Theresa May
Theresa Mays Rücktritt galt schon lange als überfällig / picture alliance

Rücktritt von Theresa May - Ende in Tränen für die zweite eiserne Lady

Der Rücktritt von Theresa May überrascht niemanden, auch nicht in ihrer Partei. Boris Johnson steht als Nachfolger bereit. Auch Labour-Chef Jeremy Corbyn erhofft sich einen Schub. Größter Profiteur könnte aber eine Schlüsselfigur des Brexits werden

Tessa Szyszkowitz

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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Am Ende brach ihr doch die Stimme. „Ich war die zweite Frau in diesem Amt, aber sicher nicht die letzte.” Theresa May, die 63-jährige konservative Premierministerin des Vereinigten Königreichs stand Freitag Vormittag in hellrotem Kostüm in der Londoner Frühsommersonne. Sie wirkte, als wollte sie in der Stunde ihrer Niederlage der Nation Aufbruch und Optimismus vermitteln. Wie es sich für die zweite eiserne Lady nach Margaret Thatcher geziemte. Doch das wurde selbst ihr, der disziplinierten Pastorentochter, zu viel. „Es war die Ehre meines Lebens, dem Land zu dienen, das ich liebe.” Als sie die Tränen aufsteigen spürte, drehte sie sich rasch um und ging.

Vorhang auf für Boris Johnson

Mays Rücktritt war schon so lange überfällig, dass ihre Parteikollegen sich gar nicht mehr bemühten, ihre Erleichterung zu verbergen. „Wenn man drei Mal mit einem Abkommen über den Austritt aus der EU im Parlament scheitert, und dann auch noch mit derart hohen Mehrheiten, dann muss man eben gehen”, sagte Tory-Hardliner Bernard Jenkin in einem BBC-Interview. Offiziell tritt Theresa May erst am 7. Juni zurück. Davor muss sie noch den heiklen Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump über die Bühne bringen, der vom 3. bis 5. Juni Großbritannien besuchen wird. 

Kaum hatte sich die Tür zu 10 Downing Street hinter Theresa May geschlossen, ging es nur noch um ihren Nachfolger. „Boris Johnson wäre ein guter Premierminister, er kennt schließlich alle Staatschefs der Welt”, sagte Jenkin. Der EU-feindliche Hinterbänkler ist bei weitem nicht der einzige Fan des hellblonden Enfant terrible der britischen Politik. Der ehemalige Außenminister, Londoner Ex-Bürgermeister und wortgewaltigste Brexiteer der konservativen Partei scheint jetzt kaum mehr aufzuhalten zu sein. 

Die Tory-Abgeordneten werden erst einmal die Liste der bis zu zwanzig potenziellen Kandidaten auf zwei Namen reduzieren. Aus diesen werden dann 120.000 Parteimitglieder den neuen Tory-Chef auswählen, der schon im Juli als Premierminister in die Downing Street einziehen könnte. Allerdings ist Johnson bei den Kollegen im Parlament wegen seiner erratischen Arbeitsweise äußerst unbeliebt. Er gilt als narzisstischer Karrierist, der mit viel Humor und rhetorischer Brillianz zu überspielen versucht, dass ihn Inhalt und Detail seines jeweiligen Arbeitsfeldes kaum interessieren. „Er ist verlogen und inkompetent”, sagt etwa Tory-Legende Chris Patten, der letzte britische Gouverneur von Hongkong. 

„Dennoch hat Boris Johnson die besten Chancen”, erklärt Matthew Goodwin, Autor des viel beachteten Buchs „National Populism. The Revolt Against Liberal Democracy”. „Da Theresa May den Brexit, den sie versprochen hat, nicht geliefert hat, brauchen die Tories jetzt einen Chef, der wirklich an den Brexit glaubt.” Der charismatische Populist Johnson hat vor allem einen großen Vorteil vor allen anderen Kandidaten: Die Parteibasis liebt ihn. Goodwin: „Johnson ist wohl der einzige, der verhindern kann, dass die Wähler zu Nigel Farage und seiner Brexit-Party weglaufen.”

May konnte ihr Versprechen nie einlösen

Noch vor wenigen Jahren galt Großbritannien als das stabilste Land Westeuropas. Seit 2016 das Brexitchaos ausgebrochen ist, bleibt politisch gesehen kein Stein mehr auf dem anderen. Theresa May hat zwar bei ihrem Amtsantritt im Juli 2016 verkündet: „Brexit heißt Brexit”. Doch dieses Versprechen konnte sie nicht halten. Sie hat zwar einen Brexit-Deal mit der EU im November 2018 ausgehandelt, diesen aber nicht durch ihr eigenes Parlament gebracht. Bis zum 31. Oktober hat Großbritannien einen Brexit-Aufschub von der EU bekommen, was danach passiert, ist derzeit unklar. 

Mit Boris Johnson als Nachfolger steuerte das Vereinigte Königreich eher auf einen „No Deal“ zu, also auf einen Ausstieg aus der EU ohne Abkommen. Dass dieses Szenario überhaupt zur Debatte steht, obwohl es für die britische Wirtschaft zumindest kurzfristig äußerst kostspielig wäre, zeigt, wie tief die politische Krise auf den britischen Inseln inzwischen geworden ist.

Farage als Favorit der Europawahlen

Für die Europawahlen 2019, deren Ergebnisse Sonntagabend verkündet werden, wird erst einmal die Kernschmelze der britischen Konservativen erwartet. Die Stimmen könnten einerseits von den moderaten Tory-Wählern zu den proeuropäischen Liberaldemokraten wandern, die ganz klar für eine Absage des Brexit und für ein zweites Referendum eintreten. Doch der wohl größte Sieger, so sehen es alle Prognosen, dürfte Nigel Farage mit seiner neugegründeten Brexit-Partei werden: Bis 37 Prozent der Stimmen wurden ihm prophezeit. Farage hatte seine bisherige UKIP-Partei im Dezember verlassen, weil sie zu weit nach rechts gerückt war. „Farage ist der einzige Politiker in der britischen Geschichte, der zwei Mal Wahlen mit zwei verschiedenen Parteien gewinnt“, prophezeit Politologie-Professor Goodwin. Bei den EU-Wahlen 2014 war Farage mit seiner UKIP-Partei mit 27 Prozent stärkste Kraft geworden. 

Es geht dabei nicht darum, dass Nigel Farage demnächst Premierminister des Vereinigten Königreichs werden könnte. Er hat es bisher nicht einmal ins britische Parlament geschafft. Dank des britischen Mehrheits-Wahlsystems, das große Parteien bevorzugt, hatte UKIP bei den Wahlen 2017 keinen einzigen Parlamentssitz ergattert. Nigel Farage aber zieht jetzt mit aufrührerischen Parolen durch die Lande. Dabei geht es nicht nur um den „Brexit-Verrat”, den er stoppen will. Farage ruft seinen begeisterten Fans auch zu: „Wir wollen die politische Klasse in Westminster wegfegen, die nur sich selber dient!” 

Jeremy Corbyn fordert Neuwahlen

Wenn Farage die Tories bei den nächsten Wahlen empfindlich schwächen kann, dann profitiert davon vor allem die Labour-Party. Deren Chef Jeremy Corbyn sagte Freitagmittag auf Twitter auch schon: „Wer immer Theresa May nachfolgt, muss sich Neuwahlen stellen.” Davon wollen die regierenden Tories nichts wissen. Seit Beginn der Brexitverhandlungen hat Corbyn versucht, mit einem unklaren Brexit-Kurs seine in Brexiteers und Proeuropäer gespaltene Partei bei der Stange zu halten. Dank des Chaos in der konservativen Partei, deren rechter Flügel sich zunehmend radikalisiert, könnte Corbyn trotz seiner mäßig erfolgreichen Oppositionspolitik doch noch in die Downing Street einziehen. „Wenn die Tories keinen harten Brexiteer wie Boris Johnson zum Chef küren, dann laufen sie Gefahr, das Land Jeremy Corbyn auszuliefern”, sagt Goodwin dazu.

Das politische Chaos in Westminster und die EU-Wahlen auf dem europäischen Kontinent übertönten am Wochenende die laut tickende Brexit-Uhr. Bereits am Dienstag aber wollen sich die EU-Staatschefs bei einem Gipfel in Brüssel auch damit beschäftigen, wie es mit dem geplanten Austritt der Briten aus der EU weitergehen soll. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verabschiedete sich „mit Respekt“” von Theresa May. Sie werde gerne weiter mit ihr arbeiten, solange die Britin noch die Geschäfte führt. Frankreichs Emmanuel Macron dagegen forderte gleich „schnelle Aufklärung, wie es mit dem Brexit weitergehen soll”.

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Bernd Muhlack | Fr., 24. Mai 2019 - 16:46

Niemals!
Wäre PM May eine Reinkarnation des Originals, hätte sie "ES" geschafft!
Außer "Iron Maiden MT" hätte niemand diesen Brexit-Job schaffen können. Gegen solche Spinner wie Johnson, Farage et co. helfen keine Argumente, Tatsachen, rationale Begründungen.
PM May hat sich jedoch selbst in diese missliche Lage hinein manövriert, traf fatale Fehlentscheidungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Mehrheit der Mitglieder des Unterhauses ziemlich verpeilt sind, die Realität falsch einschätzen.
Wie gesagt, eine "Iron Maggie" hätte den Deal hinbekommen, for sure!
Um es mit H. D. "genschman" Genscher zu sagen: "Maggie Thatcher hatte immer eine ihrer sehr schicken Handtaschen dabei. Jedoch wurde mir sehr schnell klar, dass ich besser einen sicheren Abstand zu Frau Thatcher einhalte, denn sie konnte mit diesen Taschen effektiv und hart zuschlagen, zum Glück fast immer nur auf den Tisch, höhö!"

PM May hätte nach der verunglückten Neuwahl zurück treten sollen!

All the best Theresa!

Ernst-Günther Konrad | Fr., 24. Mai 2019 - 18:17

Mein Mitgefühl hält sich in Grenzen. Sie war Remainerin und entgegen des Volkes Mehrheitsmeinung hat sie versucht, den Austritt nach ihrer eigenen Vorstellung abzufedern, entgegen der Volkesmehrheit. Sie wäre besser gefahren, wenn sie von vorne herein den "harten" Austritt verfolgt hätte und entsprechende Verträge mit einzelnen EU-Staaten abgeschlossen hätte. Das Volk ist klar und deutlich "für" einen Austritt ohne wenn und aber. Der andere Teil, das ist ja legitim dagegen. Die Gegner hatten vor der Volksabstimmung ihre Chance zu werben. Sie haben nicht überzeugt. May wollte es irgendwie allen recht macht und da passiert eben das, was in solchen Fällen immer wieder passiert. Am Ende hat man alle gegen sich. Mit Übernahme des Amtes war abzusehen, dass es für sie einen "harten" Rücktritt gibt. Die britsche Politik ist derart zerstritten und desolat, da gab es keine Chance Mehrheiten für was auch immer zu bekommen. Die EU bohrte das Messer in ihrem Rücken tiefer hinein.

Gisela Fimiani | Fr., 24. Mai 2019 - 22:41

Sollten nicht alle Schönwetter-Demokraten innehalten und erkennen, dass die Demokratie keine Gewähr für ein immerwährendes angenehmes Leben ist, nicht sein kann und soll. Wir erleben, wie diese Staatsform uns herausfordert. Das ist keine Katastrophe, sondern der Lacmustest für alle Demokraten. Stellen wir unser Demokratentum unter Beweis, anstatt mit großem Gezeter sog. „falsche“ Politik zu geißeln und uns damit als schlechte Demokraten erweisen, die bei Herausforderungen lieber in den Schoß von Vater Staat flüchten.

Christoph Kuhlmann | Sa., 25. Mai 2019 - 09:03

einfach weil die Informationen über die Tories nicht besonders üppig sind in anderen Ländern. Sie ist offenbar schlecht vorbereitet in die Verhandlungen eingestiegen, möglicherweise eine Besonderheit britischer Politik, die die Details gern Whitehall überlassen und hat das mit einem Brexit is Brexit kaschiert, mit dem sie auch ihre zerstrittene Partei erstmal bei der Stange hielt. Um sie zu beurteilen müsste man auch wissen was bei der EU hinter verschlossenen Türen vor sich ging, welche Interessen die nationalen Regierungen verfolgten. Das zu analysieren bleibt wohl den Historikern vorbehalten. Die EU ist durchaus in der Lage, den Mehrwert der Solidarität zu realisieren, wenn der Schaden falls diese ausbliebe (nahezu) alle Mitglieder betrifft. Insofern ist sie ein Projekt der Aufklärung, die den Sieg der Vernunft zum Ziel hatte. Doch auch der Umgang mit diesem Ideal musste erst erlernt werden.

Heidemarie Heim | Sa., 25. Mai 2019 - 18:09

Alles klar! Während Herr Pompeo seinen wichtigen Besuch nachholt. Konkreter kann man seine Vorlieben und momentane Prioritäten eigentlich nicht zeigen. Wie ging der Spruch? "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Da könnte trotz Chaos ein "Deal" in der Luft liegen? Oder man hat zumindest die Gelegenheit eventuelle künftige Business Partner kennenzulernen. Boris und Donald, zwei Entertainer vor dem Herrn gegen Brüssel. Wo ist das Popcorn abgeblieben?
Wenn, ja wenn nicht alles so traurig wäre liebe Briten! MfG