Studenten aus Teheran begrüßen Ayatollah Ali Khamenei / picture alliance

Iran, Israel und die USA - Strategische Geduld: ein Dilemma für Teheran

Plant der Iran einen Angriff auf Israel? Teheran ist in einer schwierigen Lage. Der Iran will Stärke zeigen, sich aber nicht direkt an einem regionalen Konflikt beteiligen.

Autoreninfo

Hilal Khashan ist Professor für Politische Wissenschaften an der American University in Beirut und Autor bei Geopolitical Futures.

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Nach dem israelischen Angriff auf sein Konsulat in Damaskus Anfang April, bei dem sieben hochrangige Offiziere des Korps der Islamischen Revolutionsgarden getötet wurden, steht der Iran vor einem Dilemma. Die Regierung steht zu Hause unter Druck, auf den Angriff zu reagieren, ist jedoch besorgt über die Möglichkeit, einen breiteren Konflikt auszulösen. Die Eskalation erfolgt inmitten wiederholter direkter israelischer Angriffe auf iranische Ziele, die die regionale Macht des Landes schwächen könnten.

In den vergangenen Monaten hat Israel seine Angriffe auf iranische Einrichtungen, insbesondere in Syrien, intensiviert. Seit Oktober haben sich die Einsatzregeln zwischen Israel und der so genannten Widerstands-Achse des Irans zu Gunsten Israels verschoben. Das israelische Militär geht nicht davon aus, dass der Iran als Vergeltung für den Angriff in Damaskus einen direkten Militärschlag ausführen wird, hat aber außergewöhnliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, indem es Reservisten der Luftwaffe einberufen und Militärurlaube gestrichen hat. Man geht davon aus, dass der Iran seine Zeit abwarten und eine Politik der „strategischen Geduld“ verfolgen wird.

Politik der strategischen Geduld

2015 war die Regierung von US-Präsident Barack Obama die erste, die eine Politik der strategischen Geduld formulierte. Obama betonte, dass die einzigartigen Herausforderungen der Vereinigten Staaten Beharrlichkeit erforderten, und nutzte diese Politik, um Ziele in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte, Energiesicherheit, Klima und nukleare Sicherheit zu verfolgen.

Die USA wandten diese Strategie im Umgang mit Nordkorea an, indem sie den politischen Dialog mit Pjöngjang aufrechterhielten, sich aber die Option militärischer Maßnahmen offen hielten. Auch China hat diese Methode gegenüber Taiwan angewandt, da Peking auf den richtigen Zeitpunkt für eine Wiedervereinigung der Insel mit dem Festland wartet. In beiden Fällen können die Vereinigten Staaten und China ihren Gegnern ihre Bedingungen auferlegen, auch wenn sie es vorziehen, sie nicht zu verärgern. Definitionsgemäß kann dieses Konzept nur von Ländern angewandt werden, die über einen Überschuss an militärischer Macht gegenüber ihren Gegnern verfügen und andere Optionen haben, es aber vorziehen, die diplomatischen Mittel auszuschöpfen, bevor sie zu entscheidender militärischer Gewalt greifen.

Der Iran kann sich jedoch nicht gegen die Vereinigten Staaten und Israel durchsetzen. Stattdessen setzt er seine regionalen Agenten ein, um seine Gegner abzulenken, indem er sie dazu drängt, ihn als legitimen Partner bei der Regelung der Angelegenheiten in der Region anzuerkennen, während er fälschlicherweise behauptet, dass sie in ihren Entscheidungen unabhängig sind.

Weder die USA noch Israel sind ein ewiger Feind

Der Iran betrachtet keines der beiden Länder als ewigen Feind, auch wenn Ayatollah Ruhollah Khomeini in seiner Revolution 1979 die Vereinigten Staaten als den „großen Satan“ und Israel als das „absolut Böse“ bezeichnete. Diese Bezeichnungen sind nicht zwangsläufig historisch bedingt, sondern eher bequeme Slogans, auf die man in günstigen Situationen verzichten kann. Nach dem Atomabkommen von 2015 entfernten die iranischen Behörden viele der revolutionären Slogans, die die USA als den großen Satan bezeichneten, von den Wänden der iranischen Städte.

 

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Nach der Ermordung des Befehlshabers der Quds-Brigaden Qassem Soleimani in Bagdad durch die USA im Jahr 2020 begann der Iran, das Konzept der strategischen Geduld anzuwenden. Seitdem hat sich Teheran eher für einen subtilen Konflikt mit den Vereinigten Staaten als für eine direkte Konfrontation entschieden. Es hat keine Maßnahmen ergriffen, die den Interessen der USA ernsthaft schaden könnten; es hat sogar die Trump-Regierung gewarnt, bevor es amerikanische Ziele im Irak angriff, um die Tötung Soleimanis zu rächen.

Teheran steckt in einer strategischen Sackgasse

Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten deuten darauf hin, dass Teheran tatsächlich in einer strategischen Sackgasse steckt. Iran steht einmal mehr vor dem Problem, dass es einerseits reagieren muss, um Israel von weiteren Angriffen abzuschrecken, andererseits aber auch darauf achten muss, einen totalen Krieg zu vermeiden. Teheran glaubt, dass es reagieren muss, um seine Bereitschaft zur Konfrontation zu zeigen, aber auf kalkulierte Weise, ohne eine Eskalation zu verursachen oder Opfer zu fordern. Sein Zögern, Vergeltung zu üben, ist ein Zeichen dafür, dass die Islamische Revolution nur ein Papiertiger ist.

Teheran hat wiederholt eine Antwort versprochen. Die Revolutionsgarden gaben eine Erklärung heraus, in der sie dem iranischen Volk versicherten, Israels Vorgehen in Damaskus zu rächen. Der iranische Generalstabschef Mohammad Bagheri sagte in einer Rede anlässlich der Beerdigung des bei dem Angriff getöteten Oberbefehlshabers der Quds-Truppen, General Mohammad Reza Zahedi, dass Israels Untergang nahe sei. Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah gab kürzlich zu Protokoll, dass eine iranische Antwort unvermeidlich sei – wobei er nicht präzisierte, ob diese aus dem Iran selbst oder von seinen schiitischen Milizen im Irak, in Syrien und im Libanon erfolgen würde. Und der iranische Oberste Führer Ali Khamenei drohte Israel mit einer Niederlage.

Diese Äußerungen sind jedoch bloßes Imponiergehabe. Der Iran möchte nicht, dass seine Stellvertreter im Nahen Osten ihn als schwach wahrnehmen, denn das würde den Eindruck zerstören, den er von sich selbst als starkem und gefürchtetem Land zu vermitteln versucht. Dennoch haben iranische Medien und einige Beamte zur Zurückhaltung aufgerufen und argumentiert, dass der Bombenanschlag auf das Konsulat eine Falle sein könnte, um die Wut im Iran zu schüren und die innere Stabilität des Landes zu gefährden. Die iranische Presse bereitet die Bürger darauf vor, dass militärische Vergeltungsschläge aussichtslos sind.

Iran möchte jegliche Kurzschlussreaktionen vermeiden

Trotz der wiederholten Rachedrohungen Teherans basiert die langfristige Strategie des Landes darauf, seine Errungenschaften der zurückliegenden Jahrzehnte zu bewahren und jegliche Kurzschlussreaktionen zu vermeiden. Es strebt ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten an, in dem diese es als regionale Führungsmacht anerkennen. Dieses Ziel steht im Mittelpunkt seines Streits nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern auch mit Israel, das sich weigert, den Iran als Land mit gleichberechtigtem regionalen Einfluss anzuerkennen.

Pro-iranische Analysten haben versucht, die Verzögerung bei der Reaktion auf den israelischen Schlag damit zu rechtfertigen, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu nicht unter dem Vorwand an der Macht bleiben kann, sein Land befinde sich im Krieg. Sie glauben, dass der Iran seine Geduld bewahren muss, um die Pläne seiner Feinde zu vereiteln. Die iranische Führung wird daher mit strategischer Geduld auf diesen Vorfall reagieren, wie sie es seit der iranischen Revolution bei vielen Gelegenheiten getan hat. Man wird also von einer Eskalation der regionalen Spannungen Abstand nehmen, die zu einem direkten Konflikt mit Israel oder den Vereinigten Staaten führen könnte. Gleichzeitig steht Teheran vor der Herausforderung, die regionale Einmischung Irans fortzusetzen, insbesondere angesichts der steigenden strategischen Kosten und Risiken.

Aura der Abschreckung

Seit 30 Jahren versucht der Iran, eine Aura der Abschreckung um sich herum zu schaffen. Raketenparaden, Übungen und Animationsvideos sollen die Stärke und ständige Kampfbereitschaft des Iran öffentlich zur Schau stellen, aber die Realität vor Ort sieht ganz anders aus. Konfrontationsvermeidung und der Verzicht auf vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber Israel sind Konstanten der iranischen Außenpolitik.

In Anbetracht der Normen, die die Beziehungen zwischen den Ländern regeln, muss der Iran auf den israelischen Schlag reagieren, ist aber darauf bedacht, Israel militärisch nicht zu provozieren. Teheran hat sogar seinen schiitischen Stellvertretern mitgeteilt, dass es sich nicht direkt an den Kämpfen gegen Israel beteiligen wird, genau wie bei der Hamas. Es wird sie zwar bewaffnen und finanzieren, aber nicht in dem Maße, dass ein regionaler Krieg ausgelöst wird, der die Beteiligung des Irans erfordert.

Für Israel ist die subversive Agenda des Iran zu offensichtlich, um sie zu tolerieren. Bei dem Gebäude, das die Israelis in Damaskus bombardierten, handelte es sich nicht um ein Konsulat im international anerkannten Sinne, sondern vielmehr um ein Zentrum für militärische Planung. Warum sollten hochrangige Offiziere der Revolutionsgarden in einer diplomatischen Einrichtung tätig sein? Der Iran nutzt seine diplomatischen Vertretungen häufig, um seinen Einfluss weltweit zu verbreiten, insbesondere im Nahen Osten und in Nordafrika. So nutzte er beispielsweise seine Kulturzentren, um die schiitische Doktrin zu verbreiten, was zur Schließung einiger dieser Einrichtungen in mehreren Ländern führte. Die Zerstörung des iranischen Konsulats in Damaskus durch Israel ist jedoch von entscheidender Bedeutung, da sie Teheran in eine schwierige Lage bringt und zeigt, dass sich die Spielregeln zwischen den beiden Ländern zu Israels Gunsten geändert haben.

Technologische Überlegenheit der Israelis

Tief im kollektiven Bewusstsein der Iraner ist die Überzeugung verankert, dass niemand sie besiegen kann. Der Grund dafür hat nichts mit militärischer Stärke zu tun. Das iranische Volk ist geduldig und ausdauernd. Die vergangenen zwei Jahrhunderte waren für die Iraner jedoch nicht gut, da sie häufig Niederlagen gegen Russland und Großbritannien hinnehmen mussten. In der modernen Kriegsführung geht es um technologische Innovation, nicht nur um Geduld. Die Israelis haben zu Beginn der jüngsten Konfrontationen, die sich radikal von früheren arabisch-israelischen Kriegen unterscheiden, ihre technologische Überlegenheit hervorgehoben. Die israelischen Operationen stützten sich mehr auf High-Tech-Ausrüstung und -Waffen als auf konventionelle Kriegsführung. Intensiver Beschuss und Bombardierungen von Grenzdörfern sind gezielten Angriffen gewichen.

Die Israelis behaupten, dass sie Lagerhäuser, Drohnenoperationsräume und Raketenabschussrampen mit absoluter Leichtigkeit angreifen können. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah musste seine Kämpfer sogar auffordern, keine Mobiltelefone zu benutzen und Überwachungskameras aus dem Internet zu sperren und abzuschalten. Diese Maßnahmen hielten die israelischen Drohnen jedoch nicht davon ab, erfolgreich auf Hisbollah-Kommandeure zu schießen. Es ist insofern kein Wunder, dass der Iran eine Politik der strategischen Geduld verfolgt.

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Christoph Kuhlmann | Sa., 13. April 2024 - 13:37

Gerade kommt die Meldung, dass ein Spezialkommando der Revolutionsgarden ein Frachtschiff entführt haben, welches zum Teil einem Israeli gehört. Die Aktion passt zur Situation. Viele kleine Stiche, aber keine Seite will Krieg. Jetzt kann man sich ausrechnen was teurer wird, die Behinderung des Welthandels oder Krieg mit Iran.

wo Politiker wie Wirtschaftsbosse gegen die eigene Nation, zum Nutzen andere Mächte handeln

& ich wäre dafür, das europäische Nahrungsmittel zwecks Profite Europa nicht verlassen dürfen & Nahrungsmittel, die es in Europa nicht gibt wie z.B. Südfrüchte oder nur im Ausgleich mit anderen Nahrungsmittel erfolgen darf. Es muss endlich Schluss mit der Gier des grenzenlosen Export sein, der globalen Donald-Duck-Manifestation.
Diese westlichen Strolche der Gier müssen hart bestraft werden, wenn diese mit BASF-Hühnchen Afrika oder andere arme Länder überschwemmen.
Dort fängt für mich persönlich der Klima-Schutz an & selbst ein Herr Lenz hat dies in einen anderen Artikel erkannt:

Der globale Export ohne Grenzen hat die Deutschen nicht reicher gemacht, den Inlandsbedarf nicht erhöht, sondern wir Deutschen & Europäer waren & sind die Verlierer in diesem Monopoly-Spiel

Es ist die BIG-BIG Macht d. ganz Großen, deren Namen kaum einer kennt mit ihren Lakaien Brüssel & der WHO, die kräftig profitieren

Romuald Veselic | Sa., 13. April 2024 - 14:46

Geduld umgemünzt wird. Auch so kann man es nennen.

1ne militarisierte Schergen-Bande, wie es die iranischen Revo-Garden sind, so zu demoralisieren, dass sich keiner zum General dieser Verbrechensorganisation befördern will, um nicht getötet zu werden. Eine phänomenale Idee. 😈

Der Iran, gefangen in seiner faschoklerikalen Ideologie, die aus individuellem Terror gegen die eigene Bevölkerung praktiziert wird (1000e Hinrichtungen pro Jahr), ist typischer Merkmal einer Agonie, wo man (Männer!) sich damit beschäftigt, wie die Frauen Kopftücher zu tragen haben, anstatt sich auf der technologische Breitspurschiene zu bewegen, wie zB Singapur, um das Wissen (nicht Glaube) zu forcieren, um sich den technologischen Top 10 Ländern zu nähern. Im Vorteil ist immer der, der die Wasserleitung reparieren kann und nicht der, der irgendwelche Schriften auswendig zitieren weiß. Der Wohlstandindex entsteht nicht durch die Anzahl der Bärte tragenden Männer.

Henri Lassalle | Sa., 13. April 2024 - 20:47

sehr ernst zu nehmen: Es hat jetzt aus Sicherheitsgründen die Schulen geschlossen. Eine Ausweitung des Konflikts mit dem Iran könnte eine Kettenreaktion auslösen, die andere Staaten mit einbeziehen könnte: Wie würden die USA, Frankkreich, Russland, China......reagieren?

Helmut Bachmann | Sa., 13. April 2024 - 23:44

ein schlechter Scherz? Wäre ein Kandidat für eine Depublikation. Thema komplett verfehlt. 6.