Henry Kissinger warb in Washington immer auch für deutsche Positionen / picture alliance

100. Geburtstag von Henry Kissinger - Zwischen Geist und Macht

Mit Henry Kissinger wird an diesem Samstag eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts 100 Jahre alt. Als Elder Statesman zeichnet sich Kissinger noch immer durch seinen gründlichen Intellekt und schonungslosen Realismus aus.

Ulrich Schlie

Autoreninfo

Ulrich Schlie ist Historiker und Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung an der Universität Bonn.

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Wenn Henry Kissinger an diesem Samstag seinen 100. Geburtstag begeht, werden die Superlative purzeln. Es gibt wohl keinen lebenden Politiker und Wissenschaftler, der ähnlich gründlich über die Weltpolitik in ihren historischen Bezügen nachgedacht hat wie er. Als Außenminister von Präsident Ford ist er 1977 aus dem Amt geschieden. Seitdem ist er ungemindert im Geschäft geblieben.

Er hat seit Präsident John F. Kennedy alle amerikanischen Präsidenten beraten und ist seit jeher zwischen Davos und Singapur allseits gefragter Gesprächspartner. Die Erinnerungen an seine achtjährige Amtszeit als Nationaler Sicherheitsberater und Außenminister in Washington in den Jahren 1969 bis 1977 umfassen drei Bände mit knapp 4000 Seiten.

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Mario Felizzi | Sa., 27. Mai 2023 - 14:26

Wäre Henry Kissinger Russe, wäre er in längst in Hag gelandet (Kambodscha).

Karl-Heinz Weiß | Sa., 27. Mai 2023 - 14:46

Eine sehr treffende Würdigung. Warum ist aber die (in der Tradition von Kissinger stehende) theoretisch sehr fundierte amerikanische Außenpolitik durchweg gescheitert: Vietnam, Chile, Somalia, Irak, Syrien, Afghanistan usw. ? Die aktuellen Krisenherde Russland/Ukraine und China/Taiwan sind weitere Beispiele. Der Visionär Bismarck wurde von dem Chauvenisten Willem Zwo abserviert. Und gegen Nationalisten wie Putin und Xi sind Theoretiker wie Kissinger machtlos.

Gerhard Lenz | Sa., 27. Mai 2023 - 15:53

.. der große Politiker, aus dessem Fundus von Sinn und Unsinn sich jeder, gleich welcher politischen Coleur zugehörig, nach Belieben bedient.

Dieser Tage sind es manchmal sogar die Anhänger des Kriegsverbrechers Putin, für dessen imperiales Gemetzel Kissinger erstaunlich viel Verständnis aufbringt - selbstverständlich nur aus Gründen der "Ausgeglichenheit", um den Konflikt zu entschärfen.
Nur ein weiterer "Greis", der sich im hohen Alter in Merkwürdigkeiten verliert?

Wir Deutschen haben es ja mit Kissinger, denn der wurde schliesslich in Deutschland geboren, flüchtete vor den Nazis und machte in den USA durch stramm antikommunistische Politik Schlagzeilen. Noch so ein Treppenwitz der Geschichte: Vom Gegner Nixons zu dessen Sicherheitsberater mutiert, heizte er den Vietnam-Krieg ordentlich an, um dann Jahre später, nach Niederlange der USA, für Verhandlungen mit dem siegreichen Vietkong den Nobelpreis zu kassieren. Um weiter zu zündeln: Z.B. in Chile gegen den gewählten Allende.

kein Greis sein, um sich in Merkwürdigkeiten zu verlieren.
Kissingers Aussagen, nicht nur alleine beim Kreml sei die Schuld an diesem Krieg zu suchen – ich nehme an, darauf beziehen Sie sich – zeigt, dass dieser „Greis“ noch immer über weit mehr Sachverstand und Weitsicht verfügt als die Marktschreier und Moralapostel in Sachen Putin = Hitler und Endsieg um jeden Preis, der Sie angehören.
Wenn ich mir unsere gegenwärtige Polit – Prominenz anschaue, dann glaube ich, dass sich Herr Kissinger so langsam seiner Herkunft zu schämen beginnt.
Was Sie ihm an „Verfehlungen“ vor einem runden halben Jahrhundert – wohl schön selektiv herbei gegoogelt – vorwerfen, ist doch lächerlich. Ihre linke Ikone Günter Grass war SS – Mitglied. Nur mal so am Rande erwähnt.
Menschen machen immer wieder Fehler in ihrem Leben und nur stramme Sozialisten wie Sie – selektiv wertend, unbelehrbar und nie verzeihend (außer den Ihren)- plündern regelmäßig die Mottenkiste, um Andersdenkende zu diffamieren.

Und, müssig zu sagen, dass Sie schon mal besser argumentiert haben.

Das ewige Gequatsche, Putin habe keine Alleinschuld an diesem Krieg, ist ja nun wirklich keines weiteren Kommentars mehr wert. Da ist jede Wand diskursfähiger, als ein Putin-Versteher, wie Sie es nun mal sind.

Weiter: Ach lassen wir doch mal die Vergangenheit ruhen. Seltsam, dass Sie das mal wieder so schön selektiv machen. Denn offensichtlich sehen Sie Kissinger, wohl wegen seines Verständnisses für den Kreml, irgendwie als Verbündeten an, wenn es darum geht, den Schurken Puten zu verteidigen.
Dass das ausgerechnet von Ihnen kommt, ist allerdings durchaus amüsant: Sie versuchten ja schon mal, Putins Überfall auf die Ukraine mit der Annexion Hawaiis durch die USA vor 200 Jahren zu relativieren!

Ach so, verstehe schon. Ich habe Sie mal wieder gründlich mißverstanden..

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 27. Mai 2023 - 16:02

Abraham Lincoln nachempfunden?
Jedenfalls wird deutlich, welche weltpolitische Bedeutung der Autor dem Jubilar beimisst.
Mir fällt auch eine hohe Ähnlichkeit mit Helmut Schmidt auf, dem ich wirklich nicht immer zustimmen konnte, ohne seine Leistungen jetzt aber auch nur im Mindesten schmälern zu wollen.
Deshalb kann Herr Kissinger sicher nachvollziehen, dass ich so einen Satz wie den, Schmidt habe als Soldat Schuld auf sich geladen (ZEIT), so nicht stehen lassen kann?
ich finde den Gedanken der Schuld fast grundverkehrt für so etwas Komplexes und Diffiziles wie Politik.
Für mich ist Christa Wolfs Satz zentral, "Du sollst dich nicht entschuldigen. Du sollst nur sagen wie es kam".
Eventuell war die Zeit in den USA lange nicht reif dafür, dass Kissinger hätte deren Präsident werden können, statt wie auch Schmidt jahrzehntelang Weltpolitik aus dem OFF zu gewichten und zu bewahren.
Für Herrn Kissinger bedenke ich, dass er als Kind entsetzliche Zeiten erlebte.
Kann er wie Schmidt loslassen?

Ernst-Günther Konrad | Sa., 27. Mai 2023 - 18:48

Ja, das könnte er gewesen sein. Aber er diente immer dem jeweiligen Präsidenten und mochte er persönlich anders denken, so war er ein treuer Vollstrecker amerikanischer Expansionspolitik, ob geopolitisch oder strategisch im Hinblick auf Erhalt oder Schaffung von Einfluss Sphären. Er war derjenige, der zur damaligen Zeit die "Weltpolizei" USA diplomatisch vertrat, wenn sie die Politik der US-Präsidenten wieder einmal als kriegerisch nicht erfolgreich erwiesen. Nach meiner Erinnerung war er in vielen Deutschland betreffende Fragen mehr Deutscher als die Deutschen selbst. Hatte er ja nicht die Bürde der Schuldkultlast zu tragen, sondern war selbst ein verfolgter der Naziherrschaft. Ja, auch wenn er als gebürtiger Deutscher mit jüdischen Wurzeln gezwungenermaßen Amerikaner wurde, hatte ich bei ihm auch den Eindruck, dass er eine besonderes Verständnis für Deutschland hatte. Dennoch vertrat er, wenn es sein musste knallharte amerikanische Interessen, wenn auch in diplomatischen Gewande.

Bernhard Homa | Sa., 27. Mai 2023 - 22:27

aus zwei Gründen:
1.) Der Autor ist Inhaber der "Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung", was zwar transparent gemacht wird, aber leider den Verdacht tendenziöser Apologie nährt. Den Artikel hätte besser jemand anderes geschrieben.
2.) Dazu passt dann auch, dass Kissingers diverse Beiträge zu US-Kriegsverbrechen und -Völkerrechtsbrüchen ausgelassen werden. Man mag nach Abwägung immer noch zur Einschätzung kommen, dass seine diplomatischen Leistungen höher wiegen, Aber diese überaus dunklen Fecken komplett wegzulassen ist wissenschaftlich wie journalistisch ein Unding.