Giorgia Meloni
Die mögliche Wahlsiegerin Giorgia Meloni im Kreise ihrer Freunde. /dpa

Parlamentswahl in Italien - Politischer Erdrutsch mit Ansage?

Am Sonntag finden die italienischen Parlamentswahlen statt. Alles deutet auf eine Mitte-Rechts-Koalition mit Giorgia Meloni als Regierungschefin hin. Nach Häutungen, Spaltungen und Umbenennungen wurde aus ihrer einst lupenreinen Faschistenpartei Fratelli d'Italia vor zehn Jahren eine rechtsnationale Partei neuen Stils.

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Italien wirkt erstaunlich ruhig vor dem Wahlsonntag. Doch der könnte laut den meisten Umfragen einen politischen Erdrutsch mit sich bringen. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg steht eine Partei, deren symbolische und ideologische Wurzeln bis in den Mussolini-Faschismus zurückreichen, kurz davor, den künftigen italienischen Regierungschef zu stellen.

Doch die Person, die dieses Ereignis bewirken könnte, erschreckt kaum jemanden: Giorgia Meloni (45), Spitzenkandidatin der postfaschistischen, nationalistischen Partei Fratelli d'Italia (FdI), kommt auf Bildschirmen und Wahlplakaten menschlich und sympathisch rüber. Es fällt schwer, sie mit dem dunkelsten Kapiteln der italienischen Geschichte in Zusammenhang zu bringen.

Die Flamme in den Nationalfarben

Die augenfälligste Verbindung ihrer Partei zum früheren italienischen Faschismus ist die „Fiamma Tricolore“, die Flamme in den italienischen Nationalfarben, die das Parteilogo im unteren Drittel ziert. Die „Fiamma“ war schon 1947 das Symbol der faschistischen Sammlungsbewegung MSI, in der die überlebenden Anhänger des „Duce“, Benito Mussolini, dessen Ideen in Italiens neue Demokratie einzubringen versuchten.
 

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Nach Häutungen, Spaltungen und Umbenennungen wurde aus der einst lupenreinen Faschistenpartei vor zehn Jahren eine rechtsnationale Partei neuen Stils. Ihr Name besteht aus den Anfangsworten der Nationalhymne: Fratelli d'Italia (Brüder Italiens). Als Juniorpartner zog die Vorgängerpartei Alleanza Nazionale 2008 ins vierte Kabinett von Silvio Berlusconi ein.

„La Meloni“ war dort mit 31 Jahren jüngstes Kabinettsmitglied. Schon zwei Jahre zuvor war sie der jüngste Mensch im italienischen Parlament. Sollte sie am Sonntag bei der Wahl die Nase vorn haben, wäre sie nicht nur die erste Frau im Amt des Regierungschefs, sondern auch der jüngste Amtsinhaber.

Überzeugung durch Ausstrahlung

Doch es sind nicht diese Superlative, die derzeit auch internationale Beobachter gespannt nach Italien blicken lassen. Es ist die politische Konstellation, die sich abzeichnet. Die FdI könnten als stärkste Partei eine Rechts-Mitte-Koalition anführen. Zu dieser gehören zudem die populistische „Lega“ unter Matteo Salvini und die unter ihrem ewigen Chef Silvio Berlusconi (85) verschrumpelt und geliftet wirkende „Forza Italia“. Letztere versammelt Reste der bürgerlich-katholischen Mitte in einem Land, das Jahrzehnte lang immer wieder christdemokratisch geführte Regierungen hatte.

Meloni schafft es wie kein Post-Faschist vor ihr, durch ihre persönliche Ausstrahlung zu überzeugen. Den Wahlkampf um das römische Bürgermeisteramt führte sie 2016 mit weithin sichtbarem Schwangerschaftsbauch und erzielte mit 20 Prozent der Stimmen einen Achtungserfolg. Zu ihrer Ausstrahlung zählt auch ihre Lebensgeschichte: Aufgewachsen als Tochter einer alleinerziehenden Mutter im römischen Kleine-Leute-Stadtteil Garbatella kennt sie die wirtschaftliche Not italienischer Familien. Und sie hat sich immer durchgebissen, hat studiert, war Aktivistin in neofaschistischen Jugendverbänden, später Journalistin, jetzt Berufspolitikerin.

Für undurchlässigere Grenzen

Wofür sie steht, hat sie in unzähligen Wahlkampfauftritten, in Zeitungsinterviews und im Fernsehen deutlich gemacht. Als ihre politischen Vorbilder nennt sie US-Präsident Ronald Reagan und Papst Johannes Paul II. In der Frage illegaler Einwanderung nach Italien polemisiert sie weniger als ihr Verbündeter Salvini, spricht sich aber unmissverständlich für undurchlässigere Grenzen aus.

In einem Interview mit der katholischen Zeitung L'Avvenire lehnte sie das von linken Parteien vorgeschlagene Einbürgerungsrecht für Immigranten-Kinder ab. Die Linke hatte vorgeschlagen, allen Kindern, die dauerhaft eine italienische Schule besuchen, den Erwerb der Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Das „ius scholae“ genannte Konstrukt (im Gegensatz zum geltenden „ius sanguinis“, das die Staatsbürgerschaft nach Abstammung zuerkennt) sei nichts anderes als eine Ermunterung zur Einwanderung, so Melonis Absage.

Der Vatikan schweigt

In anderen Punkten zeigte sie mehr Nähe zu kirchlichen Positionen. So forderte sie zur Verminderung der Abtreibungszahlen staatliche Hilfen für Schwangere und eine aktivere Prävention gegen Abtreibungen. Und in einem Streitgespräch mit ihren Hauptkonkurrenten auf der linken Seite des politischen Spektrums, Enrico Letta von den Demokraten, vertrat sie auch familienpolitisch kirchennahe Positionen: Bei Adoptionen sollten aus Mann und Frau bestehende Ehepaare den Vorzug bekommen vor gleichgeschlechtlichen Paaren.

Und der Vatikan? Schweigt. Der Papst scherzt: „Die italienische Politik verstehe ich nicht. Allein, dass es 20 Regierungen in 20 Jahren gab, das ist ein wenig komisch; aber jeder hat seine Art, den Tango zu tanzen.“ Vielleicht hegt der Argentinier unterschwellig sogar Sympathien. Als junger Mann war er ein Anhänger der Peronisten, die ihrerseits manche Inspirationen aus dem italienischen Faschismus zogen.

In Kooperation mit

KNA

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Romuald Veselic | So., 25. September 2022 - 09:51

Was ich den Italienern hoch anrechne, sie besitzen kaum irgendwelche Grünaffinität. Wie die meisten Länder in EU/Europa.

Auch wenn die Italiener ihre Grenze für Massenmigration dicht machen werden, wird das aus Italien kein Nordkorea machen.

Wenn Meloni Post-Faschistin ist, was ist dann Kim Jong-un? Welche Faschostufe kann man ihm anrechnen?

Joachim Baumeister | So., 25. September 2022 - 10:08

Ich habe schon vor Monaten gesagt: Putins beste Verbündete sind nicht China und andere, sondern ist die Uneinigkeit seiner Gegner und deren mangelner Durchhaltewillen.

Gerhard Lenz | So., 25. September 2022 - 10:11

Auch Hitler streichelte Kinderköpfe. So wie viele andere Diktatoren mit Tendenz zum Massenmord es taten.
Rechtsnationale Partei neuen Typs? Was soll da neu sein? Die besondere Ausstrahlung der Dame, reicht die schon?
Wer zuhört, weiss: Da kommt doch nur das ewig gleiche, rechtspopulistische bis extremistische Gewäsch von den kriminellen Migranten, vom Verlust traditioneller Werten, die in unseren Zeiten zwangsläufig weniger gefragt sind.
Nochmal: Was soll da neu sein? Etwa die Koalition mit einem Bunga-Bunga-Künstler, oder einem rechtsextremistischen Flüchtlingsjäger, möglicherweise z.T. auf Moskaus Rechnung, namens Salvini?
Der rechte Rand jubelt über eine neue Hoffnungsträgerin, besonders im Kampf gegen die verhasste EU. Überhaupt, eine neue (alte) Achse Deutschlands mit Italien -hier der Faschist Hoecke, dort die Faschistin Meloni - das wär es doch.
Allerdings: Im Gegensatz zu den Deutschen haben Italiener meist irgendwann die Reißleine gezogen, siehe Mussolini.

Was sagt der Begriff „Faschismus“ aus, wenn von der DDR sogar die Sozialdemokratie damit bezeichnet wurde, wie Wikipedia schreibt? Kann es sein, dass dieser scheinbar nicht exakt definierte Begriff in populistischer Art verwendet wird, um den politischen Gegner zu diffamieren? Wollen die „Internationalisten“, die Befürworter einer One-World-Community mit einer zentralen Weltherrschaft damit jedes Nationalgefühl, jede Zusammengehörigkeit als Kern einer Solidarität zerstören? Kann eine Weltherrschaft demokratisch sein? Waren sozialistische Staaten jemals demokratisch? Ist der Begriff sozialistisch daher negativ belegt? Nein, ganz das Gegenteil ist der Fall.
Vielleicht ist die Besinnung Italiens auf das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl und Abschottung gegen Fremde eine Chance für die Zukunft. Wenn dieses hoch verschuldete Land für immer mehr Flüchtlinge aufkommen muss, dann werden sie nie die Schulden abtragen können, dann werden diese immer größer.

dass die FdI aus einer neofaschistischen Vorgängerpartei hervorgegangen ist und sich noch immer in deren Tradition sieht? Das Programm spricht dafür, aber nicht nur:

Im Februar 2014 erweiterte die FdI ihren Namen zu Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale und nahm die grün-weiß-rote Flamme (fiamma tricolore)...in ihr Logo auf. Diese züngelt über dem durch einen schwarzen Strich symbolisierten Sarg des Diktators Benito Mussolini. Als Parteichefin Giorgia Meloni 2022 aufgefordert wurde, auf die Flamme im Parteilogo zu verzichten, weigerte sie sich mit den Worten: „Wir sind stolz darauf."

Quelle: Wikipedia

Gabriele Bondzio | So., 25. September 2022 - 10:20

Gottchen, Gottchen, ...werter Herr Ring-Eifel...

Sagen sie auch zu Janine Wissler...sie schafft es wie keine Post-Kommunistin vorher?
Mal abgesehen das sie nichts schafft.

Faschisten und Kommunisten nahmen sich in der Vergangenheit nicht viel, was menschliche Opferzahlen angeht. Waren demnach rücksichtlos auf ihre ureignen Interessen bedacht.

Komischerweise schaut man immer rückwärts, wenn es ein gedankliches Vorwärts gibt.
Und Vorwärts wenn es ein gedankliches rückwärts gibt.

"Es gibt große Worte, die so leer sind, daß man ganze Völker darin gefangen halten kann."
-Stanislaw Jerzy

Jochen Rollwagen | So., 25. September 2022 - 10:40

Euer Narrativ klar kriegen ? Wer soll das denn noch kapieren ?

Ich dachte, Frau ist gut. Das haben wir Jetzt ächt lange geübt. Jahrzehnte. Mit Prakrikum. Mit Mutti, mit Mutter Beimer, mit Alize Sdhwarzer, mit den ganzen Grün*Innen, mit der Käßmann. Lagarde. Von der Leyen. Greta. Egal was die abgezogen haben - Frau -gut. Wegen weil -'ach, wurscht. Das versteht man. Da ist die Welt in Ordnung. Bei eingen war man sich noch nicht mal sicher. Aber man ist ja flexibel. Was tur man nicht für ein klares Weltbild.

Jetzt kommt die Georgia, und das ist doch auch Frau. Und auch joch Italiener*In. Da wo das leckere Essen herkommt und die "kleine Pizzeria umme Ecke". Und der Chianti. Aber die ist jetzt Bäh ?

Wie jetze ?

Oder war die Georgia ein Georgio und hat dann auf Kassen-Kosten....

Aber das ist doch dann auch gut. Oder was. Oder wie.

Ich weiß es doch auch nicht.

Helmut Bachmann | So., 25. September 2022 - 10:59

Abgesehen vom Versuch des Framens, gibt es nicht einen einzigen Hinweis auf faschistische Positionen bei der nächsten Regierungschefin.

Ernst-Günther Konrad | So., 25. September 2022 - 11:31

Vorausgesetzt die Wahlen enden so, wie von Ihnen skizziert und es würde sich eine Mitte-Rechts Regierung bilden, käme es auch in diesem Fall auf einen Versuch an. Würden auch die zu erwartendende Koalition versagen, sind die Italiener ja sehr geübt, innerhalb kürzester Zeit, Regierungen umzubilden oder neu zu wählen. Für mich also ein neuer Feldversuch. Frau Meloni macht bei ihren Auftritten einen durchaus katholisch-bürgerlichen Eindruck und vielleicht wäre sie ja die erste Frau an einer Regierungsspitze, die das Land weiter voran und vielleicht auch mittelfristig einen könnte. Für mich spannend wird die Frage sein, wie sie die finanzpolitischen Probleme angehen wird und vor allem, welche Haltung sie gegenüber der EU und der EZB tatsächlich einnehmen wird. Egal was da vorher angekündigt und interpretiert wurde, wird sich erst wenn sie im Amt ist zeigen, was von dem übrig bleiben wird und umsetzbar ist. Jedenfalls dürfte im Europaparlament ein neuer Wind von Süden kommend wehen.

Walter Bühler | So., 25. September 2022 - 15:00

Der Brexit hat uns keineswegs davor bewahrt, uns mit der Tory-Politik in England auseinanderzusetzen.

Der Schulterschluss mit Polen im Kampf gegen Russland rettet uns nicht davor, uns mit dem polnischen Nationalismus (und den 1,5 Bio Euro) zu arrangieren.

Die Zusammenarbeit in der NATO bewahrt uns nicht davor, mit Erdogan zusammenarbeiten zu müssen.

Was kommt noch? Schweden? Frankreich? .... Italien?

Ich glaube schon, dass unsere "werteorientierte" Bundesregierung, aber auch die ebenfalls "werteorientierte" EU-Kommission und das "werteorientierte" EU-Parlament mit seinen ausgemusterten Parteifunktionären ein großes Maß an Mitverantwortung für den dramatischen Niedergang Europas tragen.

Wenn sie Europa wenigstens in seiner Verteidigungsfähigkeit gestärkt hätten, könnten wir unseren politischen Elite ein bisschen mehr vertrauen. Aber so ....

Nicht nur die bösen Russen denken anders. So einfach ist die Welt eben nicht.

Wolfgang Jäger | So., 25. September 2022 - 16:39

"Italien wählt, Europa zittert" (n-tv)
Diese Schlagzeile allein macht deutlich, wie die Linksjournaille auf die drohende Niederlage der Linken reagiert. Der links-grün-woke Transformationszug könnte ja ins Stocken geraten. Dem muss man nun mit allen Mitteln entgegenwirken. Man versucht die Menschen mit dem üblichen Narrativ des neuen Faschismus zu hysterisieren. Der vermeintlich neue Faschismus ist aber nur das, was vor einigen Jahren normal konservatives Denken war. Das muss man den Menschen gefälligst aus dem Hirm treiben. Und was vdL in Brüssel dazu meint, ist schlichtweg totalitär! Sie droht allen Ernstes für den Fall, dass die Wahl nicht passt, mit Konsequenzen! Man muss sich das mal vorstellen! Die Retter Europas sitzen möglicherweise nicht in Brüssel, sondern in Rom, Warschau, Budapest, in Stockholm, Finnland und im Baltikum. Haben wir das endlich mal verstanden? Aber es muss noch schlimmer kommen.

Sabine Lehmann | Di., 27. September 2022 - 06:09

Der eloquente Wulf Schmiese hat letzte Nacht im ZDF schon den Untergang des Abendlandes attestiert. Äh, ich korrigiere, er meinte nur die EU. Dass dies schon vor Meloni der Fall war, gehört im Bälleparadies des ZDF zur Science fiction. Und zur Auffassungsgabe eines Wulf Schmiese samt implantierter Gesinnungstreue sei nur so viel gesagt: auf einem Podium kürzlich sagte er zur Energiekrise ganz lapidar: wenn Benzin zu teuer wird, führe man halt kein Auto und bei Kälte in der Wohnung zöge man sich halt einen Pullover mehr an!?
Nun, warum der gute Wulf besser beim Frühstücksfernsehen geblieben wäre und wieviele Kashmirpullover er mit Steuergeldern alimentiert hat, bleibt der Phantasie des ZDF Zuschauers überlassen. Mir hingegen blieb nur der Blutdruck und leichte Übelkeit.