Wladimir Putin bei einer Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten in Moskau, 23.02.2024 / picture alliance

Zwei Jahre Ukrainekrieg - Was treibt Putin an?

Zwei Jahre nach Beginn des offenen Angriffs von Russland auf die Ukraine spitzt sich die Lage dramatisch zu. Entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf ist jetzt die politische Entwicklung in den USA.

Autoreninfo

Hans-Ulrich Seidt war deutscher Botschafter in Afghanistan (2006–2008) und in Südkorea (2009–2012). Er war von 2014 bis 2017 Chefinspekteur des Auswärtigen Amts und leitete von 2012 bis 2014 die Abteilung für Auswärtige Kulturpolitik und Kommunikation des AA in Berlin. Aktuell ist er Fellow des Liechtenstein Institute on Self-Determination der Princeton University und Stiftungsbeirat des Schweizer Afghanistan Instituts/Bibliotheca Afghanica.

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Am 16. Februar 2024 nahmen russische Truppen unter schweren Verlusten die ostukrainische Stadt Awdijiwka ein. Gleichzeitig tagte in München die jährliche Sicherheitskonferenz, und in Berlin unterzeichneten der deutsche Kanzler und der ukrainische Präsident einen bilateralen Sicherheitspakt. Zur selben Zeit starb Alexej Nawalny, der Gefangene Putins, in einem Straflager am Polarkreis. 

„Um Gottes Willen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben!“ Mit diesen Worten hatte US-Präsident Biden am 26. März 2022 vor dem Warschauer Königsschloss einen Machtwechsel im Kreml gefordert. An der Verantwortung Wladimir Putins für den Angriff und die nachfolgende Krise bestand kein Zweifel. „In Moskau entscheidet nur einer!“, erklärte Außenminister Lawrow westlichen Diplomaten in New York.

Würde die russische Reichselite Wladimir Putin für seine Fehleinschätzung der ukrainischen Widerstandskraft vor dem Angriff auf Kiew und Odessa vor zwei Jahren zur Rechenschaft ziehen? Der Handstreich war in kurzer Zeit fehlgeschlagen. Russische Panzerkolonnen blieben nördlich der ukrainischen Hauptstadt stecken. Im Süden stockte der Vorstoß auf Odessa am Ufer des Bug. In einer solchen Situation schien eine personelle Veränderung an der Spitze des russischen Staates nicht unrealistisch zu sein.

Enttäuschte Erwartungen, beschleunigte Krise

Aber Joe Bidens Hoffnung auf einen regime change in Moskau erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Nach der manipulierten russischen Präsidentschaftswahl Mitte März 2024 wird Wladimir Putin bis 2030 die Geschicke Russlands bestimmen. Danach kann er seine Amtszeit nochmals um sechs Jahre verlängern. Damit wird ein Mann, der in diesem Jahr sein 72. Lebensjahr vollendet, Herrscher auf Lebenszeit. Zwar weiß niemand genau, wie lange diese dauern wird. Aber von Altersmilde ist beim Zaren des 21. Jahrhunderts nichts zu spüren.

Sicherlich musste Putin in den vergangenen zwei Jahren schwere Schläge hinnehmen. Die russische Schwarzmeerflotte verlor neben ihrem Flaggschiff „Moskwa“ nahezu ein Drittel ihrer Einheiten. Russlands Wehrpflichtarmee erlitt auf den Schlachtfeldern im Südosten der Ukraine erhebliche, in manchen Gefechten sogar katastrophale Verluste. Und schließlich deckte im Juni 2023 die Rebellion der Söldnergruppe Wagner die seit Beginn des Krieges erwarteten Machtkämpfe in der russischen Führung auf. Putin sprach von „Verrat an Russland“.

Dann aber handelte er sehr geschmeidig. Den Meuterern wurde Straffreiheit zugesichert. Aber sie dauerte nicht lange: Zwei Monate nach der Rebellion kamen bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz die Führer der Wagner-Gruppe ums Leben. Ihre Einheiten wurden dem Kommando des Generalstabs unterstellt. Bereits zuvor hatten merkwürdige Todesfälle prominenter Russen erkennen lassen, mit welchen Konsequenzen Widersacher des Präsidenten zu rechnen haben. 

 

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Nach und nach konsolidierte sich Putins Position. Als besonders wirkungsvoll erwies sich die Umstellung der russischen Operationsführung auf die Defensive: „Verteidigung ist die stärkere Form der Kriegsführung!“ Nur zu gut ist dem Generalstab in Moskau bekannt, dass Clausewitz‘ klassische Maxime auch dazu dienen kann, die militärische Defensive zur Erreichung politisch offensiver Ziele zu nutzen. Mit dem Übergang zum Abnutzungskrieg wurde im Herbst 2023 die Gegenoffensive der ukrainischen Truppen zum Stehen gebracht und ihre Kampfkraft systematisch geschwächt. 

Am asymmetrischen Kräfteverhältnis der Kontrahenten bestand schon vor dem russischen Angriff kein Zweifel. Nun wurde trotz massiver westlicher Unterstützung deutlich, dass der Ukraine für einen längeren Krieg Material und Personal fehlen. Daran wird auch die Bereitschaft Dänemarks nichts ändern, den gesamten Artilleriepark des Landes samt Munition der Ukraine zu überlassen.

Spätestens im Herbst 2023 zeigte der Verlauf der ukrainischen Gegenoffensive, dass die Rückgewinnung der von Russland annektierten Gebiete, das Kriegsziel der ukrainischen Regierung, nicht zu erreichen war. Im Winter 2023/24 nahmen in Kiew die Spannungen zwischen Präsident Selensky und der militärischen Führung zu. Der Austausch beliebter Kommandeure verunsicherte die kämpfende Truppe an der ostukrainischen Front. 

Entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf ist jetzt die politische Entwicklung in den USA. Über zwei Jahrzehnte hinweg hatten einflussreiche Kreise in Washington die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine beharrlich vorangetrieben. Nun aber lässt die Unterstützung für Kiew nach dem Fehlschlag der ukrainischen Gegenoffensive und vor der heißen Phase des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs dramatisch nach. 

Der Autoritätsverfall von Präsident Biden, seit langer Zeit ein engagierter Fürsprecher der Ukraine, ist offenkundig. Ein offizielles Dokument beschreibt ihn als „wohlmeinenden älteren Herrn mit schlechtem Gedächtnis“, der für den fahrlässigen Umgang mit Verschlusssachen nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. „Um Gottes Willen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben!“ Verzweifelt denken demokratische Wahlkampfstrategen darüber nach, wer bei den Präsidentschaftswahlen im November 2024 den amtierenden Präsidenten als Kandidat ersetzen könnte. 

Politik durch Geschichtsdeutung: Ideen von Herrschaft und Macht

Der Schatten Donald Trumps verdüsterte auch die Atmosphäre der Münchner Sicherheitskonferenz. Kurz zuvor hatte der Journalist Tucker Carlson, einer der prominentesten Unterstützer Trumps, in einem Interview dem russischen Präsidenten ein internationales Forum geboten. Putin nutzte die Gelegenheit, um der Welt mit vielen Worten sein Geschichtsverständnis zu erläutern. Es war nicht neu.

Seit Nikolai Karamsin, dem Hofhistoriographen Zar Alexanders I., rechtfertigt die Erzählung von der „Sammlung der russischen Erde“ das imperiale Ausgreifen Moskaus. Karamsins mehrbändige, nach den Napoleonischen Kriegen erschienene „Geschichte des Russischen Reiches“ besitzt für geschichtsbewusste Russen dieselbe kanonische Bedeutung wie die Schriften von Marx und Lenin für Funktionäre kommunistischer Parteien. 

Wladimir Putin ist kein Marxist-Leninist. Stattdessen folgt er seit seinem Amtsantritt vor nahezu einem Vierteljahrhundert geistig Schritt für Schritt Karamsins Spuren. 2005 bezeichnete er in einem Bericht zur Lage der Russischen Föderation den Zerfall der UdSSR als Russlands „größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Zwei Jahre später beschrieb er auf der Münchner Sicherheitskonferenz Russland als eine Großmacht mit mehr als tausendjähriger Geschichte, die unter seiner Führung an ihrem Anspruch auf eine autonom bestimmte Außen- und Sicherheitspolitik festhalten werde.

Schon die Münchner Rede ließ erkennen, mit welchem Nachdruck Wladimir Putin den traditionellen Großmachtstatus Russlands vertrat. Einen weiteren, demütigenden Ansehens- und Machtverlust Moskaus sollte es unter seiner Herrschaft nicht geben. Ebenso wie amerikanische Politiker ihrem sense of mission folgen und die USA zur indispensable nation erklären, nimmt Putin für Russland eine historisch-politische Sonderrolle in Anspruch. Im Angesicht der biblisch verheißenen city on the hill, die der Welt eine neue Weltordnung zu geben trachtet, hält Putin an der alten Idee aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts fest: „Moskau ist das dritte Rom!“

Putin und Solschenizyn 

Kurz nach seiner Münchner Rede besuchte Putin den ehemaligen Dissidenten Alexander Solschenizyn und zeichnete ihn mit dem russischen Staatspreis aus. Der Literaturnobelpreisträger hatte die historische Erinnerung der kultur- und geschichtsbewussten russischen Intelligenzija im Geiste Karamsins unter der sowjetischen Herrschaft bewahrt. Als der hoch geehrte Schriftsteller ein Jahr später starb, erwies ihm Putin die letzte Ehre und enthüllte 2018 anlässlich seines 100. Geburtstags das Denkmal Solschenizyns auf dem Moskauer Taganka-Platz.

2020 wurde die Sammlung russischer Erde zur verfassungsrechtlichen Leitidee. Statt eines langatmigen Geschichtsreferats hätte Wladimir Putin im Interview mit Tucker Carlson auch die einschlägige Passage der vor vier Jahren geänderten russischen Verfassung vortragen können. Sie enthält ein schwerfällig formuliertes Bekenntnis: „Die Russische Föderation, die geeint ist durch eine tausendjährige Geschichte und die die Erinnerung an die Vorfahren bewahrt, die uns die Ideale und den Glauben an Gott übermittelt haben sowie die Kontinuität in der Entwicklung des russischen Staates, bekennt sich zu dessen historisch begründeter Einheit.“

Danach beginnt die tausendjährige Geschichte der Russischen Föderation mit der Taufe des Großfürsten Wladimir von Kiew auf der Krim im Jahre 988. Wladimir, der Namenspatron des Präsidenten, gilt der Russisch-Orthodoxen Kirche als ein den Aposteln gleichzustellender Heiliger. Selbst Katholiken verehren ihn als ökumenischen Heiligen. Damit setzte die Verfassungsrevision des Jahres 2020 einen mehr als tausendjährigen sakralen Gründungsmythos an die Stelle der von den Marxisten zur weltgeschichtlichen Zäsur erklärten bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917. 

Diese ideologische Wende spiegelt die Ziele und Ambitionen des Moskauer Patriarchats, das in Konkurrenz zum Patriarchen von Konstantinopel für die Russisch-Orthodoxe Kirche die Suprematie über ein kanonisches Territorium beansprucht, das weit über die Staatsgrenzen der Russischen Föderation hinausreicht. Das Zusammenwirken von Imperium und Orthodoxie, von Wladimir Putin und Patriarch Kyrill, setzt eine nicht zu unterschätzende geistige und politische Sprengkraft frei.

Nach Revolution und Bürgerkrieg hatte Lenin die Ukraine als eigenständigen sozialistischen Staat im Rahmen der Sowjetunion anerkannt und ihm zumindest formell das Recht auf nationale Selbstbestimmung zugestanden. Dies aber lehnte Putin ein Jahr nach der Verfassungsänderung in seinem Namensartikel „Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer“ rundweg ab und bekannte sich im Juli 2021 zu einer Geschichtsdeutung im Geiste Karamsins und des Patriarchen: „Russen und Ukrainer sind ein Volk, ein geeintes Ganzes. … Ich habe das schon oft gesagt, es ist meine feste Überzeugung.“

Operatives und strategisches Denken

Rüdiger von Fritsch, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau und früherer Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, ist ein herausragender Kenner der russischen Politik und Geschichte. Nach seiner Einschätzung denkt der russische Präsident jenseits der großen historischen Linien vor allem operativ, denn in der Ausbildung der russischen Geheimdienstoffiziere wird ebenso wie bei der Generalstabsausbildung besonderer Wert auf die „operative Kunst“ gelegt. Es ist kein Zufall, dass der von Putin befohlene Handstreich auf Kiew und Odessa als „Sonderoperation“ bezeichnet wurde. Bis heute ist dies der offizielle Name für den russisch-ukrainischen Krieg. 

Die Machtfülle des russischen Präsidenten gibt Wladimir Putin alle operativen Hebel in die Hand. Die wichtigsten militärischen, diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturell-kommunikativen Operationen der russischen Dienste und Diplomaten steuert er mit einem kleinen Kreis enger Mitarbeiter. Die seit 2013 von Generalstabschef Waleri Gerassimow als „nichtlineare Kriegsführung“ bezeichnete Doktrin verdeckter militärischer Operationen fügt sich in sein Denken und Handeln zwanglos ein: Speznaz-Einheiten der russischen Streitkräfte besetzten 2014 die Krim ohne Hoheitsabzeichen an ihren Uniformen.

Zur operativen Kunst gehört auch die gezielte Einflussnahme auf Journalisten und Massenmedien. Manchmal wird sie sogar zur Chefsache. Putin jedenfalls nutzte sein Interview mit Tucker Carlson sehr geschickt. So gab ihm der servil fragende Journalist ein willkommenes Stichwort mit der Bemerkung, die Freilassung des in Moskau inhaftierten amerikanischen Reporters Evan Gershkovich solle von den Nachrichtendiensten geregelt werden. Sofort stimmte Putin zu: „Letzten Endes macht es keinen Sinn, ihn in Russland im Gefängnis zu behalten.” 

Dann aber schob er die entscheidende Bedingung nach: Die Einigung zwischen Washington und Moskau müsse einen russischen „Patrioten“ einbeziehen, der einen Terroristen getötet habe. Es handelt sich bei dem von Putin angesprochenen Sachverhalt um einen Fall des targetted killing, also um die außerrechtliche Eliminierung eines politischen Gegners und damit eine Methode, die auch von anderen Staaten praktiziert wird, etwa im Falle der Tötung des iranischen Generals Solimani durch die USA auf ausdrückliche Weisung Donald Trumps. 

Mit seiner Antwort gab Wladimir Putin andeutungsweise, aber unmissverständlich zu verstehen, die Freilassung Gershkovichs hänge von der Bereitschaft Washingtons ab, die deutsche Regierung zur Freilassung Wadim Krassikows zu veranlassen, der als Offizier einer russischen Spezialeinheit 2019 im kleinen Tiergarten von Berlin-Moabit den tschetschenischen Freischärler und georgischen Staatsbürger Selimchan Changoschwili erschossen hatte. Dem Opfer war trotz erheblicher Bedenken der zuständigen Sicherheitsbehörden ein Bleiberecht in Deutschland eingeräumt worden. 

Nur wenige Tage nach Putins Interview wurde auf dem Flughafen in Sankt Petersburg ein Deutscher festgenommen, der angeblich ein Plastiktütchen mit sechs Cannabis-Gummibärchen mit sich führte. Der zeitliche Zusammenhang lässt kaum einen Zweifel daran, dass Krassikow, von einem Berliner Gericht zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, freigepresst werden soll. Im Gegenzug kann dann, wie von Putin angedeutet, Evan Gershkovich freigelassen werden. Putins Publikum soll ruhig wahrnehmen, dass die gezielte Tötung von Verrätern, Terroristen und politischen Gegnern zu seiner Regierungspraxis gehört, während die Angehörigen der zuständigen Dienste, die ihren Auftrag erfüllen, mit seiner Unterstützung rechnen können.

Unzeitgemäße Aufklärung

Welchem Zweck dient Putins operatives Denken und Handeln? Viel spricht dafür, dass sich der ehemalige Nachrichtendienstoffizier als ein lebenslanger „Aufklärer“ versteht, der hinter dem dichten Schleier medialer Öffentlichkeit die politisch wirkenden Kräfte der Geschichte aufspürt, um sie im Interesse des eigenen Machtkalküls zu nutzen. 

Vorbilder für sein Handeln sucht und findet Putin in der Geschichte. Mehrfach erwähnte er gegenüber Tucker Carlson die Zarin Katharina II., die als junge Prinzessin auf Veranlassung des preußischen Königs Friedrich II. aus einem deutschen Kleinfürstentum nach Russland verheiratet wurde. Dort konvertierte sie zur Orthodoxie und bestimmte im Zeitalter der Aufklärung als Alleinherrscherin die russische Politik. Erfolgreiche Kriege gegen die Türken öffneten dem Zarenreich den Weg zum Schwarzen Meer, zur Krim und zum Balkan. Mit dem Frieden von Teschen, der 1778 den Bayerischen Erbfolgekrieg beendete, wurde Russland unter Katharina II. neben Frankreich schließlich zum „arbiter Germaniae“, zum Schiedsrichter des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

All dies ist Putin bekannt, denn er denkt in der Tradition und den historischen Kategorien klassischer Großmachtpolitik. Als guter Kenner Deutschlands und seiner Geschichte hat er vielleicht sogar während seiner Ausbildung als KGB-Offizier oder während seiner Jahre in Dresden das politische Testament Friedrichs II. aus dem Jahre 1768 gelesen. Preußens großer König verfasste es zu Beginn des russisch-türkischen Krieges, der für Russland mit dem Gewinn der Krim und der Gebiete nordöstlich der Schwarzmeerküste endete. Der königliche Aufklärer analysierte das System der europäischen Großmächte sorgfältig und stellte fest: „Es bedarf der Geschicklichkeit, der Geschmeidigkeit, der Intrige und der Ausgaben, um daraus Vorteile zu ziehen, ohne dass sie (Anm. d. Verf.: die anderen Mächte) es merken, und am Ziel, auf das man seine eigenen Kräfte anspannt, mitzuwirken“. 

Jedenfalls scheint der russische Präsident den Ratschlägen des preußischen Königs zu folgen. Sie lauten: „Die erste Sorge eines Fürsten muss darin bestehen, sich zu behaupten, die zweite sich zu vergrößern. Dieses System verlangt Schmiegsamkeit und dass man zu allem bereit ist, um es durchzuführen. Bald muss man lavieren, bald mit vollen Segeln fahren, aber man darf sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Was nicht am ersten Tag erreicht wird, wird durch die Zeit zur Reife kommen, und das Mittel, seine Wünsche geheim zu halten, ist friedliche Gesinnung zur Schau zu tragen bis zu dem Augenblick, in dem man seine geheimen Ansichten aufdecken kann.“

Putins Bezug auf Ereignisse, Gedanken und Persönlichkeiten des 18. und 19. Jahrhunderts ist den geschichtsfremden, in Wohlstand und Sicherheit aufgewachsenen Bürgern westlicher Staaten fremd. Die romantisch inspirierte Geschichtsschreibung Karamsins oder das nüchterne Machtkalkül aufgeklärter Herrscher des Absolutismus liegt ihnen ganz fern. 

Stufen der Eskalation

Putins Gedankenwelt und Handeln wird daher von der politischen Öffentlichkeit westlicher Gesellschaften als unzeitgemäß wahrgenommen und mit Empörung als politisch nicht korrekt zurückgewiesen. Aber schon Friedrich Nietzsche wusste, dass das Unzeitgemäße zeitlos ist. Deshalb empfiehlt es sich trotz allem berechtigten Widerwillen, Putins strategische Ziele und operatives Handeln vor dem Hintergrund seiner Geschichtsdeutung und historisch-politischen Leitvorstellungen nüchtern zu analysieren. 

Putin geht es um Landnahme. Wie weit will er das „Sammeln russischer Erde“ treiben? Strebt er, wie die Aufklärer Friedrich II. und Katharina II., darüber hinaus eine grundlegende Veränderung des internationalen Mächtesystems an? Der russische Präsident macht Andeutungen, aber er lässt seine Gegner im Ungewissen. 

Gleichwohl können zwei Jahre nach dem gescheiterten Angriff auf Kiew und Odessa die möglichen Eskalationsstufen eines sich verschärfenden Krieges aufgezeigt werden. Putin wird die Krim und die von der Russischen Föderation annektierten Gebiete nicht aufgeben. Sie entsprechen ungefähr jenem Landgewinn, den Katharina II. 1774 im Frieden von Kücük Kaynarca für das Russische Reich erzielte. Aus der Sicht Moskaus ist dieses Territorium heute wieder russisches Staatsgebiet, auch dort wird Putin Mitte März 2024 für weitere sechs Jahre zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt werden.

Das bisher annektierte ukrainische Gebiet bietet weder aus Putins historisch-geopolitischer Perspektive noch aus der militärischen Sicht seines Generalstabs die Grundlage für eine dauerhafte politische Lösung. Moskau wird deshalb den Krieg fortsetzen und versuchen, im Verlauf der russischen Frühjahrs- und Sommeroffensive 2024 weitere Geländegewinne zu erzielen. Westliche Militärs schließen ein russisches Vordringen bis zur Linie Charkiw, Poltawa, Krementschuk nicht aus. Die umittelbar an den Fall von Andijiwka anschließenden russischen Offensivoperationen deuten auf entsprechende Absichten hin.

Damit würde sich in Kiew die Frage nach der politischen Zukunft von Präsident Selensky und seiner Regierung stellen. Nach der ukrainischen Verfassung müssten 2024 Präsidentschaftswahlen stattfinden, aber wegen des Krieges gibt es bisher noch keinen Termin. Wird der in Kiew weiter schlummernde Konflikt zwischen politischer und militärischer Führung zu einem Machtwechsel führen? Werden Neuwahlen durchgeführt, die eine demokratische Ablösung des Präsidenten ermöglichen? Unter dem von Selensky entlassenen früheren Generalsstabschef Walerij Saluschny als ukrainischem Präsidenten sowie einem für Moskau akzeptablen Premierminister wären Gespräche und Verhandlungen über eine Beendigung des russisch-ukrainischen Krieges denkbar.  

Womit muss Europa rechnen?

In jedem Fall wird Putin bis zur amerikanischen Präsidentschaftswahl abwarten und bis dahin seine gefährlichen Gedankenspiele fortsetzen. Im Interview mit Tucker Carlson machte er dem Nato-Mitglied Ungarn unverhohlen Hoffnung auf eine Rückgabe der nach 1945 von der Sowjetunion annektierten Karpatho-Ukraine. Über eine Zerstückelung der Ukraine habe er zwar noch nicht mit Viktor Orban gesprochen: ”Aber ich weiß mit Sicherheit, dass die Ungarn, die dort leben, in ihr historisches Land zurückkehren wollen. … Sie haben die ungarische Sprache, die ungarischen Namen und alle ihre Trachten bewahrt. Sie sind Ungarn und sie fühlen sich als Ungarn.” 

Weniger großzügig zeigte sich Putin gegenüber Warschau, obwohl er in der Vergangenheit gelegentlich angedeutet hatte, eine Rückkehr der westukrainischen Gebiete um Lwiw, dem früheren Lemberg, zu Polen sei möglich. Schließlich seien sie erst nach dem Hitler-Stalin-Pakt der Sowjetukraine zugeschlagen worden. Aber im jüngsten Interview schlug Putin andere Töne an. Er behauptete, die frühere Bezeichnung der Westukrainer als Ruthenen sei eine Erfindung des österreichisch-ungarischen Generalstabs aus der Zeit vor 1914. Und für den Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts sei Polen selbst verantwortlich, schließlich habe die Regierung in Warschau bis 1938/39 mit dem NS-Regime in Berlin gute Beziehungen gepflegt und sich 1938 an der Zerschlagung der Tschechoslowakei beteiligt.

Es ist keine Frage: Putin setzt auf die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten, denn sonst hätte er Tucker Carlson kein Interview gewährt. Er rechnet damit, dass unter Trump die Parole „We are fighting a war with Russia!“ nicht mehr gilt, sondern dass sich die USA auf ihre vermeintlichen Eigeninteressen und den Systemwettbewerb mit China konzentrieren werden. Mit größeren Hilfszusagen an die Ukraine oder politischer Rücksichtnahme auf angeblich zahlungsunwillige europäische Verbündete ist unter Trump nicht mehr zu rechnen, stattdessen könnte Washington wie in Vietnam oder in Afghanistan auch in Osteuropa für einen scharfen Schnitt sorgen. Schon im nächsten Jahr ist eine Vereinbarung zwischen Putin und Trump denkbar, die ukrainische Territorialverluste hinnimmt und eine völkerrechtswidrige Landnahme der Russischen Föderation akzeptiert. 

Würde eine solche Übereinkunft Moskau sogar den dauerhaften Zugriff auf Kiew und Odessa ermöglichen, den Dimitri Medwedew, der enge Vertraute Putins öffentlich fordert? Es sicherlich schwer vorstellbar, dass eine amerikanisch-russische Vereinbarung mit einem solchen Zugeständnis die ukrainische Staatlichkeit in Frage stellen und eine Zerstückelung der Ukraine ermöglichen würde. Putin hätte damit ein politisches Ziel erreicht, das weit über territoriale Forderungen hinausgeht, nämlich den nahezu vollständigen europäischen und internationalen Vertrauensverlust in die westliche Führungsmacht. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass der russisch-ukrainische Krieg in absehbarer Zeit zu einer Veränderung der internationalen Mächte- und Bündniskonstellation führen kann, die in ihren Wirkungen großen politischen Zäsuren der Vergangenheit entspricht. 

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Henri Lassalle | Fr., 23. Februar 2024 - 17:00

wie naiv manche Politiker und Journalisten die Lage in der Unkraine sehen, sie sprechen gar von einem Sieg der Ukraine und der Restitution aller ukrainischen Gebiete. Dabei verkennen sie die Persönlichkeit Putins: Er ist besessen von seiner Konzeption eines grossrussischen Reiches. Niemand wird ihn von seiner obsessiven Idee abbringen, dieses Ziel weiter zu verfolgen. Und in Russland findet er damit ein breites Echo.
Die Wiederwahl Trumps könnte eine Rolle spielen, zumal Trump Amerikaner ist und kein bisschen Europäer. Hier kann man nur spekulieren: Um die Waffenlieferungen zu beenden und sich auf andere dringende US-Probleme zu konzentrieren, könnte er geneigt sein, Putin "freie Hand" zu lassen, vielleicht unter Auflagen/Agreements.

Die angebliche Sicherheitsexpertin Strack-Zimmermann suggeriert, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ermögliche der Ukraine die Rückgewinnung der annektierten Gebiete. Laut EU-Statistikbehörde sind 600.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter in Westeuropa und die ukrainische Regierung führt Rekrutierungen nur zögerlich und überwiegend in ländlichen Gebieten durch, sehr zur Verärgerung der dortigen Bevölkerung. Ist sie tatsächlich von einem Sieg überzeugt ? Durch taktische Fehler beim Rückzug gerieten aktuell 800 Soldaten in russische Gefangenschaft.

Henri Lassalle | Sa., 24. Februar 2024 - 15:52

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

macht zur Zeit viel Werbung für sich; in meinem Zweitwohnsitz Starnberg sieht man überall Ankündigungen eines Films, in dem sie die Hauptrolle spielt - ich vermute auch deshalb, weil die FDP aus dem letzten Loch pfeift und ein Requiem braucht - Ende meines Zynismus. Ukraine: Die Mobilisierung ist ein grosses Problem in der Ukraine. Nicht zu Vergessen die zahlreichen wehrfähigen Männer, die nach Europa geflüchtet sind auch hierzulande Aufnahme gefunden haben - nicht sehr patriotisch das Ganze. Wenn man der Ukraine Waffen liefert, dann sollte man auch dafür sorgen, dass hier lebende Ukrainer zurückgeschickt werden.

Thomas Romain | Fr., 23. Februar 2024 - 17:30

Was treibt Putin an?
Der sehr informative Artikel gibt die Antwort preis - zu einem wesentlichen Teil Größenwahn. Er strebt offenbar nicht in erster Linie wirtschftliche Stärke an (die scheint bei ihm immer nur Mittel zum Zweck), sondern er möchte Gross- bzw Weltmachtstatus. Gefürchtet und respektiert sein, in einem Maße was die wirtschaftliche ode kulturelle Lage Russlands nicht hergibt.

Klaus Funke | Fr., 23. Februar 2024 - 17:50

Auf alle Fälle keine dämonische Manie wie ihm Foristen hier bei CICERO unterstellen. Der Mann wurde und wird von der NATO eingekreist und mit Sanktionen zugeschüttet, aber bisher hat ihn das keineswegs beeindruckt oder irritiert. Wenn man das Interview mit Tucker Carlson richtig lesen würde und nicht dümmliche und abwertende Bemerkungen machte, wüsste man, was er will. Und er wird das durchziehen und die lächerliche NATO oder auch die USA werden ihn nicht aufhalten. Ein US-Beamter hat kürzlich gesagt, der Krieg der Ukraine gegen Russland wäre dasselbe als würde Mexiko gegen die USA Krieg führen. Herr Kiesewetter war Oberst, aber er hat offenbar keine Ahnung vom Kriegshandwerk, sonst wüsste er, dass die Ukraine Russland niemals besiegen kann, auch nicht mit den Taurus-Lenkwaffen. Genauso wie die Marder und Gepard oder Leopard-Panzer oder andere westliche Waffen irgendwas gegen Russland bewirkt haben, im Gegenteil, sie wurde im Kampf entzaubert. Sie taugen nichts. Putin gewinnt. Klar.

Tomas Poth | Fr., 23. Februar 2024 - 17:57

Nein, Kiew stand nicht auf der Liste des Versuchsballons wie schon vor ein paar Tagen zu lesen war.
Es war von einer Linie beginnend bei Charkiw bis runter nach Odessa ob gerade oder bogenförmig? Nähere Details konnte man dem Beitrag nicht entnehmen.
Der Artikel hier ist sehr beredt mit viel Wissen ausgeschmückt, vergleichbar mit Putins Äußerungen beim Tucker Carlson Interview.
Wie soll man diesen Beitrag nun einordnen?
Meiner Einschätzung nach, trotz aller Kriegstreiberei die überall noch zu lesen ist, mehren sich die Artikel die einen verbalen Rückzug und damit auch einen Weg zum Waffenstillstand und zu Verhandlungen aufzeigen.
Man wird vermutlich nicht bis zur Wahl in den USA warten, sondern schon früher die Kampfhandlungen beenden. Meine Spekulation, Trump soll sich das nicht als seinen Erfolg an die Brust heften dürfen.
In diesem Krieg ist nichts mehr zu gewinnen, außer die Zahlen der Opfer und die Zerstörung zu erhöhen! Eine Fortführung wäre mehr als verantwortungslos.

Urban Wil | Fr., 23. Februar 2024 - 18:53

zu einem sehr interessanten Beitrag.
Wer eine Erklärung (an Lenz und Konsorten: auch wenn ihr es nie kapieren werdet: eine Erklärung ist keine Entschuldigung) für diesen Krieg sucht, der findet sie hier.
Und die Naivität und Dummheit, mit der immer noch im westlichen Mainstream mit der Parole „Putin will ganz Europa“ oder ähnlichem Mist durch die Gegend trompetet wird, ist himmelschreiend.
Es sollte auch die geifernde, vor Kriegslust sabbernde, Taurus – Fetischistin Marie Agnes und ihre "Gesinnungsgenoss*innen" ihn lesen, die ja der festen Meinung sind, Deutschland werde angegriffen.
Wenn dann vielleicht, weil Putin von diesem von kompletten Idioten regierten Narrenschiff einfach die Schnauze voll hat (war nur n Scherz).
Mein Dank geht an den Autor, der hier für viel Hintergrundwissen und Aufklärung gesorgt hat.
Es wäre zu hoffen, dass ähnliche Erkenntnisse, wie er sie hat, mal in die Kindsköpfe unserer Regenten kommen.
Es wird Zeit, zu reden. Ansonsten halt: Warten auf Donald.

alessandro laporta | Sa., 24. Februar 2024 - 00:09

"Dabei verkennen sie die Persönlichkeit Putins: Er ist besessen von seiner Konzeption eines grossrussischen Reiches. Niemand wird ihn von seiner obsessiven Idee abbringen, dieses Ziel weiter zu verfolgen."

Das mag so sein! Hitler war ebenfalls besessen von einem 1000-Jährigen Reich. Gescheitert ist er letztlich trotzdem.

"Niemand wird ihn von seiner obsessiven Idee abbringen, dieses Ziel weiter zu verfolgen."

Sehen Sie, Herr Lassalle, genau deswegen muss seine "Idee" zerstört werden. Es wird und kann keine Alternative dazu geben. Putin ist nicht übermächtig und schon gar nicht unbesiegbar.

Kein Land kann ewig den größten Teil seines Budgets in den Krieg stecken. Langfristig wird Russland wirtschaftlich verlieren und abgehängt werden. Dann sind seine wahnwitzigen Ideen nichts mehr wert.

"Und in Russland findet er damit ein breites Echo."

Das kann sich schnell ändern, wenn das "breite Echo" den Preis am Ende zu bezahlen hat. Und dieser kann und wird sehr sehr hoch sein.

Der Vergleich mit Hitler hinkt gewaltig. Dessen Pläne waren u.a. die Eroberung von „Lebensraum“ wg. seiner Wahnvorstellungen eines Riesenreiches für seine „Übermenschen“. Es ging ihm hierbei nicht um irgendwelche, ehemals mit irgendeinem „Deutschland“ in Verbindung zu bringende Gebiete, es ging ihm um neuen Lebensraum und um die Vernichtung der dort lebenden Menschen.
Ähnliches kann ich bei Putin nicht erkennen.

Hitler hatte keine Atomwaffen und eine Streitmacht gegen sich, die man heute vielleicht stärkemäßig mit der NATO gleichsetzen kann. Er war nur in einem großen Krieg zu besiegen.
Was Sie also indirekt fordern, ist der direkte (nicht nur indirekte) Einstieg der NATO in den Krieg.
Das ist ja Ihr gutes Recht, aber dann schreiben Sie es auch hin.
Denn Waffenlieferungen, auch der Taurus, werden nur verlängern,nicht beenden.
Und – so m.M, - das genau ist der „Sinn“ der Sache.
Russland schwächen, aber nicht besiegen.
Und die Ukrainer halten die Knochen hin. Und merken das so langsam.

Walter Bühler | Sa., 24. Februar 2024 - 09:24

.. die unsere regierenden Parteien und die MS-Medien dominieren, an einige Aspekte, die sie im Rausch der unreflektierten Propaganda aus ihrem Bewusstsein verdrängen wollen, die aber für die Zukunft wichtig sind.

Verdrängt wird vor allem, dass sich der Krieg schnell auch auf Deutschland ausweiten kann.

Unser Land ist aber von denselben Politikern, die sich jetzt in der Öffentlichkeit vor Kriegsbegeisterung überschlagen, hinsichtlich Kampffähigkeit und Zivilschutz nicht auf einen realen Krieg vorbereitet worden, ganz im Gegenteil.

Ein General Hofreiter wird sicher nicht als siegreicher Schlachtenlenker in die Geschichte eingehen.

Aber es sieht nicht so aus, als ob die deutschen "Elite" zu Differenzierungen fähig wäre. Das hat der jüngst Auftritt Frau Baerbocks vor der UNO in New York gezeigt. Die aus der Zeit gefallene, pathetische Imitation Greta Thunbergs wurde nur für die Fernsehkameras, nicht für die politische Realität inszeniert.

Herr Seidt, es wird nichts nützen.

Gerhard Lenz | Sa., 24. Februar 2024 - 09:55

Der Kriegsverbrecher im Kreml macht doch längst kein Hehl mehr aus seinen Absichten. Und jeder, der nicht an pathologischem Hass auf den Westen leidet und in völliger Verblendung Putin als prinzipiellen natürlichen Verbündeten sehen will, sollte das erkennen können. Die von Witzbolden zum epochalen Ereignis hochgejubelte Vladimir-The-Great-Jubel Show des abgehalfterten US-Rechtsaussenjournalsiten Carlson hat das nochmal unterstrichen: Es gibt eigentlich keine belorussische oder ukrainische Nation, das alles gehört - eigentlich - ihm, dem Erneuerer russischer Größe, der sein "Reich" als Fortsetzung der Sowjetunion begreift. Daheim, am Hof des neuen Zaren, träumen Demagogen von der Schaffung eines eurasischen Großreiches, eines europaweiten Terrorregimes unter der Führung des lebenslangen Herrschers Vladimir. Dumm nur: Selbst in vielen ehemaligen Sowjetrepubliken überwiegt Ablehnung. Dem neuen Zaren, einer reinkarnierten Mischung aus Hitler und Iwan dem Schrecklichen, bleibt nur Krieg.

Bernhard Jasper | Sa., 24. Februar 2024 - 12:15

Antwort auf von Gerhard Lenz

Nach der Implosion der Sowjetunion, trat eine große Ernüchterung und Beschämung ein. Die ehemalige Sowjetunion war ein gesellschaftlicher Experimentierraum, in der das Herrschaftssystem mit bewaffneter Macht, durch die Schrecken der Geheimpolizei, durch Spionage und Verfolgungen aufrechterhalten wurde.

In diesem System sind sie aufgewachsen. Da wo die Persönlichkeit (aus-) gelöscht wird, eine überpersönliche Gewalt legitim erscheint und die große Einheit (Imperium) versprochen wird. Dieses mystische Wir, wird in die Soldaten- und Bauernköpfe gehämmert. Eine religiöse Heilsbotschaft, die alle alten Religionen und Traditionen durch eine neue, erst recht fanatische und brutale Religion zu ersetzen versucht.

Helmut Bachmann | Sa., 24. Februar 2024 - 10:31

wenn in unserem Land wieder mehr strategisch gedacht werden würde. Moralisieren und Träumen führt in den Untergang. Wir bewegen uns stattdessen zwischen dämlichem Apeasement und dümmlichen Kriegserklärungen. Dabei hilft gerade gegen einen gewissenlosen, zu allem bereiten Gegner nur ein kühler und kluger Kopf. Sogar Trump wird das besser machen als die derzeitige westliche Führung, weil er nüchtern in Deals denkt. Man wird akzeptieren müssen, dass die Russen sich nicht zurückziehen, die opfern eher eine Millionen Soldaten. Also braucht man eine neue Strategie.

Detlef Beck | Sa., 24. Februar 2024 - 12:18

"Über zwei Jahrzehnte hinweg hatten einflussreiche Kreise in Washington die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine beharrlich vorangetrieben."

Nicht ganz so lange haben Mearsheimer und Pozner (bzw. Posner) gewarnt, dass diese Entwicklung in die Katastrophe führt.

Naumanna | Sa., 24. Februar 2024 - 14:14

Die Ukraine wird diesen Krieg nicht gewinnen können. Mit jedem Tag, an dem weiter gekämpft wird, sterben sinnlos Menschen. Außerdem werden die Russen, wenn dieser Krieg immer weiter geführt wird. sich nicht nur mit dem Donbass und der Krim zufrieden geben ... Der Civil War der USA (1861-1865) wurde beispielsweise begonnen, als die Südstaaten sich aus der UNION lösen wollten und einen eigenen Staat gründen. Natürlich wurde das nicht zugelassen. Die Russen werden auch nicht zulassen, dass sich die Ukraine dauerhaft aus dem Staatenbund löst ... So schnell wie möglich an den Verhandlungstisch, damit so wenig Schaden wie möglich für die Ukraine entsteht, ist die einzige Lösung. Und die EU/USA sollten mit den albernen Geschichten aufhören, Putin wolle Europa, die Nato Deutschland oder ich weiß nicht wen bedrohen ... Diese stories werden doch nur erfunden, um Begründungen für Aufrüstung zu liefern.

Hans Süßenguth-Großmann | Sa., 24. Februar 2024 - 14:24

Es ist ganz einfach, Putin ist russischer Offizier.
Entgegen der landläufigen Meinung, das Putin der Teufel und Biden der liebe Gott ist, handelt Putin rational im Sinne des russischen Nationalismus, der das Glaubensbekenntnis der Militärs ist.
Diese werden den Verwaltungsakt von 1954, der die Krim aus der russischen Förderation ausgliederte, nicht akzeptieren. Genauso wenig werden die ukrainischen Bemühungen akzeptiert aus ethnischen Russen im Donbass gute Ukrainer zu machen. Also das eine Scheidung, ohne zerbrochenes Porzellan abläuft, kann man nur erwarten in dem man pfleglich miteinander umgeht. Das war im Vorfeld des Konfliktes nicht gegeben.
Was mir noch einfällt, ist die Tatsache, dass der Krimkrieg von 1854 nicht erwähnt wird, in dem die "Westmächte" GB, F Russland an den Katzentisch zwingen wollten. Seit dieser Zeit ist Sewastopol "Heldenstadt". in diesem Zusammenhang fällt mir die "segensreiche" Rolle von Boris "Winston" Johnson auf, der der UA den Frieden ausgeredet hat.

Hans Süßenguth-Großmann | Sa., 24. Februar 2024 - 14:30

Ich wollte noch, erwähnen, das Johnson das Werk seines geistigen Uropas vollenden wollte. Die Russen weg aus Europa. Das wir uns eine Grenze im Osten mit Atomwaffen und der Reaktionszeit 0 sec eingehandelt haben und das als Sicherheit bezeichnen, ist einfach nur fürchterlich.