Zimmer im zerstörten Kibbuz Kfar Aza: Von hier stammen mehrere der Geiseln / dpa

Israel und Gaza - Familien von 199 Geiseln informiert

Israel versucht nach wie vor herauszufinden, wo sich die von der Hamas verschleppten Geiseln im Gazastreifen befinden, und bereitet sich auf eine Bodenoffensive vor. Bundeskanzler Olaf Scholz wird morgen nach Israel reisen. Dabei soll es auch um die Befreiung der Geiseln gehen.

Cicero Cover 05-24

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Gut eine Woche nach dem Hamas-Terroranschlag im israelischen Grenzgebiet hat Israel die Familien von 199 Geiseln darüber informiert, dass ihre Angehörigen in den Gazastreifen verschleppt worden sind. Dies sagte der Armeesprecher Daniel Hagari am Montag. Auf die Frage, wie sich die Tatsache, dass in dem Küstenstreifen so viele Geiseln festgehalten werden, auf die israelischen Angriffe dort auswirke, erwiderte der Armeesprecher: „Unsere Angriffsziele basieren auf Geheimdienstinformationen.“ Man wisse genau, was man dort angreife, nämlich Infrastruktur der dort herrschenden Hamas und ranghohe Mitglieder der Organisation. 

Hagari bekräftigte gleichzeitig, die Hamas hindere Menschen daran, sich wie von Israel angewiesen vom Norden in den Süden des Gazastreifens in Sicherheit zu begeben. „Leider missbraucht die Hamas ihre Bevölkerung als Schutzschilde, und es werden Zivilisten getötet“, sagte Hagari. Hunderttausende von Gaza-Einwohnern hätten sich aber bereits in den südlichen Abschnitt des Küstenstreifens begeben, so der Sprecher. Die Vereinten Nationen hatten Israels Evakuierungsanweisung kritisiert und vor einer humanitären Katastrophe gewarnt. 

Man unternehme „Riesenanstrengungen“, um auf der Basis von Geheimdienstinformationen herauszufinden, wo genau die Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden, sagte Hagari. Man werde keine Angriffe fliegen, „die unsere Leute in Gefahr bringen“. Die Hamas hatte behauptet, es seien Geiseln bei den Luftangriffen getötet worden. Dies lässt sich nicht unabhängig überprüfen. 

Olaf Scholz reist zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel

Am Dienstag will auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Israel reisen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war bereits am Freitag zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel gereist. Scholz wird am Dienstagmorgen zunächst den jordanischen König Abdullah II. in Berlin treffen und dann nach Israel aufbrechen. Anschließend geht es weiter nach Ägypten. 

Unmittelbar nach dem Terrorangriff hatte Scholz Israel die volle Solidarität Deutschlands erklärt. Auf Anfrage Israels hat die Bundesregierung das Land auch mit Aufklärungsdrohnen und Munition unterstützt. Die israelische Regierung erwartet von Deutschland vor allem auch Rückendeckung für den Gegenangriff gegen die Hamas. Die israelischen Streitkräfte bereiten derzeit eine Bodenoffensive vor. 

Scholz hatte in den vergangenen Tagen bereits zweimal mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert. Außerdem sprach er mit den Staatschefs von Katar, Ägypten und der Türkei. Dabei ging es auch um die Befreiung der Geiseln. Unter den Entführten sind auch Deutsche. Eine genaue Anzahl nennt das Auswärtige Amt weiterhin nicht. In den vergangenen Tagen war die Rede von einer Zahl im einstelligen Bereich. Die Bundesregierung hat Baerbock zufolge weiter „keinen direkten Kontakt“ zu den deutschen Geiseln. 

Botschafterin: Hamas ist für Wasserversorgung in Gaza zuständig

Israels Botschafterin in Großbritannien hat sich in einem Interview der BBC gegen Vorwürfe gewehrt, ihr Land verstoße mit dem Abstellen der Wasserversorgung für Gaza gegen das Völkerrecht. „Israel hat den Gazastreifen 2005 verlassen. Gemäß internationalem Recht muss man die aktive Kontrolle über ein Gebiet haben, um für diese Versorgungsleistungen verantwortlich zu sein“, sagte Tzipi Hotovely im Frühprogramm des Senders BBC 4 am Montag. Die aktive Kontrolle in Gaza habe die Hamas. Daher sei diese auch für die Wasserversorgung zuständig. 

 

Mehr zum Thema: 

 

Hotovely verteidigte auch die israelischen Bombardements auf Gaza. Die von der Hamas ermordeten 1400 Menschen in Israel hätten keine solche Warnung bekommen, wie sie Israel ausgegeben habe, sagte sie. Sie verglich die Gräueltaten der Hamas zudem mit denen der Terrormiliz Islamischer Staat. Sie fügte hinzu, Großbritannien habe im Zweiten Weltkrieg den Tod Hunderttausender Zivilisten in Deutschland in Kauf genommen, „weil sie wussten, dass es der einzige Weg ist, um die Nazis zu besiegen“. 

Lieberman: Humanitäre Hilfe von Geiselbefreiung abhängig machen

Israel hatte den Gazastreifen während des Sechstagekrieges 1967 besetzt. 2005 ordnete der damalige Ministerpräsident Ariel Scharon den Abzug und die Räumung der Siedlungen an. 2007 übernahm die islamistische Hamas nach einem blutiger Kampf mit der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Kontrolle des Küstengebietes am Mittelmeer. Die beiden benachbarten Länder, Israel und Ägypten, verhängten daraufhin eine Blockade. 

Der Vorsitzende der säkular-konservativen israelischen Partei Jisrael Beitenu, Avigdor Lieberman, fordert, dass humanitäre Hilfe für den Gazastreifen davon abhängig gemacht wird, dass das Rote Kreuz Zugang zu den von der Hamas entführten Geiseln erhält. Lieberman wandte sich an „alle, die jetzt von humanitärer Hilfe sprechen“, und forderte, dass „sichergestellt wird, dass sie nicht einen Krümel bekommen, dass nicht ein Liter Wasser geliefert wird, bevor das Rote Kreuz unsere Entführten gesehen hat“. Der Chef der rechtsgerichteten Oppositionspartei sagte, alles andere würde bedeuten, „unsere Geiseln im Stich zu lassen“. Lieberman fügte hinzu: „Ich komme schockiert von einem Besuch im Kibbuz Kfar Aza zurück. Ich dachte, dass man solche Gräueltaten nur noch in Filmen über Nazis sehen kann.“ 

mit dpa

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 16. Oktober 2023 - 16:25

Das widerliche Tauschgeschäft zwischen Entführern und dem Staat Israel, Menschenleben gegen humanitäre Hilfe. Zum wievielten Mal schon hat das in der Vergangenheit stattgefunden, wenn auch nicht in so großem Ausmaß, wie es jetzt der Fall ist? Was ist eine Geisel wert? 1000 Flaschen Wasser, 1 Karton Medikamente, 10000 Dollar? Und was suchen denn unsere Politiker dort schon wieder? Anstatt zu reisen und hohle Sprüche zu klopfen, sollten Baerbock und Scholz endlich mal Fakten schaffen und die Hamas verbieten, Moscheen und Vereine schließen, wo fragwürdige und verdächtige islamistische Prediger und NGOS die Fäden ziehen, Geldhähne zudrehen, Straftäter ausweisen usw. Es gibt genug zu tun bei uns Deutschland. Solidarität kann man auch anders zeigen als durch reisen nach Israel. Tut endlich was gegen die islamistischen Antisemiten im eigenen Land. Damit ist Israel mehr geholfen. Als Vermittler kommt D ohnehin nicht mehr in Frage. Mit einer feministischen Außenministerin schon gar nicht.

auf einen Tauschhandel hinauslaufen. Der eigentliche Zweck der Übung war es doch, Israel als Reaktion auf ein so grausames Verbrechen an seiner Bevölkerung zu einer so maßlosen Reaktion zu veranlassen, daß die angelaufene Verständigung Israels mit den Saudis und anderen arabischen Staaten gestoppt wird, bevor sie wirklich Früchte trägt. Früchte, die nur zuungunsten der Hammas ausgehen könnten. Und die Rechnung geht auf, noch bevor die Bodenoffensive begonnen hat. Man schaue sich doch nur das Elend der seit gestern aus dem Norden in den Süden Geflohenen an. Nach diesen Bildern und all denen, die noch kommen werden, sind die Israelis wieder die Bösen, mit denen sich bestimmt so bald kein Araber wieder an den Tisch setzen kann. Daß Israel es geschehen ließ, in so eine Situation zu kommen, ist bis zum 7.Oktober unvorstellbar gewesen- auch der zum Fundament und zur DNA Israels gehörende Mythos der Unbesiegbarkeit ist jetzt dahin. Egal wie es -für diesmal noch- militärisch ausgeht.

Reinhold Schramm | Mo., 16. Oktober 2023 - 18:08

Die palästinensische und insbesondere alle arabischen Bevölkerungen brauchen einer nachhaltige, wirtschaftliche und sozialpolitische Entwicklung, als wesentliche Voraussetzung für eine sozial- und gesellschaftspolitische Gleichstellung mit der heutigen Bevölkerung Israels. Ohne sozialökonomische Entwicklung und perspektivisch gesicherte Gleichstellung der Völker im Nahen Osten, wird es keine friedliche und letztlich gemeinsame Entwicklung, zwischen Muslimen und Juden, geben.

Die Völker müssen die Kontrolle über ihre materiellen Reichtümer in der arabischen Welt übernehmen. Hierfür müssten sie die seit Generationen bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse in ihren feudal-religiösen Klassengesellschaften beseitigen. Und den materiellen Reichtum [Energie-Rohstoffe und Bodenschätze] für ihre wirtschaftliche, sozial- und gesellschaftspolitische Befreiung und Entwicklung einsetzen.