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Arno Declair/Schaubühne

Nazi-Skandal an der Schaubühne - Theater als Schauprozess

Kisslers Konter: Die Berliner Schaubühne hat in dem Stück „Fear“ konservative Frauen als „Nazis“ beschimpft. Nun erhält das Theater Drohungen. Um den Kreislauf des Hasses zu stoppen, sollten die Macher das Gespräch mit den angegriffenen Frauen suchen

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Na bitte, geht doch: Deutschland debattiert über Gegenwartstheater. Das gab es lange nicht, sieht man von der einen oder anderen Rechtsstreitigkeit und dem einen oder anderen Ausflug ins Ekelgenre ab. Nun hat es ein Abend an der Berliner „Schaubühne“, der sich nach Aussage von dessen Intendanten Thomas Ostermeier als „eine Form von Exorzismus“ begreift, in die überregionalen Schlagzeilen geschafft. „Fear“ heißt die zweistündige Versuchsanordnung des Autors und Regisseurs Falk Richter, die auf eine Pointe zuläuft: Rechtskonservative Politikerinnen und Publizistinnen wollen heute „weiterführen“, was die Nationalsozialisten 1945 „unterbrechen“ mussten. Die „braune Scheiße“ ist wieder da.

Den „Zombies“ ins Gesicht schießen


Subtil geht es nicht zu in Falk Richters Agitproptheater, das eine Gesinnungsgemeinschaft herstellen will zwischen Bühne und Publikum, zur Abwehr der „Untoten“, die für kein Argument zugänglich seien. Diese „Untoten“ betreiben laut Richter mittels Pegida, AfD, NSU, Front National und der Gender-kritischen „Demo für alle“ das böse Geschäft der alten Nazis. Eine rassisch reine Nation wollen sie haben. Da helfe als Gegenmittel nur, den „Zombies“ „direkt ins Gesicht“ zu schießen und ihr „Gehirn auszulöschen. Das ist die einzige Möglichkeit.“ Die „Zombies“ seien auferstanden aus den „Massenvernichtungslagern und Leichenbergen der Schlachtfelder“, nun stolperten sie „mit blutleeren Augen durch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“ oder gar mitten hinein in die Politik, wo sie „Angst erzeugen, Hass säen und Menschen vernichten.“

Der Abend endet mit einem Appell an das politische Bewusstsein: „Lasst uns einfach dafür kämpfen, dass dieses Horrormärchen, dass dieser Alptraum aufhört, dass diese Zombies wieder verschwinden, zurück unter die Erde. Ab, weg, pfui, aus. Dass uns einfach zwölf weitere Jahre mit diesen Menschen an der Macht erspart bleiben.“

Fünf reaktionäre Frauen als Feindbilder


Diese offenbar ebenso debilen wie mächtigen „Untoten“ werden namentlich benannt, und damit begann der Ärger. Hauptpersonen wider Willen sind die AfD-Politikerinnen Beatrix von Storch und Frauke Petry, die Publizistinnen Birgit Kelle und Gabriele Kuby und die „Demo für alle“-Organisatorin Hedwig von Beverfoerde. Deren Gesichter sind dauerpräsent mit Videoeinspielungen und mit Fotos, auf denen die Augen ausgestochen sind. Sie darf man konservativ nennen, stramm konservativ, mit einem Stich ins Reaktionäre. Doch sind sie die ideologischen Erben der Nationalsozialisten? Ist das Plädoyer für eine Familie aus Vater, Mutter, Kindern eine faschistische Grenzverletzung? Dann müsste in Deutschland das mit Abstand gängigste Familienmodell verboten werden. Haben sich die fünf Damen der „Vernichtung“ von Menschen schuldig gemacht? Dann her mit den Beweisen, Herr Richter, die Staatsanwaltschaft ist für jeden Hinweis dankbar.

Letztlich ist die hilflose Zombie-Revue ein künstlicher Offenbarungseid und eine intellektuelle Bankrotterklärung. In wahrlich aufgeheizter Zeit, da Gewalt von rechts und Gewalt von links sich wechselseitig befeuern, gießt die renommierte „Schaubühne“ Öl in die Flammen und erklärt mit dem ganzen Trotz eines vorpubertären Kindes: „Alles Nazis! Pfui“ – und deutet mit ausgestrecktem Finger auf eine sehr disparate Mischung liberaler, konservativer und rechtsextremer Gallionsfiguren. Selbst Anders Breivik wird im Bilder- und Zitatekarussell gleichgeschaltet. Und nun, nachdem auf das Eigentum der Protagonistinnen Storch und Beverfoerde drei Brandanschläge verübt worden sind und ebenso schändliche „Gewalt- und Morddrohungen“ bei der „Schaubühne“ eingegangen sind, lehnt man sich zurück und sagt: Alles nicht so ernst gemeint, war eine Satire. Es sei absurd, „einen Zusammenhang zwischen den Straftaten und der Inszenierung herzustellen.“

Theater des Hasses


Worte sind Worte, und Taten sind Taten. Auf welchen verschlungenen Pfaden die einen zu den anderen führen, ist hochkomplex und nicht so simpel, wie es sich die Empörten jeglicher Couleur vorstellen. Pegida hat nicht „mitgestochen“, die „Schaubühne“ stand nicht Schmiere. Da ist jede und jeder selbst verantwortlich für Tun oder Lassen. Das Argument indes, die Mittel einer für unantastbar erklärten Kunst seien hier zu legitimen, staatspolitisch gebotenen Zwecken eingesetzt worden – der „Wiederkehr des rechten Gedankenguts“ zu wehren –  verfängt nicht.

Der Abend ist vieles, aber gewiss nicht lustig. Er ist ein Thesenstück mit politischer Handlungsanweisung. Sein bevorzugtes Stilmittel ist nicht die Satire, sondern der Hass. Er propagiert Vernichtung, nicht Diskurs, er ist eine Kampfansage, kein Diskussionsangebot. „Diese ganze braune Scheiße“ wird unterschiedslos Frauen unterstellt, die auf verschiedene Weise wider den linken Stachel löcken. Natürlich darf Kunst viel, sehr viel, muss sie sehr, sehr viel tun dürfen. Frauen mit abweichender Meinung aber zu unterstellen, in jeder Abweichung manifestiere sich der Geist der Nazis, zeugt von demokratischer Unreife, zeugt selbst von einer den Frauen unterstellten Sehnsucht nach dem reinen, einen Weltbild.

Sollte die „Schaubühne“ ihren Schauprozess vom Spielplan nehmen? Sofern keine der vorgeführten und beschimpften Frauen juristische Maßnahmen ergreift, wozu sie alles Recht hätten: Nein. Wie sollte die Schaubühne stattdessen verfahren? Sie sollte vom Diktum des Abends abrücken, dass gegen vermeintliche „Zombies“ kein Argument gewachsen sei und sollte nach jeder Vorstellung eines ihrer Hassobjekte zum Streitgespräch einladen. Das nennt man Freiheit, das wäre Aufklärung, wäre echte Offenheit, die „Fear“ paradoxerweise meint durch Gesprächsverweigerung erreichen zu können. Erst schauen, dann reden: So macht man es auch, wenn belastete Filme aus dem „Dritten Reich“ öffentlich vorgeführt werden. Von deren Propaganda- und Schnitttechniken haben sich die Macher von „Fear“ eine Menge abgeschaut.

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Ronny reim | So., 18. September 2016 - 08:54

Dieses Theaterstück von Falk Richter strotzt nur so von politischer Hetze und Diffamierungen von bekannten Persönlichkeiten, welche sich zu Recht kritisch mit dem Zeitgeist auseinander setzen. Das was er in diesem Stück an sogenannter Intoleranz anprangert, tut er selbst. Es wird genau ersichtlich, wes Geistes Kind Herr Falk Richer ist. Er ist eine perfekte, unaufgeklärte, manipulierte Politikmarionette. [Anm. der Redaktion: gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen]Er sollte sich auch zukünftig nicht mit Themen befassen, von denen er absolut keine Ahnung hat. Dies sollte er besser aufgeklärteren Geistern überlassen.

Viktor Huber | Mi., 23. Januar 2019 - 15:46

Antwort auf von Ronny reim

Bei Morddrohung handelt es sich um ein Offizialdelikt, was nichts anderes heißt, als dass die Staatsanwalt diese Straftat von Amts wegen verfolgen muss. Doch davon ist nichts zu hören. Leben wir also doch schon in einer Bananenrepublik?