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Katharina Eglau

Naher und Mittlerer Osten - Der Kampf ums Wasser

Nahezu alle Staaten im Nahen und Mittleren Osten leiden unter Wassermangel. Jahrelange Dürre gehört auch zu den Faktoren, die den syrischen Bürgerkrieg mit auslösten. Der Kampf ums Wasser könnte zur nächsten Welle blutiger Konflikte führen

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Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

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Es war Prinz Charles, der mit einer brisanten Beobachtung aufhorchen ließ. „Es gibt ziemlich gute Beweise dafür, dass einer der Hauptgründe für den heutigen Horror in Syrien eine Dürre war, die fünf bis sechs Jahre dauerte“, sagte der 67-jährige britische Thronfolger in einer Rede zum Klimaschutz. Zwischen 2005 und 2010 trieb diese Naturkatastrophe 1,5 Millionen Bauern in den Ruin, zwang sie, ihre Höfe aufzugeben. Felder verdorrten, Tiere verendeten, hunderttausende Familien vor allem im Nordosten des Landes verloren ihre Existenz und mussten in Slums an die Ränder von Damaskus, Aleppo, Daraa und Homs ziehen, wo im März 2011 dann die Revolte gegen das Baath-Regime  losbrach. „Das Versagen der Regierung, auf diese Dürre zu reagieren, hat den Aufstand stark angefacht“, urteilte der syrische Wirtschaftswissenschaftler Samir Aita. Statt zu helfen kürzte Präsident Bashar al-Assad die Subventionen für Lebensmittel und Brennstoffe, was die Not der Landflüchtlinge weiter verschärfte.

Schlimmste Trockenheit in der Region seit 500 Jahren
 

Syrien ist nur ein Beispiel. Fast alle Staaten im Nahen und Mittleren Osten leiden unter zunehmenden Wassermangel, der die nächste Welle blutiger Konflikte auslösen könnte. Die Nasa, deren Forscher Wachstumsringe von Bäumen in Nordafrika, Libanon, Jordanien, Syrien und der Türkei untersuchten, sprach kürzlich von der schlimmsten Trockenheit in der Region seit 500 Jahren. Irans Präsident Hassan Rowhani bezeichnete die Wassernot als eine der größten Gefahren für die Zukunft seines Landes. Wie in Syrien herrscht auch in der Islamischen Republik seit Jahren chronische Dürre, die wegen des Klimawandels zum Normalzustand zu werden droht. Zwei Drittel aller Grundwasserreserven hat der Iran in den letzten 50 Jahren für seine Agrarwirtschaft verbraucht. Immer tiefer müssen seine Bauern bohren, um an das überlebenswichtige Nass für ihre Felder heranzukommen. In Esfahan steht das Wahrzeichen der Stadt, die berühmte Chadschu-Brücke über den Zayanderud-Fluss, seit Jahren auf dem Trockenen, weil dessen Wasser per Pipeline für die Bewohner der Wüstenstadt Yazd abgezweigt werden muss.

Iran und Saudi-Arabien drohen massive Klimaflucht
 

Der frühere Landwirtschaftsminister Isa Kalantari warnte davor, mehr als die Hälfte aller iranischen Provinzen könnte in den nächsten 15 Jahren unbewohnbar und Millionen Landsleute zu Umweltflüchtlingen werden. Ähnlich düster ist die Lage auch beim regionalen Erzfeind Saudi-Arabien. In gut einem Jahrzehnt seien praktisch alle Grundwasservorräte des Landes aufgebraucht, prognostizierte eine Studie der König Faisal Universität in Al-Ahsa. Jemens Metropole Sanaa könnte sogar die erste Hauptstadt der Arabischen Welt werden, die von ihren Bewohnern wegen Trinkwassermangel aufgegeben werden muss.

Auch Ägypten droht Wasserknappheit
 

Entsprechend erbittert ist der Zank um die großen Ströme der Region – Euphrat und Tigris, Jordan und Karun sowie weißer und blauer Nil. Um Euphrat und Tigris streiten Türkei, Syrien und der Irak. Der Nil entzweit Äthiopien und Ägypten, der Jordan Israel und Jordanien, der Karun Iran und Irak. In gesamten Orient fehle es an verbindlichen Vereinbarungen, um die Nutzung von grenzüberschreitenden Flüssen zu regeln, erklärte der Nasa-Wasserspezialist Jay Famiglietti. Stattdessen agierten alle Nationen auf eigene Rechnung.

Euphrat und Tigris gehören zu den am häufigsten gestauten Flüssen des Erdballs. Allein der 2700 Kilometer lange Euphrat hat in Mesopotamien und der Türkei 16 Dämme, darunter die gigantische Atatürk-Barriere, deren Becken anderthalb Mal so groß ist wie der Bodensee. Das jüngste türkische Projekt am Tigris ist der umstrittene Illisu-Damm, der Ende 2016 fertig wird und rund 40 Prozent des Flussvolumens abzweigen soll. Dann wird auf den Feldern in Syrien und dem Irak noch mehr Wasser fehlen. Für das empfindliche Ökosystem der südirakischen Marschen bedeutet die neue Tigris-Sperre wohl das endgültige Aus. „Die Absicht der Türkei, zusätzliches Wasser abzugraben, könnte die Region in noch größere Tumulte stürzen“, urteilt Adel Darwish, Mitautor des Buches „Wasserkriege – die kommenden Konflikte im Nahen Osten“. Die Türkei glaube offenbar, „sie kann das jetzt ungestraft durchziehen, während andere Staaten durch ihren Kampf gegen den IS absorbiert sind“.

„Wir werden niemandem die Zukunft unserer Wasserversorgung überlassen, der sie gefährdet“
 

Ähnlich gespannt ist die Lage auch zwischen Äthiopien und Ägypten, seit das Land am Horn von Afrika seinen „Großen Äthiopischen Renaissance Damm“ (GERD) am Oberlauf des Blauen Nils baut, dessen Becken die gesamte Jahresmenge des berühmten Stromes aufnehmen kann. Nervöses Misstrauen prägt das Verhältnis der beiden wichtigsten Nilanrainer. Der jüngste Vorschlag Ägyptens, die Zahl der Öffnungen von zwei auf vier zu erhöhen, um die Kapazität des Durchlaufs zu verdoppeln, wurde brüsk abgelehnt. Denn die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba hat kein Interesse, ihr ehrgeiziges Prestigeprojekt zu reduzieren oder sich gar einen Baustopp für die 4,8 Milliarden-Dollar-Investition aufzwingen zu lassen. Die Hälfte der riesigen Konstruktion steht bereits, im Herbst 2017 soll der Damm eingeweiht werden.

Für die Wasserexperten in Kairo geht „das Ganze Ägypten an die Existenz“. Denn um das gewaltige Reservoir zu füllen, muss Äthiopien den Blauen Nil mindestens fünf Jahre lang erheblich drosseln. In diesem Zeitraum würden Ägypten jährlich 15 bis 20 Milliarden Kubikmeter fehlen, schätzt der Nil-Experte Alaa al-Zawahri. Für seine Heimat wäre das ein knappes Drittel ihres heutigen Wasseranteils – mit unabsehbaren Folgen. Noch will keiner offen von einer militärischen Intervention sprechen, auch wenn Wasserminister Hossam al-Moghazi dieser Tage kein Blatt vor den Mund nahm: „Wir werden niemandem die Zukunft unserer Wasserversorgung überlassen, der sie gefährdet – weder innerhalb noch außerhalb der Region.“

Alle Fotos von Katharina Eglau.

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