Mann des Friedens? Ronald Reagan (r.) mit Michail Gorbatschow 1987 in Washington / dpa

Russland, Ukraine und US-Außenpolitik - „Der Kalte Krieg endete durch Verhandlungen“

Der ehemalige Diplomat und Reagan-Berater Jack F. Matlock hält nichts von den milliardenschweren amerikanischen Ukraine-Hilfen. Im Interview spricht er außerdem kritisch über die Nato-Osterweiterung, die Doppelmoral des Westens und die Gefahr einer geteilten Welt.

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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Jack F. Matlock, Jr. diente von 1987 bis 1991 als US-Botschafter in der Sowjetunion und von 1981 bis 1983 in der Tschechoslowakei. Er war Berater von Präsident Ronald Reagan im Nationalen Sicherheitsrat und nahm an mehreren Verhandlungen zur Rüstungskontrolle teil, u.a. am Reykjavik-Gipfeltreffen im Jahr 1986 zwischen Reagan Gorbatschow. Insgesamt diente er 35 Jahre im Außendienst der Vereinigten Staaten, von 1956 bis 1991. Nach dem Ausscheiden aus dem Außendienst bekleidete er von 1996 bis 2001 die George-F.-Kennan-Professur am Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey. Er ist der Autor von drei Büchern: „Superpower Illusions“ (2010), „Reagan and Gorbachev: How the Cold War Ended“ (2004) und „Autopsy of an Empire“ (1995).

Herr Matlock, am vorvergangenen Samstag verabschiedete eine große, parteiübergreifende Mehrheit des US-Repräsentantenhauses ein 95,3 Milliarden Dollar schweres Gesetzespaket für Auslandsbeihilfe. Es werden 60,8 Milliarden Dollar an die Ukraine und der Rest an Israel, Gaza und Taiwan geschickt. Der Kongress hat auch andere Maßnahmen genehmigt, darunter die Verlängerung der staatlichen Überwachung in den Vereinigten Staaten ohne richterlichen Befehl. Viele Mitglieder des Kongresses, besonders Demokraten, schwenkten ukrainische Flaggen im Saal des Repräsentantenhauses. Was ging Ihnen bei den Bildern durch den Kopf?

Ich finde, sie machen einen riesigen Fehler. Zum einen werden diese Mittel nicht aus Steuergeldern bezahlt. Wir finanzieren sie stattdessen auf Pump. Unsere nationalen Staatsschulden übertreffen bereits 33 Billionen Dollar, und jedes Jahr kommen etwa zwei Billionen dazu. Der Präsident der Federal Reserve hat gesagt, das sei untragbar.

Der größte Teil der Mittel geht, wie Sie sagten, an die Ukraine, ein Land, das diesen Krieg nicht gewinnen kann. Zumindest können sie die Ziele, die die ukrainische Regierung artikuliert hat, nicht erreichen. Es wäre nicht einmal im Interesse der Ukraine, alle Territorien zurückzugewinnen, die jetzt von Russland besetzt sind. Dort spricht die große Mehrheit Russisch, und die jetzige ukrainische Regierung hat verkündet, Russisch sprechende Menschen seien keine echten Ukrainer. Und mehr Waffen werden einfach mehr Zerstörung verursachen. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Territorium wird Russland erobern und dann darauf bestehen, es zu behalten. Als Staat ist die Ukraine kaum tragfähig, besonders wenn sie sich als anti-russisch definiert.

Das Argument ist, die Verteidigung der Ukraine trage zur Sicherheit Amerikas und Europas bei.

Der Glaube, der Zutritt weiterer Mitglieder würde die USA stärken, ist irrsinnig. Jedes Mal, wenn ein Land die Sicherheit eines anderen garantiert, nimmt es eine Verbindlichkeit auf, keinen Vorteil. Die Erweiterung der Nato ist also ein Fehler, sowohl für Europa als auch für die USA.

Zu Ihrer Kritik der Nato-Osterweiterung kommen wir noch. Aber kurz noch zur Mittelvergabe an Taiwan. Wie stehen Sie dazu?

Indem man dort die amerikanische Militärpräsenz aufbaut, riskiert man nur, die Chinesen dahingehend zu provozieren, dass sie Taiwan auf militärischem Wege absorbieren. Amerika sollte die Position von Präsident Nixon nicht revidieren, als wir damals die Volksrepublik China anerkannten. Taiwan hat eine bemerkenswerte Wirtschaft, die wohl kaum einen chinesischen Angriff überleben würde. Aber falls China eine Invasion starten sollte, wäre es töricht, gegen China in einen Krieg zu ziehen, der sehr schnell zum atomaren Schusswechsel führen würde.

Der ehemalige hochrangige Beamte im Pentagon unter Donald Trump, Elbridge Colby, erklärte Cicero im Gespräch, dass es für die USA essentiell sei, die chinesische Machtprojektion zu unterbinden. Sie klingen nicht begeistert von der Idee.

Wir sagen, die US-Marine soll das südchinesische Meer dominieren. Aber wie würden wir reagieren, wenn China, Russland oder sonstwer dasselbe in der Karibik täte? Oder wenn die Chinesen routinemäßig an unserer Grenze entlang flögen, um Informationen über uns zu sammeln? Wir tun das an ihrer Grenze. Ich kaufe dieses Argument einfach nicht ab, dass die USA die Weltmeere dominieren müssen.

Die Militarisierung unserer Beziehung zu China ist ein gewaltiger Fehler. Die chinesische Regierung hat in den letzten 30 Jahren das Leben von so vielen Menschen in einer Rekordzeit verbessert wie noch keine andere Regierung zuvor. Das chinesische Bruttoinlandsprodukt ist dem der USA ebenbürtig, wenn nicht noch größer. Manche sehen das als Bedrohung, aber ich nicht. In China leben viermal so viele Menschen wie in den USA. Warum sollte also deren BIP nicht mindestens viermal so groß sein wie unseres? Der Glaube, die USA müssen in allem die Nummer eins sein und dass ein Land, dessen Wirtschaft schneller wächst, eine Gefahr sei, ist einfach falsche Logik.

1997 waren Sie einer der Mitunterzeichner eines offenen Briefes von 50 amerikanischen Außenpolitikexperten, die die unter Bill Clinton eingeleitete Nato-Osterweiterung einen „politischen Fehler historischen Ausmaßes“ nannte. Weiter hieß es, dass die Nato-Erweiterung „die nichtdemokratische Opposition Russlands stärken“ und gleichzeitig „die Sicherheit des Bündnisses und die Stabilität Europas destabilisieren“ würde. Ernten wir jetzt, was wir damals gesät haben?

Ja, tun wir. Ich war ausdrücklich dagegen, die Nato über die Mitglieder hinaus zu erweitern, die sie im Jahr 1991 hatte. Ich war bei mehreren Treffen anwesend, bei denen amerikanische, britische und deutsche Offizielle Gorbatschow und Außenminister Schewardnadse versicherten, dass die Nato nicht weiter nach Osten expandieren würde, nachdem die ehemalige DDR mit in das Bündnis aufgenommen worden ist. Tatsächlich sagte Außenminister Baker mehrmals, die Nato würde „keinen Zentimeter“ expandieren.

Beim Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und George Bush Sr. im Dezember 1990 auf Malta verkündeten beide das Ende des Kalten Krieges. Aber es wurden noch andere Dinge abgemacht. Zum einen, dass die Sowjetunion nicht in Osteuropa intervenieren würde, wenn dort politischer Wandel stattfände; zum anderen aber auch, dass Amerika diese Situation nicht zu seinen Gunsten ausnutzen würde. Die Ausweitung einer Militärallianz in diese Gebiete heißt, man nutzt die Situation sehr wohl aus. Ich würde argumentieren, dass die Beendigung des Kalten Krieges unter anderem auf der Idee basierte, die westliche Allianz nicht zu expandieren. Es gab dafür gute Gründe. Nachdem der Warschauer Pakt auseinanderbrach und die osteuropäischen Staaten mit Unterstützung Gorbatschows zu Demokratien wurden, gab es keine Möglichkeit mehr, dass die Sowjetunion in Westeuropa einfallen könnte. Die Verhinderung dessen war der ursprüngliche Zweck der Nato, und der wurde erreicht.

Sie betonen in Ihren Büchern stets, dass die UdSSR im Kalten Krieg nicht „besiegt“ worden ist, sondern beide Seiten, insbesondere Russland, als Gewinner hervorgegangen seien. Wie kam es dazu?

Der Kalte Krieg endete durch Verhandlungen. Das wurde möglich, nachdem Gorbatschow in seiner Rede vor der UN im Dezember 1988 den marxistischen Klassenkampf als Kernpfeiler der Außenpolitik der KPDSU aufgab. Stattdessen sagte er, die sowjetische Außenpolitik würde nun das Allgemeinwohl der Menschheit verfolgen. Dieser Schritt war auch die Grundlage, die Sowjetunion demokratischer zu machen. Wenn die Sowjetunion den Osteuropäern gewährte, demokratisch zu werden, und sie sich selbst auf diese Weise transformierte, warum sollten wir diese Länder in die Allianz aufnehmen? Der Daseinszweck der Nato war doch die Verhinderung einer sowjetischen Invasion. Diese Gefahr war gebannt.

Es gab also einfach keinen guten Grund, die Nato zu erweitern. Zunächst boten wir die sogenannte „Partnerschaft für den Frieden“ an, die auch sehr gut funktioniert hätte. Boris Jelzin, Russlands Präsident in den 90ern, fand das akzeptabel. Für die Russen war die Artikel-5-Garantie, wonach ein Angriff auf einen Mitgliedstaat als Angriff auf die anderen verstanden wird, nicht das Problem. Was sie stattdessen reizte, war die Errichtung fremder, vor allem amerikanischer Militärbasen in Osteuropa. Das führte zur Verschlechterung der Verhältnisse. Das geschah unter der Regierung von George W. Bush, als die USA begannen, aus praktisch allen Rüstungskontrollabkommen zurückzutreten. Aber diese waren eine der Bedingungen für die Beendigung des Kalten Krieges.

Wikileaks veröffentlichte eine diplomatische Depesche von William Burns aus dem Jahr 2008, als dieser US-Botschafter in Russland war. Dort teilte er mit, die Russen hätten ihm in Bezug auf die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgien gesagt: „Njet heißt njet.“ Wenn die rote Linie so klar gezogen war, warum kümmerte das in Washington niemanden?

In meinen Augen ist es eindeutig, dass der militärisch-industrielle Komplex spätestens seit Ende der 90er nach einem ebenbürtigen Konkurrenten suchte, um die gewaltigen und stetig steigenden Militärausgaben zu rechtfertigen. Für uns, die das Ende des Kalten Krieges ausgehandelt haben, war klar, dass Nato-Basen in Osteuropa Russland provozieren würden. Und damals ging es Russland ökonomisch ja sehr schlecht.

Denjenigen, die stets meinen, Russland sei immer der Aggressor, will ich daran erinnern, dass es der gewählte Präsident der Russischen Föderation war, der das Auseinanderbrechen der Sowjetunion ermöglicht hatte – auf friedliche Art! Jelzin unterstützte die baltischen Staaten stets in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen. Und man darf nicht vergessen: Die Sowjetunion war ein kommunistischer Staat, der ganz anders war als das heutige Russland.

Zumindest rhetorisch geht es der Nato heute um eine Verteidigung der Demokratie.

Die Vorstellung, dass eine externe Macht einer anderen die Demokratie aufzwingen kann, ist doch komplett verkehrt. Abraham Lincoln sagte, Demokratie ist die „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“. Also wie kann ein Außenstehender das anordnen? Es ist Fakt, dass die Unterstützung gewisser Fraktionen in einem anderen Land durch eine fremde Macht nur mehr Unheil stiftet. Sehen Sie doch nur, wie wir auf die – übrigens falschen – Vorwürfe reagierten, Russland habe irgendwas mit Donald Trumps Wahlsieg 2016 zu tun gehabt.

Und wenn wir heute behaupten, wir würden mit unserer Unterstützung der Ukraine die Demokratie verteidigen, ist das totaler Unsinn. 2014 entfernten wir durch einen Staatsstreich die gewählte ukrainische Regierung. Die jetzige ist diktatorisch und korrupt.

Was hätten Sie sich stattdessen in der Ukraine gewünscht?

Die ukrainische Verfassung sah vor, dass der Präsident die Gouverneure der Provinzen ernennt. Sie wurden nicht gewählt. Es ist, als würde der Bundeskanzler bestimmen, wer Bayern anführt. Nachdem 2014 die Gewalt ausbrach, übernahmen diese Neonazi-Gruppen zunächst die Posten der regionalen Gouverneure. Darum war eine der Bedingungen der Minsker Abkommen, dass die Ukraine es den russischen Minderheiten erlauben würde, ihre eigenen Gouverneure zu wählen. Ich weiß nicht, warum Deutschland und Frankreich nicht darauf bestanden, dass die Ukrainer das einhalten. Darauf hätten die USA auch bestehen sollen. Wir stimmten dem Abkommen ja zu, auch wenn wir keine Unterzeichner waren.

Die jetzige Tragödie ist, dass es schlecht für alle ist. Klar leiden die Ukrainer am meisten. Aber wenige Wochen nach Beginn der russischen Invasion kamen beide Seiten einem Abkommen ja nahe. Aber dann riet Boris Johnson den Ukrainern davon ab. Ich bin mir sicher, die USA taten dies auch.

Bundeskanzler Gerhard Schröder suchte die Annäherung an Russland. Angela Merkel dann auch noch. Und die Nord-Stream-Pipelines sollten, ähnlich der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Russland an Europa binden und so einen langfristigen Frieden stiften. Die Ampelkoalition hat jedoch eine Kehrtwende eingelegt und ist jetzt der zweitgrößte Lieferant von Waffen an die Ukraine. Annalena Baerbock sagte bekanntermaßen, „wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“. Was raten Sie den Deutschen stattdessen?

Das sind für uns alle emotionale Themen. Ja, es gab russische Aggression, aber wir müssen auch anerkennen, dass Deutschland als Nato-Mitglied einen Präzedenzfall geschaffen hat, indem es am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien teilnahm und die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hat, ganz ohne die Zustimmung Serbiens. Das war außerdem eine Verletzung des Helsinki-Abkommens. Wir ignorieren das heutzutage.

Dann gab es natürlich noch die US-Invasion im Irak, einem Land, das Amerika weder angegriffen hatte noch für uns eine Gefahr war. Der damaligen deutschen Regierung gebührt Lob, dass sie die Invasion zusammen mit den Regierungen Russlands und Frankreichs ablehnte. Und obwohl die USA von der UN keine Zustimmung erhielten, nutzten wir einfach fabrizierte Beweise, um den Einmarsch zu rechtfertigen und die Regierung komplett zu entfernen. Was war das Resultat? Hunderttausende Tote, davon circa 5000 Amerikaner, weitere hunderttausende Verletzte und die Entstehung von ISIS, einer gefährlicheren Terrororganisation, als es Al Qaida jemals war. Wenn der Einmarsch in die Ukraine ein Verbrechen ist, dann waren unsere Länder desselben Verbrechens schuldig. Warum das keiner versteht, ist mir unklar.
 

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Hätte dieser Einmarsch verhindert werden können?

Gewiss. Er war eine Tragödie. Wo wir doch schon von Deutschland und Frankreich sprechen, beide waren an den Minsk-Abkommen beteiligt, und wenn die Ukraine das Abkommen umgesetzt hätte, wäre dieser Krieg niemals passiert. Frau Merkel sagt jetzt, sie hätten die Minsk-Verträge nur dazu genutzt, um den Ukrainern mehr Zeit beim militärischen Aufbau und der Rückeroberung des Donbass zu verschaffen. Aber ich denke, es ist eindeutig im deutschen Interesse, mit Russland in Frieden zu leben und enge wirtschaftliche Beziehungen zu pflegen. Beide Staaten ergänzen sich: Russland hat die Rohstoffe, die Deutschland braucht, und umgekehrt Deutschland die Technologie, von der die Russen profitieren. Und jetzt müssen die Deutschen Energie zu weitaus höheren Preisen kaufen, und ihre Industrie verliert an Wettbewerbsfähigkeit.

Aber wir können nicht einfach über die nicht unberechtigte Wut auf den russischen Einmarsch in der Ukraine hinwegsehen, oder?

Die Grenzen, auf deren Einhaltung die jetzige ukrainische Regierung besteht, wurden durch Josef Stalin und Adolf Hitler geschaffen und im Fall der Krim durch Nikita Chruschtschow. Das waren keine Grenzen, deren Verlauf erkämpft oder durch öffentliche Referenden bestimmt wurden. Warum wird jetzt Blut vergossen, um das Erbe Hitlers und Stalins wiederherzustellen? Und übrigens, in der westlichen Ukraine gibt es eine mächtige und bewaffnete Neonazi-Bewegung, und diese ist den Russen ein gewaltiger Dorn im Auge. Dies zu leugnen, heißt, die Fakten zu leugnen. Die Gewalt bei den Maidan-Protesten in Kiew 2014 ging ja auch von diesen Neonazi-Gruppen aus. Russland hat jeden Grund zu der Annahme, dass dieser Putsch von der CIA und anderen Nato-Staaten, insbesondere Großbritannien, angestachelt wurde. Wie würde sich Deutschland fühlen, wenn eine feindliche Macht versuchen würde, Österreich in eine anti-deutsche Allianz aufzunehmen?

Sie weisen in Ihren Büchern immer wieder darauf hin, dass es die offizielle Politik der USA war, den Kollaps der Sowjetunion zu verhindern. Präsident George Herbert Walker Bush unterstützte den von Gorbatschow vorgeschlagenen Unionsvertrag. Bush erklärte in einer bemerkenswerten Rede vor dem Obersten Sowjet der Ukraine in Kiew am 1. August 1991: „Amerikaner werden diejenigen nicht unterstützen, die Unabhängigkeit anstreben, um eine ferne Tyrannei durch eine lokale Despotie zu ersetzen. Sie werden nicht denen helfen, die einen selbstmörderischen Nationalismus fördern, der auf ethnischem Hass basiert.“ Die Rede löste sowohl in Washington als auch in der Ukraine Wut aus. Die Ukrainer selbst stimmten ein paar Monate später für ihre Unabhängigkeit. Wie rechtfertigte Bush seine Position?

Die Regierung von Bush Sr. wollte die Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten. Die USA hatten sie nie als Teil der Sowjetunion anerkannt. Aber wir erkannten andere Republiken als legitime Teile der Sowjetunion an. Es gab mehrere Gründe, warum Bush die Bestrebungen Gorbatschows unterstützte, eine freiwillige Gemeinschaft zu schaffen. Zum einen bestand die Sorge, dass die örtlichen kommunistischen Anführer einfach übernehmen würden, bevor es demokratische Reformen gab. Gorbatschow wollte das System transformieren, und die „roten Direktoren“, die das System in Wirklichkeit kontrollieren, lehnten diese Reformen ab.

Wir wollten außerdem eine Verbreitung der Nuklearwaffen verhindern, was sehr gefährlich gewesen wäre. Früher waren Atomwaffen in vielen dieser Republiken stationiert, zum Ende der Sowjetunion nur noch in vier. Wenn sie auseinanderbrechen würde, wollten wir, dass die Waffen in Russland konzentriert würden, wo man sie einfacher unter Kontrolle haben könnte.

Ich war mit Bush im Flieger von Moskau nach Kiew. Als er seine Rede vor der Verkhovna Rada vorbereitete, fügte er eigenhändig diese Worte, die Sie zitiert haben, hinzu. Später verurteilte der New York Times-Kolumnist Bill Safire die Rede als „Chicken Kiev Speech“. Safire war Redenschreiber unter Nixon, und in einer Rede Nixons fügte er den Ausdruck hinzu, dass Kiew „die Mutter aller russischen Städte“ war, oder so ähnlich. Ich war damals Direktor für sowjetische Angelegenheiten im Außenministerium. Wir wurden von wütenden Briefen von Ukrainern geradezu überflutet. Leute wie Safire hatten die vereinfachte Ansicht, dass die Sowjetunion schlecht war und es gut war, wenn sie auseinanderbrach. Nun, es war in der Realität nicht so einfach.

Bevor Sie unter Bush Sr. dienten, arbeiteten Sie als enger Berater Ronald Reagans, der Sie schließlich zum Botschafter in Moskau machte. In Ihren Büchern zeichnen Sie ein ganz anderes Bild Reagans, als wir es heutzutage gewohnt sind. Der polnische Präsident Donald Tusk wütete jüngst auf Twitter/X, Reagan „muss sich im Grab umdrehen“, wenn er sieht, wie viele Republikaner heute gegen Militärhilfen für die Ukraine sind. Der Reagan, der uns aus den Geschichtsbüchern übermittelt wird, ging mit der Sowjetunion hart ins Gericht. Er nannte sie das „Reich des Bösen“ (evil empire) und, so das Narrativ, ruinierte sie absichtlich finanziell, indem er amerikanische Rüstungsausgaben ankurbelte. Wofür stand der Reagan, den Sie persönlich kannten?

Präsident Reagan verstand den Unterschied zwischen der Sowjetunion und Russland und sah keinen Interessenkonflikt zwischen den USA und Russland. Sein Problem war der Kommunismus und die Versuche der Sowjets, ihn anderen aufzuzwingen. Ja, er nannte die UdSSR das „Reich des Bösen“, aber dann, als er das Land 1988 besuchte, sagte er, dem sei nicht mehr so. Er trug er Gorbatschow Rechnung. Auch er war sich der russischen Verluste im Zweiten Weltkrieg und ihrem Beitrag zum Sieg über Deutschland sehr bewusst.

Wie unterscheidet er sich Ihrer Meinung nach vom Stil her im Vergleich zu seinen Amtsnachfolgern?

So sehr er auch den Kommunismus kritisierte, beleidigte er so doch nie einen sowjetischen Anführer namentlich. Das wäre das Letzte, was er je getan hätte. Als er den sowjetischen Außenminister Andrei Gromyko traf, sagte er ihm beim Händeschütteln: „Wir haben den Frieden der Welt in unseren Händen. Wir müssen verantwortungsbewusst handeln.“ Er setzte seinen Hauptaufwand darauf, Gorbatschow verstehen zu lernen.

Er war kein Intellektueller mit tiefem Geschichtswissen, aber er war bereit zu lernen. Er wusste, wie man mit Menschen umgeht. Er fügte jedem Brief an sowjetische Offizielle, den ich für ihn schrieb, einen handschriftlichen Zusatz hinzu, welch großen Respekt er für ihre Verdienste im Zweiten Weltkrieg und ihre vielen Opfer hatte. Später weigerten sich unsere westlichen Anführer, Präsident Putin zu den Feierlichkeiten zum Zweiten Weltkrieg, wie zum Jahrestag der Landung in der Normandie, einzuladen. Das begründete man zum Großteil damit, was er im Inland tat und nicht uns gegenüber. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was Reagan getan hätte.

Was motivierte ihn dabei?

Im Wesentlichen war er ein Mann des Friedens und ein Mann, der wusste, wie man verhandelt, der nie mit abstrakten Idealen antrat, sondern konkreten Fakten. Er sagte manchmal: „Die haben ein lausiges System, diese Kommunisten, aber wenn es ist, was sie wollen, ist das ihr Ding.“ Und er dachte, die Vereinigten Staaten sollten eine strahlende Stadt auf dem Hügel (shining city upon a hill) sein, ein Beispiel für die Welt, und nicht ein Land, das sich in die Politik anderer Länder einmischt.

Sein Herangehensweise bei Verhandlungen war das genaue Gegenteil dessen, was wir seither getan haben. Er versuchte zu verstehen, was Gorbatschow wollte. Und er formulierte unsere Ziele nicht als Forderungen, sondern als Vorschläge, gemeinsame Ziele kooperativ zu erreichen. Er sagte nicht: „Ihr müsst eure Menschenrechtssituation verbessern.“ Er sagte: „Lasst uns zusammenarbeiten, um die Einhaltung der Menschenrechte zu verteidigen.“ Seither gab es bei uns einen ziemlichen Triumphalismus, und wir sahen Russland zunächst als Gegner und dann als Feind an, obwohl sie uns überhaupt nicht bedroht hatten. Der jetzige Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat den emotionalen Gehalt eines Bürgerkrieges. Beide Staaten haben eine eng verflochtene Geschichte, und es wird keinen Frieden zwischen ihnen geben, wenn sie sich nicht auf eine Weise einigen, die von beiden Seiten akzeptiert wird.

Viele Nato-Analysten glauben, dass Russland innerhalb weniger Jahre in der Lage sein wird, Nato-Staaten anzugreifen. Ist da nichts dran?

Weder haben sie dazu das Potential noch das Verlangen. Ich glaube auch nicht, dass sie die Ukrainer im Westen des Landes beherrschen möchten. Das ist doch schwer zu bezweifeln. Klar, wenn sie weiter vordringen, könnten sie Charkiw und Odessa einnehmen. Und wenn wir weiter Waffen reinschütten und manche davon benutzt werden, um ursprünglich russisches Territorium anzugreifen, dann weiß ich nicht. Sie haben sich das Recht vorbehalten, im Notfall Atomwaffen einzusetzen, und ich hoffe, dass dies von ihnen niemals als notwendig erachtet wird.

Und die Sanktionen?

Die setzt man zu häufig ein. Ich kann mich an kein Beispiel erinnern, wann ökonomische Sanktionen politischen Wandel verursacht hätten, der zu mehr Sicherheit führte. Wir haben eine enorme Bürokratie, um nicht nur Feinde zu sanktionieren, sondern auch für Dinge, die sie zuhause tun und die ihre eigene Angelegenheit sind und von Staaten, die nicht unter unserer Obhut sind. Das ist ein Missbrauch unserer Position und wird sie auch untergraben. Und die Tatsache, dass wir das zunehmend mit geliehenem Geld tun, ist auf Dauer nicht nachhaltig. Ich frage mich, wie viele Europäer, insbesondere Deutsche, da aufpassen.

Sie mischen sich mit Ihren 94 Jahren immer noch ein. Erst im Februar veröffentlichten Sie einen Aufsatz, in dem sie die Anekdote erzählen, wonach Ihnen der stellvertretende sowjetische Außenminister Ivan Aboimov im Dezember 1989 gesagt hat: „Wir haben Ihnen die Breschnew-Doktrin mit unseren besten Wünschen überlassen. Betrachten Sie es als Weihnachtsgeschenk.“ Was meinte er damit? Verfolgt der Westen heute eine Breschnew-Doktrin?

Ja, das glaube ich. Wir nennen unsere Politik heute die „regelbasierte internationale Ordnung“ (rules-based international order). Selbstverständlich verstoßen wir gegen ihre Bedingungen, wenn es uns passt. Laut Marx und Lenin sollte es irgendwann eine weltweite proletarische Revolution geben, die die Bourgeoisie eliminiert und den Sozialismus eingeführt hätte, der dann in den Kommunismus übergeht. Die Breschnew-Doktrin besagte, dass es die Verantwortung sozialistischer Staaten war, ein Land, nachdem es einmal den Sozialismus erreicht hat, vor Widerstand zu schützen. Das war die Begründung für den Einmarsch in Ungarn 1956 oder der Tschechoslowakei während des Prager Frühlings.

Wir sagen heute, dass wir die Demokratie schützen und sie für andere Menschen schaffen müssen. Ist das nicht dasselbe, was Breschnew über den Sozialismus sagte? Wir sollten zu der Idee, die Senator William Fulbright ausgedrückt hat, zurück: Man verbreitet die Demokratie nur, wenn man sie daheim vorlebt. Und ich muss schon ehrlich sagen, dass wir gerade kein schönes Beispiel abgeben.

Staaten werden dadurch autoritär, dass sie sich bedroht fühlen und sie einen starken Führer suchen, der diese Gefahr abwehrt. Darum unterstützen auch viele Russen den Krieg in der Ukraine, obwohl sie sich mit ihm nicht wohlfühlen. Sie sehen ihn als Verteidigung gegen die Nato und die Vereinigten Staaten an. Immerhin haben wir erklärt, dass es unser Ziel sei, Russland zu schwächen. Darum haben wir jetzt die Situation, dass wahrscheinlich eine größere Prozentzahl von Russen Putin unterstützt als von Amerikanern Biden und Trump. Beide liegen bei Zustimmungswerten um die 40 Prozent. Wer ist da demokratischer?

Verzeihen Sie, wenn meine letzte Frage etwas komisch klingt. Wenn mir jemand anderes das erzählt hätte als Sie, würde ihm vorgeworfen werden, er sei ein „Putin-Apologet“, eine „Marionette des Kremls“. Ach was, ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie die Anne Applebaums der Welt über Sie herziehen und sagen werden, Jack Matlock verbreite „russische Desinformation“. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie so eine Rhetorik hören, wonach heimischen Kritikern der eigenen Außenpolitik praktisch Hochverrat vorgeworfen wird?

Dass das absoluter Quatsch ist. Zunächst einmal führen diese Kritiker ja nie Beweise auf, dass auch nur irgendwas, das ich gesagt habe, Kreml-Propaganda sei. Ich wollte alle diese Konflikte verhindern, und darum warnte ich vor der Nato-Erweiterung. Darum war der Krieg in der Ukraine vorhersehbar. Die Art von Maßnahmen, die der Westen traf, brachte notwendig eine Reaktion hervor, und ich halte das für eine Tragödie. Es ist eine Tragödie, was mit Russland und der Ukraine passiert. Und natürlich halte ich Putins Invasion für ein Verbrechen. Ich bin mir außerdem sehr bewusst, dass meine Präsidenten Verbrechen begangen haben, in manchen Fällen mit weniger Provokation. Seien wir doch ehrlich. Warum können das die Leute nicht verstehen? Ich rede aus Erfahrung der verschiedenen Geschichtsperioden, die ich durchlebt habe. Ich rede auch aus der Erfahrung, dabei geholfen zu haben, eine Reihe von Maßnahmen zu entwickeln, die den sehr gefährlichen Kalten Krieg beendet haben – Maßnahmen, die seither zurückgenommen wurden, was uns in die nächste Krise treibt.

Die Kombination der Geschehnisse in der Ukraine, was gerade im Nahen Osten passiert und der Militarisierung der Probleme im Fernen Osten bringt eine geteilte Welt hervor. Sie wird auf einer anderen Basis geteilt werden als während des Kalten Krieges. Sie wird zwischen dem, was wir den „Westen“ in Anführungsstrichen nennen, und dem Rest stattfinden. Das ist für uns alle brandgefährlich.

Das Gespräch führte Gregor Baszak.
 

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Ingbert Jüdt | Di., 30. April 2024 - 13:33

Das Interview zeigt klar und deutlich, dass auch hochrangige amerikanische Diplomaten Ansichten vertreten, die bei uns als »Putin-Propaganda« und »Verschwörungstheorie« gelten. Und wir hatten auch schon andere Zitate, in denen kritische Amerikaner ihr Entsetzen über den Kadavergehorsam der Europäer und insbesondere Deutschlands gegenüber ihrem Land zum Ausdruck gebracht haben. Wann genau eigentlich sind uns die Maßstäbe der Vernunft zugunsten eines immer schneller galoppierenden Wahnsinns verloren gegangen? Mittlerweile sind wir - und nicht nur auf dem Gebiet der Außenpolitik - in einen Zustand der völligen Zerstörung unserer politischen Verantwortungsfähigkeit eingetreten. Das nach 1989 propagierte »master narrative« vom »Ende der Geschichte« im Zeichen westlicher Werte hat sich als ein Wahngebilde herausgestellt, das unsere politischen und intellektuellen Eliten in Geiselhaft genommen hat. Und vom Zusammenbruch bedrohte Verdrängung kann im psychotischen Schub enden.

und muss sagen, mehr von ihrer Meinung sollten sie hier veröffentlichen. Ich kann jedenfalls Ihrem Kommentar uneingeschränkt zustimmen und ich freue mich besonders, das immer mehr bisher "stille" Leser das Wort ergreifen und sich hier mal äußern. Ich schrieb an anderer Stelle schon mal, man ist in diesem Ihrem und meinem Denken nicht allein. Obwohl Matlock 94 Jahre alt ist, scheint er noch immer ein heller Kopf zu sein und streitbar wahrscheinlich bis zu seinem Tod. Ob allen seinen Gesichtspunkt folgt mag jeder selber entscheiden. Aber mit einem haben sie recht. Nur weil man die Hintergründe des UA-Krieges kritisch hinterfragt, nur weil man eine andere Meinung zum Umgang mit diesem Krieg hat, muss man den Einmarsch noch lange nicht für gut heißen. Diesen ihren Satz mag ich mir gerne merken: " Mittlerweile sind wir - und nicht nur auf dem Gebiet der Außenpolitik - in einen Zustand der völligen Zerstörung unserer politischen Verantwortungsfähigkeit eingetreten. " Schönen 1. Mai.

Und jedes Wort in dem Interview unterstreichen. Viele der Aussagen beschäftigen meine Gedanken schon lange nur als einfacher Mensch kann man das nicht so in Worte fassen. Was mir vollkommen unverständlich ist, wie kann die EU so blind und dumm ohne jeglichen Verstand so massiv gegen ihre eigenen Interessen handeln.

A.W.Mann | Di., 30. April 2024 - 14:32

Ein sehr interessantes Interview, besonder die Aussagen zur Präsidentschaft Reagans wirken auf mich sehr schlüssig und füllen mir bisher unbekannte Lücken. Der im Westen so verschmähte R. Reagan, für mich der letzte glaubhafte US Präsident, was hat er nicht alles erreicht und seine Nachfolger haben dieses Erbe weder erhalten wollen, nein, die haben es bewußt zerstört. Die Bereitschaft sich die Interessen des Gegenüber anzuhören und nach für beide Seiten gangbaren Wegen zu suchen, zeichnet Diplomatie aus. Das Machbare anzustreben und nicht alles besser zu wissen. Danke an den Cicero für die Veröffentlichung.

zerstören", werden die Worte in den Mund gelegt: "Wir haben den Krieg (gemeint: der kalte K.) nicht verloren. Ich lasse mich nicht um die Früchte des Sieges bringen." (US-Präs. zu Bk Kohl im Febr. 1990 in Camp David lt. Aussage einer US-Historikerin, die in "freigegebenen" Dokumenten ein Kurzprotokoll des Gespräches der beiden fand. Quelle: in einer Ausgabe des "Blättchens", eines der beiden Nachfolger der DDR-"Weltbühne" im 2. Hbj. 2022).

Präsident Reagan scheint ein ziemlich ehrliches Spiel gespielt zu haben. Im Nachhinein, vielleicht war es gar kein so zufälliges Attentat auf ihn ? Das zur Zeit schwarze Schaf der Kennedy Familie macht auf mich einen ähnlich glaubhaften Eindruck, leider ist er chancenlos. Zwei Kennedys waren ausreichend, dass System ist lernfähig, es würde nie einen Dritten zur Gefahr werden lassen.

Maria Arenz | Di., 30. April 2024 - 14:53

it takes two to tango... Mit einem -übrigens alles andere als populären- Gorbatschow am nicht mehr zu leugnenden Ende der SU ging es, mit Putin, der für ein ganz anderes Russland steht- für das alte, das totalitäre, das imperialistische Russki Mir eben nicht. Wenn es nur ein paar aufgehetzte Neofaschisten in der Westukraine wären, hätte der Konflikt nie diesen Rückhalt in der Bevölkerung bekommen. Die Mehrheit der Ukrainer hatte es einfach satt, nach russischem Muster regiert zu werden- von einem üblen Gemisch aus organisierter Kriminalität, Oligärschen und Politik. Sie werden diesen Krieg m.E. verlieren- aber so wie der Aufstand des Warschauer Ghettos von vornherein aussichtslos war, aber doch notwendig, ist auch dieser Krieg am Ende nicht vergebens. Aus dem bequemen Sessel im westlichen Teil der globalen Nordhälfte lässt sich der Frieden gut preisen. Die Ukrainer, ebenso wie die anderen Beuteländer Stalins wissen, wie elend sich das Leben unter der Pax russikana anfühlt.

Ingbert Jüdt | Di., 30. April 2024 - 16:17

Antwort auf von Maria Arenz

... und legen offen, dass sie von der russischen *und* ukrainischen Gesellschaft wenig bis nichts wissen. Die Mehrheit der Russen wählt Putin weiterhin, weil ihre erste Erfahrung mit dem Westen die Massenverarmung durch Austeritätsschock gewesen ist. Durch die Ukraine wiederum verläuft eine kulturelle Konfliktlinie ähnlich wie durchs ehemalige Jugoslawien, und einig waren sich beide Teile nur darin, dass sie die *Sowjetunion* loswerden wollten. Ihre Oligarchen (übrigens ein Produkt der Turbokapitalisierung) ist die Ukraine dabei *niemals* losgeworden, Putin dagegen hat zumindest ihre politische Macht beschnitten. Die Mehrheit der Ukrainer hat Selensky auch dafür gewählt, einen Ausgleich mit Russland anzustreben - er ist dann vor den Drohungen seiner eigenen Radikalen eingeknickt: eben jener »aufgehetzten Neofaschisten«, die bei uns nur NPD-Ministern in der Regierung vergleichbar wären (so viel zum westlichen »Antifaschismus«). Ach, Frau Arenz ...

das haben wir doch alles durch. Sie haben Ihre Quellen, ich die meinen. U.a. gebildete, zivilisierte Ukrainer ohne eine Spur von Schaum vor'm Mund.
1000 Zeichen reichen nicht annähernd, um auf Ihre Argumente mit dem Ernst einzugehen, den sie zweifellos verdienen. Let's agree to disagree.

Bei mir verhält es sich gerade umgekehrt, ich habe ihn von Anfang an für ein mögliches "U-boot" gehalten, so nennt man das doch?
Er konnte "russlandfreundlich" an die Macht kommen und seither ist er da?
Da in der Ukraine geputscht wurde, finde ich die "Sezession" sinnvoll.
Darüberhinaus sollten sich die Ukrainer überlegen, ob es mit Selensky noch anders gehen kann oder ob "seine" Antwort immer weiter "Krieg" lauten wird.
Ich nenne keine anderen Namen, da diese Leute dann ihres Lebens nicht mehr sicher sein könnten?
Zu Herrn Matlock.
Vielleicht steht er in der Tradition eines Henry Kissinger, ein Staatsmann also, aber im Ernst, ich traue den USA nicht mehr und wenn so ein Verhalten dort gang und gäbe wäre, dann kann sich doch international jede/r dahinter verstecken?
Gott sei Dank sah ich ein Youtube Video mit der Musik von CCR "have you ever seen the rain" und ich hatte ein m.E. authentisches Feeling für die USA.
Das werde ich solange im Kopf haben, bis sich Antworten dazugesellen...

die USA etwa für die aktuelle Situation in der Ukraine "verantwortlich" zu machen. Ich würde eher meinen, die USA machen, was sie immer machen, Einflussgebiete und Märkte sichern, nein, wenn ich ganz grob von evtl. "U-Boot" sprach, dann meine ich Leute in Europa.
Europa hat evtl. das größte Interesse daran, Russland klein zu halten und Europa zu vergrößern?
in diesem Sinne nahm ich sehr interessiert zur Kenntnis, dass die Verhandlungen "über" die Ukraine seitens Europa evtl. "Fake-Verhandlungen waren.
Wenn schon Napoleon in Russland war, dann gibt es vielleicht ausreichend "Möchtegerne" in Europa?
Die USA konnte man locker in eine Auseinandersetzung mit Russland ziehen?
Zugegeben, das klingt vielleicht erschreckend und ich kann mich sehr irren, aber nach Napoleon gab es noch Hitler und vor allem die große Angst vor dem Kommunismus.
Unfähigkeit zu klarer politischer Analyse durch Angst oder Größenwahn, da schaue ich bei uns zuerst, bevor ich geographisch weiter ausgreife.
Nur überlegt.

Hans Süßenguth-Großmann | Di., 30. April 2024 - 16:48

Antwort auf von Maria Arenz

" Die Ukrainer, ebenso wie die anderen Beuteländer Stalins wissen, wie elend sich das Leben unter der Pax russikana anfühlt". Es hat sich auf jeden Fall besser angefühlt, als jetzt im Krieg. Das es die Ukrainer gibt und gab ist eine Behauptung, die der politischen Realität der UA, die in Ost und West, russophob und russophil, gespalten war, nicht entsprach. Im Übrigen, sollte das Ziel der Politik eines jeden Landes in der Politik der guten Nachbarschaft bestehen, und daher war die NATO Mitgliedschaft der UA kein weiser Entschluss.

Urban Will | Di., 30. April 2024 - 15:14

Munde eines geistig topp fitten 94-jährigen, dem wohl keiner nachsagen kann, keine Ahnung zu haben.
Was für Worte im Gegensatz zu dem lächerlichen Gegeifere selbsternannter „Fachleute“ wie diesem giftsprühenden FDP – Schrapnell Strack – Z, diesen Dampfplauderer und Neo – Militarist Hofreiter, diesem ahnungslosen, irrlichternden Trampel Baerbock und ander.
Vielleicht geht einigen der Fraktion „Russland ruinieren“, dieser heulenden Endsiegs-Truppe, die immer noch meinen, zu wissen, warum Putin diesen Krieg begann, ein Lichtlein auf.
Ich glaube allerdings nicht daran.

Und endlich redet mal einer, der dabei war, Klartext in Sachen Nato-Osterweiterung. Denn auch gesprochene Worte sind Zusagen, selbst wenn sie nirgends als Vertrag erscheinen.

Endlich relativiert mal jemand die „Verbrechen“ und benennt auch die der Amerikaner.
Und endlich sagt mal jemand, dass all die Milliarden an Hilfen nichts weiter sind als Treibstoff für die Knochenmühlen. Dass dieser Krieg längst entschieden ist.

Jochen Rollwagen | Di., 30. April 2024 - 15:25

Gorbatschov und seine Politik der Perestroika/Glasnost sind einer der Hauptgründe dafür, daß Rußland heute (wieder) ein revanchistisch-imperialistisch aggressives Land ist. Gorbatschov war einer der meist-gehaßten Politiker in Rußland. Wenn Putin das Ende der UdSSR (als Folge der Politik Gorbatschov's) als "größte Tragödie der Menschheit" bezeichnet hat er die meisten Russen hinter sich. Den Überfall seines Landes auf die Ukraine erlebte Gorbatschov noch kurz vor seinem (einsamen) Tod im Spital. Aus Wikipedia:
"Anders als andere Kremlchefs wie zuletzt 2007 Boris Jelzin erhielt Gorbatschow weder ein Staatsbegräbnis, noch wurde ein nationaler Trauertag ausgerufen. Putin war bei der Trauerfeier "aus Termingründen" nicht anwesend".

Das Geschwätz von "Verhandlungen mit Rußland" kann nur noch mit pathologischer Realitätsverweigerung erklärt werden.

A.W.Mann | Di., 30. April 2024 - 17:05

Verehrte Frau Arenz, Sie schreiben von Rückhalt in der Bevölkerung und Mehrheiten. Haben Sie die Deutsche Geschichte verfolgt, nicht nur in den 1000 Jahren und dem damals von der Mehrheit ersehnten Krieg. Vor nicht einmal 2 Jahren wäre eine Impflicht in diesem Land gegen einen aus einem Biolabor künstlich erzeugten "freigekommenen Grippevirus", von eben dieser Mehrheit abgesegnet worden. Die sogenannte durch Propaganda steuerbare Mehrheit ist das allerletzte dem ich vertrau. Ich hindere Niemanden seinen bequemen Sessel, gegen den Schützengraben einzutauschen. Aber mich, als jemand der seinen Wehrdienst geleistet hat, zieht es nicht zum Krieg weder für die Ukraine noch für Rußland, ja ich gestehe auch nicht mal mehr für dieses Deutschland. Nur meine eigene Familie, Scholle und Freunde wären es mir noch wert, zur Waffe zu greifen.
Ob nun ein Bill G., ein George S. oder aber ein Abramowitsch die bessere Olligachen , Verzeihung Misantropen sind, darf jeder für sich entscheiden.

Jens Böhme | Di., 30. April 2024 - 19:09

1989 - 1991 hatte der freiheitliche Westen nichts zu verlieren, nur was zu gewinnen. Dies mit 2022-2024 mit dem Überfall Russlands in der Ukraine zu vergleichen, ist sehr naiv. Die Übernahme der Ukraine durch Russland per Verhandlungen wäre ein politisches Fanal in der Welt, dass der Westen nicht mehr ernst und wichtig zu nehmen ist. In den NATO-Statuten gibt es keinen Passus, dass einerseits die Sowjetunion/Russland die NATO-Mitgliedsstaaten vorbestimmt, andererseits jeder freie Staat selbst entscheiden darf, ob man in die NATO eintreten wolle.

A.W..Mann | Di., 30. April 2024 - 21:57

Antwort auf von Jens Böhme

Sie sehen es richtig, es gab nach Ende des Kalten Krieges für den Westen etwas zu gewinnen. Indem man vertrauensvoll und Interessenausgleichend auf Augenhöhe mit den möglichen neuen Partnern umgegangen wäre. Diese Chance hat man für einen langen Zeitraum, ohne Not, verspielt. Statt Kooperation setzt man auf Konfrontation und hat dabei seine selbsterklärte Rolle als Vorbild für eine freie Welt
als gerechter Hegemon komplett verspielt. Neue Bündnisse entstehen und die eigene Arroganz fordert regelrecht zum Antiamerikanismus auf. Wer werden denn diesmal die Sieger sein ? Ob diese Entwicklung ein D.Trump stoppen will oder kann ? Der Krieg gegen den Dollar hat man selbst entfacht, ob man den noch löschen kann, mit neuen Bomben bestimmt nicht.

Albert Schultheis | Di., 30. April 2024 - 22:16

Was JACK F. MATLOCK uns erzählt, deckt sich weitestgehend mit dem, was ich seit 2014 in meinen vielen Leserkommentaren versucht habe deutlich zu machen - dabei bin ich nur ein politisch interessierter Laie. Man konnte also das alles wissen, wenn man die Zeitläufte nur halbwegs aufmerksam beobachtete. Immer wieder wurde ich hier von den Genossen Lenz, Hügle, laporta und Rollwagen bösartig angegangen - auch wenn ich denen, wie ich hoffe, keine angemessene Replik schuldig geblieben bin. Als Fazit lässt sich sagen: Dieser Krieg ist bisher die schlimmste Tragödie seit dem 2. Weltkrieg und dieser slawische Bruderkrieg war gewollt und angezettelt durch die USA, Obama, Clinton, Biden, die Nato, GB, Merkel und solche Dummchen wie Annalena. Hofreiter und Strack-Zimmermann gossen Kerosin ins Feuer! Sie sind die Kriegsverbrecher und Massenmörder im Westen. Ich hoffe, Ihnen wird eines Tages ihr gerechtes Tribunal bereitet werden.

Christoph Kuhlmann | Di., 30. April 2024 - 23:45

Da hat die Kremlpropaganda aber ganze Arbeit geleistet. Etwa 3-6 Prozent der gewählten Abgeordneten lassen sich als rechtsextrem bezeichnen. Ein Nazi ist ein Rassenidiologe, der das Ziel hat viele Millionen Menschen einer spezifischen Ethnie umzubringen, um sie aus dem Genepool der menschlichen Rasse zu tilgen. Diese unqualifizierte Übertreibung wertet das Interview sehr ab. Dass die USA bei 134% Staatsverschuldung ihre Staatsfinanzen sanieren müssen ist offensichtlich. Doch der Ukrainekrieg leistet die Verschrottung der Waffenberge der ehemaligen UDSSR zum Discountpreis. Sowohl für die Europäer als auch für die Amerikaner. Die einzigen, die wirklich dafür zahlen, sind die Ukrainer. Sie zahlen mit ihrem Blut. Sie führen keinen Raubkrieg auf Befehl eines Diktators. In der EU werden sie sich zu einer echten Demokratie entwickeln. Die EU ist das europäische Friedensprojekt. Es wird erst vollendet sein, wenn ein demokratisches Russland beitritt und Grenzen friedlich respektiert.

fällt nicht mehr auf eine „Kremlpropaganda“ herein, davon bin ich fest überzeugt. Dieses Interview war das beste zu diesem Krieg, das ich je gelesen habe.

Der letzte „auf Befehl eines Diktators“ durchgeführte „Raubkrieg“ war das Unternehmen Barbarossa.
Ihre Auffassung zum Ursprung des Ukr.-Krieges klingt weit mehr „Propaganda – beeinflusst“ als eben das durch und durch realistische (welche seiner Aussagen können Sie widerlegen?) Interview.

Putin zu unterstellen, einen „Raubkrieg“ zu führen, ist töricht.
Es zeigt eine extrem einseitige Sicht der Dinge. Man kann die haben, das ist ja ok, aber man sollte genügend Intellekt besitzen, wenigstens den Gedanken zuzulassen, dass es auch andere Gründe geben könnte. Dafür müsste man halt genau das in Betracht ziehen, was Matlock hier so treffend hier ausspricht.

Ihre Definition von „Nazi“ ist sehr zutreffend und es wäre wünschenswert, wenn man dies auch hierzulande beim Umgang mit der AfD berücksichtigen würde.

Keppelen Juliana | Mi., 1. Mai 2024 - 09:38

dieses Interviews kann man nur unterstreichen.

Aber was ist schon ein Zeitzeuge der aus eigenem Erleben und Erfahrung berichten kann gegen unsere besserwisserischen ungebildeten "Jungspunte" die genau wissen wie es zu gehen hat auch wenn sie ein Desaster nach dem anderen produzieren.

Klaus Funke | Mi., 1. Mai 2024 - 16:32

Leider haben wir keinen Gorbatschow auf russischer und keinen Reagan auf amerikanischer Seite. Wir haben Putin und Biden (oder wahlweise Trump). Das sagt alles. Das Personal der zweiten Reihe wie Selensky oder Macron und Scholz ist unbrauchbar, es erklärt alles. Mit solchen Gestalten kann man so große Themen, die die Welt umspannen, nicht klären. Also muss das Schlachtfeld entscheiden. Und das weiß Putin, aber das weiß auch Biden. Ob es Trump weiß? Keine Ahnung. Putin hat den längeren Atem, wenn vielleicht auch die USA den längeren Arm haben. Ich denke im Herbst ist der Drops gelutscht. Dennoch bleibt es heiß. Denn, selbst wenn Putin gewinnen sollte, wird er keinen Frieden bekommen. Dann geht es in die Verlängerung, Runde 2 mit den Europäern und Runde 3 mit den Amerikanern. Am Ende wird es ein Ermattungssieg, wo alle, wie am Ende des 1. WK, ohne Reserven und kaputt dastehen. Vielleicht gibt es dann einen Erschöpfungsfrieden - und ein "Nie wieder!!"