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Schuldenschnitt für Griechenland? - Ein Dilemma, das sich nur sprachlich lösen lässt

Kolumne: Leicht gesagt. Sie ist immer noch da: die Eurokrise. Griechenland muss nicht nur Europas Flüchtlingspolitik ausbaden, sondern ächzt auch unter dem Reformprogramm der Troika. Wieder ist ein Schuldenerlass im Gespräch. Doch dann würde Deutschland seine Glaubwürdigkeit verlieren

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, dass Griechenland nun endlich seine Reformen umsetzen muss. Doch wer sagt das tatsächlich in aller Strenge noch? Der Internationale Währungsfonds. Bei den anderen Gläubigern der in Athen so verhassten Troika, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission, klingt das mehr nach Lippenbekenntnis.

Die Uneinigkeit der drei war bekannt. Doch sie wurde nun öffentlich und zwar pünktlich, bevor die Troika wieder ihre Kontrollarbeit in Griechenland aufnahm. Am Samstag wurde ein abgehörtes Telefonat vom 18. März publik. Darin soll der IWF-Europachef Poul Thomsen mehr Druck auf das Land verlangt haben. Der dänische Ökonom hat offenbar ein glasklares Junktim formuliert: Damit Reformen den lecken Staat überhaupt wieder über Wasser bringen können, brauche es endlich einen Schuldenschnitt. Bliebe der aus, dann solle sich der IWF als Geldgeber ausklinken.

Kauder: Weitere Hilfen, aber ohne Schuldenschnitt
 

Das setzt vor allem Deutschland unter Druck. Unionsfraktionschef Volker Kauder will bei seinen Abgeordneten erst gar keinen Verdacht aufkommen lassen. Denn die hatten dem dritten Rettungspaket im Sommer zähneknirschend nur unter zwei Bedingungen zugestimmt: Der IWF bleibt an Bord und einen Schuldenerlass wird es nicht geben.

Dabei müsse es auch bleiben, verlangt Kauder nun: „Der Internationale Währungsfonds muss sich an weiteren Hilfen für Griechenland beteiligen“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sei klar: „Ein weiterer Schuldenschnitt darf nicht vereinbart werden.“ Beides müsse, „bei gutem Willen auf allen Seiten“ erreichbar sein. Das klingt wie ein Hilferuf; dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Die Flüchtlingskrise stärkt Griechenlands Verhandlungsposition
 

Denn Deutschlands Lage ist weit schwieriger als im Sommer. Griechenland kann sich durch die Flüchtlingskrise in einer besseren Verhandlungsposition wähnen. Im vergangenen Jahr, als das dritte Rettungspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro verabschiedet wurde, musste Athen sich fügen und ging Reformen an. Es wusste, dass sonst die Pleite und der Rauswurf die Folge sein könnten. Doch in der jetzigen Situation, die Europas Einheit fast zersprengt, wagt niemand mehr mit dem Grexit zu drohen. Zumal der Brexit bereits Ende Juni wahr werden könnte.

Griechenland wird gebraucht als Doorkeeper, als Rauswerfer und Rückführer von Flüchtlingen, die weder die EU noch Deutschland wirklich aufnehmen wollen. Insofern steht Deutschland im Verdacht, nun etwas gütiger auf die Griechen zu schauen. Oder besser gesagt: mit anderen Prioritäten. Funktionierende Rückführungen und straff organisierte Hotspots erscheinen wichtiger als langwierige Rentenreformen.

Auch Merkel lehnt einen Schuldenschnitt weiterhin ab
 

Doch gerade deshalb muss Deutschland mehr denn je an der Strenge des IWF interessiert sein. Allerdings ohne dessen Wunsch nach einem Schuldenschnitt nachkommen zu können. Jedenfalls nicht formal, wie die Kanzlerin gestern abermals versprach. Nach einem Treffen mit den Chefs der weltweit fünf wichtigsten Wirtschaftsinstitutionen versicherte sie, dass es bei der bisherigen deutschen Griechenland-Politik bleibe. Nicht nur Deutschland lehne den Schuldenschnitt für das Land ab. „Er ist innerhalb des Euro-Raumes auch rechtlich nicht möglich“, sagte Merkel.

Und das alte Mantra folgte auch, allerdings im Ton weicher: Griechenland müsse seine zugesagten Reformen umsetzen. „Ich glaube, wir sind auf einem vernünftigen Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel.“ Die IWF-Chefin Lagarde gab sich ebenfalls freundlich, aber bestimmt: „Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen.“ Die Differenzen zwischen IWF und EU sind damit nicht weggelächelt. „Schuldentragfähigkeit ist auch wichtig für Investoren“, sagte Lagarde. Der IWF werde weiter mitarbeiten, um die Probleme in den Verhandlungen zu lösen. Auch das ist keine Garantie, dabei zu bleiben.

Das Dilemma des IWF
 

Denn die Betonung liegt auf der Lösung der Probleme. Und da hat der IWF strenge eigene Regeln. Er erlaubt sich, nur an jene Staaten Geld zu verleihen, die ihre Schulden auch zurückzahlen können. Mit Schwellenländern ist er da eisenhart und oft gnadenlos. Das Abhörprotokoll macht deutlich, für wie hoffnungslos der IWF Griechenlands Lage hält. Der Fonds steckt also nun selbst in einem Dilemma, was wiederum jenes von Angela Merkel vergrößert.

Ohne Schuldenschnitt, den ausschließlich die Europäer zahlen müssten, würde der IWF entgegen den eigenen Hausregeln und wider besseres Wissen Geld verbrennen. Mit Schuldenschnitt aber verlöre der wichtigste Geldgeber Deutschland seine Glaubwürdigkeit, was viele ohnedies für längst geschehen halten.

Die gesichtswahrende Lösung kann also nur eine findige neue Bezeichnung für Schuldenschnitt sein. Etwas, das nicht so heißt, aber faktisch so ist: Laufzeitverlängerung bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gepaart mit Zinssenkungen gen Null. In dieser Hinsicht zumindest wird Griechenland Nutznießer der Flüchtlingskrise sein, die dem geschwächten Land ansonsten die allerletzte Kraft abverlangt.

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