Ruhe und Besinnlichkeit hat Weihnachten heute nicht mehr viel zu tun / picture alliance

Weihnachten - Das revolutionäre Fest

Kolumne Grauzone: Weihnachten – für die einen lästige Pflicht, für die anderen der Inbegriff deutschen Brauchtums. Wir schwanken zwischen überheblicher Verachtung und kitschig-ironischer Überinszenierung und übersehen dabei das eigentliche Potenzial dieses Festes

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Welche seltsame Ambivalenz. Seit Jahrzehnten gehört es zum guten Ton, über Weihnachten zu schimpfen: über den Konsumrausch, den Kitsch, die elende Völlerei und die geheuchelte Harmonie mit einer Verwandtschaft, die ohnehin nur nervt. Gut, wenn endlich alles vorbei ist.

Aber wehe ein Weihnachtsmarkt wird in einen Wintermarkt umbenannt oder ein paar besonders kultursensible Geister wollen den Weihnachtsmann in Rente schicken. Dann ist das Geschrei groß, und es wird so getan, als hinge an Weihnachten das Glück der deutschen Seele. – Ja, was denn nun?

Die Widersprüchlichkeit des deutschen Gemüts

Vielen Menschen, so hat man den Eindruck, ist Weihnachten inzwischen unendlich fremd. Und das nicht einmal nur aus religiösen Gründen. Zugleich aber ist es ihnen ein Symbol ihrer Identität, ihrer Herkunft und einer imaginierten Kultur, die Geborgenheit verspricht.

Keine Frage: Das ist zutiefst schizophren und gibt auf drastische Art und Weise einen Einblick in die Pathologie des deutschen Gemüts, seine Widersprüche und Zerrissenheit.

Anfrage an unser Selbstverständnis

Denn was haben wir von einer Kultur zu halten, die sich sentimental an Rituale klammert, die sie im Grunde verachtet? Was bedeutet es, wenn in einem Land ein Brauchtum gepflegt wird, das den allermeisten lästig ist, das zugleich aber als Symbol eigener Kultur begriffen wird? Was sagt es uns über eine Gesellschaft, wenn diese Unmengen an Aufwand und Geld in ein Fest investiert, das ihr angeblich nichts bedeutet? Ist das Selbsthass? Oberflächlichkeit? Kulturelle Amnesie?

Offensichtlich ist Weihnachten eine Anfrage an unser Selbstverständnis. Dabei geht es im Kern nicht einmal um Religion. Seit seiner Erfindung als bürgerliches Familienfest um die Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich Weihnachten Schritt für Schritt losgelöst von seiner rein christlichen Intention. Es wurde umgedeutet in ein Ritual besinnlichen Beisammenseins, in der das Bürgertum der lärmenden und beschleunigten Welt des anhebenden Industriezeitalters ein Hort stiller Behaglichkeit und verträumter Kontemplation entgegensetzte.

Weltflucht für einen Abend

In diesem Sinne war das bürgerliche Weihnachtsfest immer ein Sehnsuchtsort, eine Flucht vor der kalten Logik einer globalisierten, effizienten und auf Nutzen ausgerichteten Verwertungsgesellschaft. Dass so eine Weltflucht – und sei es für einen Abend – in einer kapitalistischen Massenkonsumgesellschaft latent zum Scheitern verurteilt ist, liegt im Wesen der Sache.

Bezeichnend ist nun, dass viele Menschen auf diesen offensichtlichen Widerspruch mit Sarkasmus reagieren und offener Ablehnung – des Weihnachtsfestes wohlgemerkt.

Aufgesetzte Schnoddrigkeit und belanglose Überinszenierung

Diese Gedankenlosigkeit wird nur noch übertroffen durch die ordinärste Form von Intelligenzsimulation: die Ironie. Und so bewaffnet man sich mit blinkenden Weihnachtsmannmützen und geht auf X-Mas-Partys, um den eigenen Traditionen zu entkommen, die eigenen Erinnerungen zu betäuben und vermutlich auch die verborgenen kindlichen Sehnsüchte.

Gerade aufgrund seiner Traditionsverbundenheit, seiner Aura von Brauchtum und Überlieferung steht unser Umgang mit Weihnachten für die geistige Heimatlosigkeit des Menschen der Spätmoderne, seine Verlorenheit, seine Deformationen – und seine Angst, sich diese einzugestehen. Also flüchtet er sich in aufgesetzte Schnoddrigkeit oder in eine belanglose Überinszenierung, die aus dem Fest des Innehaltens stumpfen Kulissenzauber macht.

Revolutionäres Potenzial

Dabei liegt der Zauber von Weihnachten gerade darin, radikal unzeitgemäß zu sein. Es ist der Familienfest gewordene Protest gegen alles, worauf unsere technologische Moderne so Stolz ist: ihre Schnelligkeit, ihre Digitalität, ihre Flexibilität und Fortschrittlichkeit. Weihnachten hingegen bedeutet Ruhe, Sinnlichkeit, Handwerk, Überlieferung und Ritual. Dass viele Menschen damit nichts mehr anfangen können, kündet von den Verwüstungen, die unsere schöne neue Hochglanzwelt anzurichten in der Lage ist.

Weihnachten ist mehr als ein Weihnachtsmarkt, der auch „Weihnachtsmarkt“ heißt. Weihnachten bedeutet Distanz einzunehmen zu den angeblichen Realitäten und Alternativlosigkeiten dieser Welt. Weihnachten bedeutet Verweigerung und Entrückung – darin liegt sein eigentliches Versprechen. Wir sollten wieder lernen, diese Distanz zuzulassen. Dann hätte das gute alte Weihnachtsfest ein geradezu revolutionäres Potenzial.

In diesem Sinne: Allen Lesern friedliche Weihnachten und frohe Festtage!

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Christoph Kuhlmann | Sa., 24. Dezember 2016 - 11:02

Weihnachten ist mit Ostern und Pfingsten eines der drei Hauptfeste des Kirchenjahres. Als kirchlicher Feiertag ist der 25. Dezember erst seit 336 in Rom belegt. Wie es zu diesem Datum kam, ist umstritten. Diskutiert wird eine Beeinflussung durch den römischen Sonnenkult: Kaiser Aurelian hatte den 25. Dezember im Jahr 274 als reichsweiten Festtag für Sol Invictus festgelegt; zwischen diesem Sonnengott und „Christus, der wahren Sonne“ (Christus verus Sol) zogen die Christen früh Parallelen.[2]Christen und Nichtchristen feiern Weihnachten heute meist als Familienfest mit gegenseitigem Beschenken; dieser Brauch wurde seit 1535 von Martin Luther als Alternative zur bisherigen Geschenksitte am Nikolaustag propagiert, um so das Interesse der Kinder auf Christus anstelle der Heiligenverehrung zu lenken.[3] In römisch-katholischen Familien fand die Kinderbescherung weiterhin lange Zeit am Nikolaustag statt. [Quelle: Wikipedia] Cheers.

Horst Kessler | Sa., 24. Dezember 2016 - 13:22

Weihnachten macht oft Stress ,es ist wie eine anstrengende manchmal auch lästige Arbeit. Sie wird aber am Ende meist mit einem schönen Geselligen Familienabend belohnt man freut sich über das Zusammensein und über die Freude der Kinder. Ich bin froh dass das Weihnachtsfest nicht Religiösen zwängen unterliegt, dass jeder es feiern oder nicht feiern kann wie er will. Man muss keine Philosophische Betrachtung darüber anstellen in einer freien Gesellschaft kann es jeder sehen wie er will und muss sich dafür nicht verachten lassen. Die Welt der Strenggläubigen ist keine bessere eher das Gegenteil

Axel Kreissl | Sa., 24. Dezember 2016 - 13:51

Genau, Herr Dr. Grau. Das ist die wahre Revolution, nämlich die Revolution der Liebe Gottes, die keine weiteren Revolutionen braucht.
Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Treffsicherheit, auch schon bei früheren Artikeln. Es besteht also noch Hoffnung. Ich wünsche Ihnen Frohe Weihnachten!

"die Revolution der Liebe Gottes" Davon war hier ja gerade nicht die Rede. Eher davon, dass jemand wie ich, der Gott für einen Popanz hält, dennoch Weihnachten auf seine Weise begehen darf - nämlich als Familienfest, bei dem Eltern, Kinder, Enkel, sogar ehemalige Partner (in unserem Falle sämtlich Atheisten!!!) zusammen kommen, die Kleinen mit Geschenken erfreuen, und sich selbst damit, dass sie eine zivilisierten Umgang miteinader trotz diverser Meinungsverschiedenheiten pflegen können. Alles ohne Gott, sogar ohne Jesus. Und ich räume ein, dass eine katholische Christmette schon auch ihren besonderen Charme hatte (ist woh inzwischen etwas verloren gegangen), aber eben nur als reine Formsache, so, wie ich mir gern Bach anhöre, ohne der religiösen Botschaft seiner Werke etwas abgewinnen zu können.

Jens Richter | Sa., 24. Dezember 2016 - 14:07

Und? Was ist daran so "schizophren" oder gar schlecht? Kaum jemand kennt die Geschichte des Brauchtums, das er schätzt und pflegt. Na und? Und Sie nehmen das pars pro toto ("die Kultur"). Einen Absatz weiter bremsen Sie ab zu "die allermeisten", aber auch diese Mengenangabe wird nicht weiter quantifiziert. Es gibt aber tatsächlich "Menschen, die hier schon länger leben", die sich auf dieses Familienfest freuen, die sich erfreuen an den leuchtenden Kinderaugen, wenn die Lichter brennen, die Lieder gesungen und, ja, die Geschenke ausgepackt werden. Da ist nichts Schlechtes dran. Schlecht ist die widerliche, hündische Unterwerfung der professionellen "Christen" mitsamt ihrem Dhimmi-Gefolge. So, und ich esse jetzt als Nicht-Christ ein paar Speculatii.

Christa Wallau | Sa., 24. Dezember 2016 - 14:13

Danke, lieber Herr Grau, für Ihre guten Wünsche zu Weihnachten, die ich herzlich erwidere.
Sie sprechen in Ihrem Kommentar das Wichtigste an, das zu diesem Fest gehört: zur Ruhe kommen - Abstand gewinnen - den Hauch einer anderen Welt verspüren.
Dies kann nur dann gelingen, wenn wir unser Denken loslassen und uns einlassen auf das Geheimnis, das sich in der
Weih-Nacht, der Heiligen Nacht ereignete: Das Eindringen des Göttlichen, Vollkommenen in die menschliche Unvollkommenheit,
die Ankündigung des Heils und des
Friedens in einer friedlosen Welt.
Ein Akt des Glaubens ist dazu nötig. Wer sich glaubend auf Jesus Christus verläßt, wird "Entrückung" verspüren, einen Vorgeschmack der verheißenen Herrlichkeit.
Ich freue mich auf die festliche Christmette in Bonn/Beuel, wo
Mozarts Krönungsmesse und das
Halleluja von Händel erklingen werden. Mehr Entrückung brauche ich nicht. Das ist der Kern meines Weihnachtsfestes, dessen Freude ich allen Menschen guten Willens von Herzen wünsche.

könnte ich jetzt genau so wieder schreiben wie vor fünf Jahren.
Ich war heute im Festgottesdienst in der St. Josephskirche von Bonn/Beuel und habe dort in der heiligen Messe wieder einmal "mein" Weihnachten erlebt:
Die freudevolle Feier der Geburt Jesu zusammen mit anderen Gläubigen in einem mit Lichtertannenbäumen geschmückten Gotteshaus. Trotz Corona- Bedingungen haben es der Pfarrer und Kantor mit ihren Helfern vermocht, quasi den Himmel für eine Stunde auf die Erde zu holen.
Mit großem Chor, Orchester und Solisten erklangen die "Spatzenmesse" von
Mozart u. Händels "Halleluja". Auch wir Gläubigen durften zwei Lieder mit Chor- /Orchester- und Orgelbegleitung singen (Menschen, die ihr wart verloren / O, du fröhliche) und haben dies - so gut es mit Masken eben ging - voller Inbrunst getan.
Auch wenn sie es nicht lesen werden, bedanke ich mich hier herzlich bei allen,
die mir diese große Weihnachtsfreude bereitet haben u. wünsche meinen
Mit-Kommentatoren noch eine frohe Zeit.

Günter Hackel | Sa., 24. Dezember 2016 - 14:17

Vielleicht, nein ganz bestimmt, hat Weihnachten auch noch ein anderes Potential. Das Christentum verkündet Liebe (was für eine?) und die Metapher "Erlösung". Die Verkündigung erfolgt im Kirchen-"Chinesisch" und wird deshalb von vielen Menschen nicht mehr verstanden. Trotzdem bleibt das von Jesus gelegte Potential. Wer eine kleine Ahnung davon haben möchte, dem kann ich vielleicht ein wenig helfen: http://goodurl.de/noch_verstecktes_Talent

Volker Leyendecker | Sa., 24. Dezember 2016 - 22:12

Herr Grau was bedeutet für Sie das Weihnachtsfest ? Sich über Auswüchse zu Mokieren ist sehr einfach, das bedeutet aber nicht das Fest so Negativ zu Beurteilen. Jeder Christ feiert wie es Ihm gefällt und nicht wie Sie es für Richtig halten. Es ist schon sehr Arrogant über Andere zu Urteilen. Wenn es Überlegungen gibt Weihnachtmärkte anders zu Nennen ist das ein Einknicken vor anderen Religionen. Der Islam feiert kein Weihnachtsfest, also sollen wir das Fest aus Rücksicht auf die Gefühle der Islamisten auch nicht feiern. Sie sollten eventuell doch mal die Fastenzeit für sich mal Probieren und dann auch das Zuckerfest. Für was sollen wir uns denn noch Entschuldigen. Es Nervt das unsere sogenannte Elite unseren Lebensweise immer wieder in Frage stellt. Sie als Kultur- und Wissenschaftsjournalist sollten sich für die Erhaltung der Kultur einsetzen und die Auswüchse anmahnen.

Peter Enders | Sa., 24. Dezember 2016 - 23:41

Dieser Beitrag ist beispielhaft für die Entfremdung einiger intellektueller Kreise von der gesellschaftlichen Realität.
Für viele Atheisten ist Weihnachten einfach ein Familienfest mit Schmuck und Geschenken vor allem für die Kinder, um diese nicht zu isolieren.
"Revolutionäres Potenzial"?? Das ist höchstens dort vorhanden, wo der jetzige Papst das Versagen seines Vorgängers zu berichtigen versucht: Was unternimmt die unermesslich reiche (!) Katholische Kirche gegen die unermessliche Arnut (!) in der Welt??!!

Stefan Welzel | So., 25. Dezember 2016 - 08:35

Eine beeindruckende Weihnachrs-Rede! Als Christ mag ich ergänzen:
Auch die Geschichte nach Lukas macht Distanz zur Welt von damals:
Das Kind, der neue "König", wurde nicht, wie es auch die Sterndeuter aus dem Morgenland vemuteten, im Palast des Herodes geboren, sondern im Stall eines "Kaffs" (Betlehem).
Hirten und nicht Priester waren zugegen. Ansonsten nahm kein Mensch Notiz davon.
Übrigens, die heutige Skepsis gegenüber dem Kindermord des Herodes teile ich nicht: Nur das Dutzend Kinder, die solch ein Dorf als Jahrgang zu bieten hatte, bei einem Überfall zu töten, mußte nicht unbedingt in die Geschichtsschreibung eingehen. Auch heute passieren Gräueltaten, von denen später niemand spricht. Denken wir nur an das Köpfen, Kreuzigen, Steinigen durch Islamisten, auch von Kindern.

Fred Anton | So., 25. Dezember 2016 - 09:22

Es wurde zwar in dem Artikel erwähnt, dass Weihnachten ein Fest der Familie ist. Besonders ist es jedoch ein Fest der Kinder. Sie freuen sich schon viele Tage vor dem Fest darauf, denn sie erwarten interessante Geschenke. Ihre wichtigsten Wünsche sollen in Erfüllung gehen.
Und diese Erinnerung an die eigene Kindheit ist es, die auch viele mit etwas Wehmut erfüllt. Eine Kindheit, bei der man wenig Verantwortung trug, bei der die Welt noch in Ordnung war.
Und wenn Familien Kinder haben, dann stehen diese im Mittelpunkt der ganzen Feier. So war es gestern in meiner Familie mit drei Kindern, zwei Schwiegerkindern und fünf Enkelkindern.
Wer dagegen keine Kinder hat, der befindet sich in einem Dilemma, und Konsum und Aktivismus sind die besten Verdrängungsmöglichkeiten, sich einem Lebenzu stellen, welchem ohne Kinder ein wichtiger Teil seines Sinns fehlt.

Reiner Jornitz | So., 25. Dezember 2016 - 09:32

Weihnachten ist nicht ein aufgesetztes Fest, vielleicht bei ihnen oder bei sehr unzufriedenen Menschen die mit sich selbst nichts anfangen können. Ich sehe das Weihnachtsfest wie ein Ankerplatz in der die Menschen einmal richtig durchatmen können in einer Welt die so langsam zum Irrenhaus verkommt. Die Menschen müssen sich herumschlagen in einer brutalen Arbeitswelt, politisch schwerstwiegenden Fehlentscheidungen , mit einem Zukunftsdenken von Regierenden die auf 24Std ausgelegt sind und Zukunftsängste für die Rente oder Sicherheit vor chaotischen Moslems. Deshalb ist Glaube gleich Hoffnung und Zuversicht und die innere Stärke eines Volkes, oder ist die Disharmonie geplant und suggeriert.
Das sind sie mit ihrem Kommentar auf einem Holzweg.

Josef Garnweitner | So., 25. Dezember 2016 - 15:22

schön, wenn Sie mit Ihrem Artikel dazu beitragen würden, daß die Menschen sich wieder auf die ursprünglichen Werte des Weihnachtsfestes besinnen, die gerade in unserer Zeit sicher nicht falsch sind, wie Sie sehr richtig schreiben.

Danke für den Artikel Herr Grau und auch Ihnen friedvolle Weihnachtstage.

Detlef Kleinert | So., 25. Dezember 2016 - 15:40

Ein vorzüglicher Artikel, dem ich nur in einigen Punkten widersprechen möchte: Es sind nicht „viele Menschen“, denen Weihnachten fremd ist, die „Rituale verachten“ und denen „Brauchtum lästig“ ist. Herr Grau lebt wahrscheinlich in der Großstadt, dort mag es zum Teil so sein. Aber auf dem flachen Lande ist gottlob von all dem kaum etwas zu spüren, da ist Weihnachten ein tief empfundener Teil unserer Kultur – weshalb der Islam ja auch versucht, unsere christlichen Riten lächerlich zu machen und die Abschaffung zu betreiben. Herr Grau hat recht: das gute alte Weihnachtsfest hat in der Tat revolutionäres Potential, sofern wir uns nicht selbst aufgeben.

Emma Vavrek | Mo., 26. Dezember 2016 - 12:13

Lieber Herr Grau, meine schwer arbeitende allein erziehende Mutter hat mit mir keine Weihnachten gefeiert. Warum? Sie gehörte einer Freikirche an, dort man eben Weihnachten nicht feiert. Nun bin ich erwachsen und habe zu diesem, für Sie wichtigen Fest keine Beziehung. Es leben auch hier in D. viele Menschen die mit Wehnachten nichts zu tun haben. Man erwartet, dass wir zum Weihnachtsfeier erscheinen, dass wir zum Weihnachtsarkt mitgehen... und man/frau wird komisch angesehen, wenn man dazu die eigene Meinung sagt. Feiern sollen alle,die es gerne tun. Welche es nicht tun, müssen auch die Freiheit haben, dass offen zu sagen, ohne Angst haben zu müssen, als Spielverderber zu gelten. Punkt! Feiern Sie wie Sie wollen, lassen Sie andere damit in Ruhe. Bitte!!!

thomas weigle | Mo., 26. Dezember 2016 - 12:38

Weihnachten geht mir ziemlich an einem hinteren Körperteil vorbei, aber wenn ich in "meiner" Stadtbücherei einen Aushang sehe, der die Öffnungszeiten in den "Winterferien" benennt, muss ich mich doch wundern. Winterferien gab es in der DDR irgendwann im Februar und wenn ich es recht erinnere auch in dem einen oder anderen Bundesland. Schon um Begriffsverwirrungen zu vermeiden, sollte man die Kirche im Dorf und Weihnachten im Kalender lassen.

Mueller Ingrid | Mo., 26. Dezember 2016 - 13:33

Diesem Artikel ist nichts mehr hinzuzufuegen,waere auch eine gute Predigt gewesen.

Detlev Dinter | Mo., 26. Dezember 2016 - 23:08

Man kann Weihnachten natürlich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Der Kommerz, die Überzogenheit mag zu Kritik Anlass geben - aber was ist heute nicht überzogen? Wenn aber eine fremde Kultur dieses Fest okkupieren oder auslöschen möchte, dann sollte man sich durchaus überlegen, ob der Weihnachtsmarkt Wintermarkt, der Adventskranz nur 4-Kerzen-Kranz genannt werden sollte. Es ist ein gravierender Unterschied, ob ich die Ausgestaltung kritisiere oder die grundsätzliche Berechtigung.

Gottfried Meier | Mi., 28. Dezember 2016 - 10:45

Weihnachten ist zu 90 % Müll. Aber es lohnt sich, diesen Müll beseite zu räumen und den Sinn von Weihnachten zu entdecken. Das ist zwar schwer, wenn man schon ab Oktober ständig der Weihnachtsmaschinerie ausgesetzt ist. Aber niemand muss sich an diesem Weihnachtstheater beteiligen.

Peter Voit | Mi., 28. Dezember 2016 - 12:38

Das revolutionäre Potential von Weihnachten wird wohl von uns - oder von wem auch immer - nicht nur übersehen, sondern auch gemieden wie der Teufel das Weihwasser. In der letzten Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten jedenfalls ist von so manchem Weihnachtlichen die Rede, auch vom Evangelium und vom "Frieden auf Erden". Nur fehlt der Nachsatz: "und Frieden auf Erden den Menschen seiner Huld!" (Lk 2, 14). Diese Einschränkung scheint nicht wenigen Menschenfreunden ein Dorn im Auge zu sein.
Vor allem findet in Gaucks Ansprache der scheinheilige König Herodes keine Erwähnung, der den Weisen aus dem Morgenland anordnet: "Ziehet hin und forschet genau nach dem Kinde, und sobald ihr es gefunden habt, laßt es mich wissen, damit auch ich komme und ihm huldige" (Mt 2, 8). Jene, die im Traum die Weisung bekommen, nicht zu Herodes zurückzukehren, sich diesem Machthaber also zu widersetzen, scheinen nicht so recht ins Konzept des des "friedlichen und menschenfreundlichen Miteinander" zu passen.

Dirk Bangert | Do., 23. Dezember 2021 - 20:47

Ich lese Ihre Kommentare so gerne, weil sie klug und präzise sind, aber dass Sie es schaffen eine Kolummne über Weihnachten zu schreiben ohne den Namen Jesus Christus zu erwähnen (oder habe ich ihn überlesen?), finde ich dann doch sehr seltsam. Die Heilige Weihnacht ist ja nun deutlich älter, als dieses Zuckerguß-Gehampel, dass seit dem 19. Jh alles in Kitsch und zwanghaften Ritualen auflöst.