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Iran - Sieg des Appeasements

Das Genfer Abkommen über das iranische Atomprogramm wird fatale Auswirkungen haben und nötigt Israel, über eigenständiges Handeln nachzudenken

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Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und Mitbegründer und wissenschaftlicher Direktor der NGO STOP THE BOMB.


In Genf haben die Westmächte einschließlich Deutschlands klar gemacht, dass sie sich über die massiven Bedenken des jüdischen Staates hinsichtlich eines Übereinkommens mit dem iranischen Regime schulterzuckend hinwegsetzen. Für Israel stellt das Streben der Ajatollahs und Revolutionswächter nach der Technologie der Massenvernichtung eine existenzielle Gefahr dar. Doch auch die arabischen Staaten in der Region fürchten die iranische Bombe, und viele von ihnen haben bereits unmissverständlich klargestellt, dass die Akzeptanz einer nuklearen Option in den Händen der Teheraner Machthaber unweigerlich auf ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten hinauslaufen würde.

USA und Europa belohnen Irans Taktik der Täuschung


Doch die USA und ihre europäischen Verbündeten haben sich davon ebenso wenig von ihrem Willen zum Appeasement gegenüber dem iranischen Regime abhalten lassen wie von den Einwänden beispielsweise der kanadischen Regierung oder iranischer Oppositionsgruppen. Sie haben die jahrelange iranische Taktik des Lügens, Täuschens und Zeitschindens nun auch noch mit einer Vereinbarung belohnt und werden sie demnächst mit Milliardenzahlungen und einer Aufweichung der mühsam zustande gebrachten Sanktionspolitik honorieren.

Das Atomabkommen von Genf ist in jeder Hinsicht schlecht: Erstmals akzeptiert die Staatengemeinschaft explizit das iranische Nuklearprogramm. Die UN-Vetomächte und Deutschland gestatten im Widerspruch zu den Resolutionen des UN-Sicherheitsrates die Fortsetzung der Urananreicherung. Die Infrastruktur des iranischen Nuklearprogramms bleibt vollständig unangetastet. Keine einzige der rund 20.000 Zentrifugen wird verschrottet. Lediglich die Installation neuer Zentrifugen wurde untersagt, nicht aber der Bau, die Forschung und Entwicklung von und an neuen Zentrifugen.

Keine Inspektionen im militärischen Komplex Parchim


Die Vereinbarung erklärt den Schwerwasserreaktor in Arak, der neben der Urananreicherung einen zweiten Weg zur Bombe mittels Plutoniumproduktion bietet, zum fait accompli. Die mehrfach kolportierte Meldung, die Arbeiten in Arak müssten bei Inkrafttreten des Abkommens eingestellt werden, ist schlicht falsch. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif erklärte nur wenige Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens, die Konstruktionsarbeiten würden selbstverständlich weitergeführt werden.

Die Infrastruktur zur Entwicklung von Nuklearwaffen wird in sechs Monaten weiter ausgebaut sein als heute. Inspektionen werden ausschließlich in jenen Anlagen stattfinden, die vom Iran bereits als Teil des Nuklearprogramms deklariert wurden – also gerade nicht in jenen Anlagen, von denen der Verdacht besteht, dass in ihnen zentrale militärische Komponenten des Atomprogramms vorangetrieben wurden und werden. Vom militärischen Komplex in Parchim, von dem die Internationale Atomenergieorganisation schon lange vermutet, dass in ihm Experimente zur Entwicklung von nuklearen Sprengköpfen durchgeführt wurden, ist in dem gesamten Abkommen überhaupt keine Rede. Die IAEA fordert seit 2012 Inspektionen in Parchim, die ihm vom iranischen Regime jedoch verweigert werden.

Der Oberste Geistliche Führer im Iran, Ali Khamenei, der Israel als herauszuschneidendes „Krebsgeschwür“ oder „illegitimes Bastard-Regime“ ins Visier nimmt und den Holocaust bis zum heutigen Tag auf seiner Website als „Mythos“ bezeichnet, hat allen Grund, sich mit dem Genfer Abkommen höchst zufrieden zu zeigen. Neben der Anerkennung des Atomprogramms wird dem Regime, das Tausende Iraner ermordet und Millionen ins Exil getrieben hat, durch die Verhandlungen jene Legitimität zugestanden, die es bei großen Teilen der iranischen Bevölkerung schon längst verloren hat.

Freude bei den Lobbyisten des europäischen Iran-Handels

Voraussetzung für den fatalen Deal von Genf war die Euphorie, die nach dem Sieg des langjährigen Khamenei-Vertrauten Hassan Rohani bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2013 in fast der gesamten Welt ausgebrochen ist. Die Verkünder der frohen Botschaft vom angeblichen „Hoffnungsträger Rohani“ verweisen stets auf die vermeintlich „positive“ Rolle, die er als Chefunterhändler in den Jahren 2003 bis 2005 in den Gesprächen mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland gespielt habe.

Was das Ergebnis dieser Gespräche war, hat der gewiefte Taktiker jedoch selbst treffend zusammengefasst, als er während des Präsidentschaftswahlkampfes im iranischen Staatsfernsehen erklärte: „An dem Tag, als ich die Verantwortung für das Nukleardossier übernahm, hatten wir 150 Zentrifugen. An dem Tag, als ich die Verantwortung wieder abgab, hatten wir 1.700.“

In den Reaktionen auf den Sieg Rohanis drückt sich eine ebenso naive wie perfide und geschäftstüchtige Sehnsucht aus, über die sich die Lobbyisten des europäischen Iran-Handels ebenso erfreut zeigen wie über das Genfer Abkommen.

Der österreichische Großkonzern OMV, der schon während der Präsidentschaft Mahmoud Ahmadinejads einen 22-Milliaren-Euro-Deal mit dem iranischen Regime abschließen wollte, der nach massiver Kritik aber auf Eis gelegt werden musste, scharrt ebenso in den Startlöchern wie die deutsche Industrie. Die Unternehmen in den Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus können es gar nicht abwarten, endlich wieder unbehelligt ihren Milliardengeschäften mit dem Antisemitenregime in Teheran nachzugehen, die es den Ajatollahs und Revolutionswächtern weiter ermöglichen werden, ihre Projekte zu verfolgen – sei es das Nuklearprogramm, sei es die brutale Unterdrückung der iranischen Bevölkerung.

Rohani ist eine bequeme Ausrede für den Westen


Jeder könnte wissen, dass der dauerlächelnde Rohani, wenn es um die Kernpunkte der islamistischen Ideologie einschließlich der Vernichtungsdrohung gegenüber Israel geht, nicht jener Mann des Ausgleichs und Kompromisses ist, als der er im Westen fälschlicherweise immer wieder portraitiert wird. Ende September nahm er in Teheran so wie sein Vorgänger die jährliche Militärparade ab, bei der auf Transparenten vor den stolz präsentierten Shahab-3-Raketen, die schon heute Tel Aviv erreichen können, das obligatorische „Tod Israel“ prangte. Zuvor hatte er den jüdischen Staat als „alte Wunde im Körper des Islams“ bezeichnet und an den alljährlichen Aufmärschen zum Al Quds-Tag teilgenommen, bei denen seit 1979 zur Vernichtung Israels aufgerufen wird.

Rohani steht nicht für einen Strategie- sondern lediglich für einen Taktikwechsel des iranischen Regimes. Für Khameneis Streben nach der nuklearen Option ist er als freundliches Gesicht des Terrors genau der richtige Mann zur richtigen Zeit.

Für den Westen und auch für Deutschland, das seit drei Jahrzehnten besonders enge ökonomische und politische Beziehungen zur Diktatur der Ajatollahs pflegt, ist er eine bequeme Ausrede, um keine ernsthaften Schritte gegen das iranische Regime setzen zu müssen. Für Israel sind die Reaktionen auf Rohanis Wahl und der fatale Deal von Genf die abermalige Bestätigung, dass sich der jüdische Staat darauf vorbereiten muss, gegebenenfalls eigenständig gegen die iranische nukleare Aufrüstung vorzugehen.

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