Thatcher
Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher / picture-alliance/ dpa | PA; picture-alliance / dpa | epa PA Fiona Hanson

Zum 100. Geburtstag der „Eisernen Lady“ - „Margaret Thatcher hat gezeigt, dass marktwirtschaftliche Politik funktioniert“

Margaret Thatcher führte Großbritannien aus einer existenziell bedrohlichen Wirtschaftskrise. Zu ihrem 100. Geburtstag hat unser Autor Wegbegleiter und Gelehrte nach Leben und Wirken der „Eisernen Lady“ gefragt.

Autoreninfo

Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe. Er ist zudem als Unternehmer tätig und hat 21 Bücher geschrieben und herausgegeben. Darunter das Buch „Weltreise eines Kapitalisten“, in dem er auch über seine Reisen und Gespräche in Argentinien berichtet.

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Die am 13. Oktober 1925 geborene Margaret Thatcher polarisiert wie kaum eine andere Politikerin. Sie war von 1979 bis 1990 britische Premierministerin und führte Großbritannien aus einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Thatcher setzte marktwirtschaftliche Reformen um. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Labour Party große Teile der britischen Industrie und Wirtschaft verstaatlicht, die oft linksradikal geführten Gewerkschaften waren mächtig und der Wohlfahrtsstaat expansiv. Vor Thatchers Amtsübernahme rutschte das Land immer tiefer in Richtung Abgrund. Die Inflation stieg auf 25 Prozent, immer mehr Menschen wurden arbeitslos, die Staatsschulden explodierten und Großbritannien musste sogar beim Internationalen Währungsfonds einen Milliarden-Hilfskredit beantragen, eine Maßnahme, die eigentlich Entwicklungsländern vorbehalten ist.

Margaret Thatcher führte Großbritannien aus der Krise, indem sie große Teile der Wirtschaft privatisierte, Staatsausgaben und Steuern senkte und die Blockademacht der Gewerkschaften brach. Dies ging nicht nur mit einer Gesundung der Wirtschaft einher, sondern auch mit einer steigenden Arbeitslosigkeit in den Übergangsjahren. Insbesondere die industriell geprägten Regionen Nordenglands, Schottlands und Wales litten unter einem beschleunigten Strukturwandel. Viele Arbeiter in der Schwerindustrie oder dem Bergbau verloren ihre Arbeit. Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann hat mit Wegbegleitern und weltweit führenden Ökonomen und Gelehrten über das Leben der Ausnahmepolitikerin Thatcher gesprochen. So ordnen diese das Leben und Wirken der „Eisernen Lady“ ein.

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„Margaret Thatcher war eine große Reformerin der rückständigen britischen Wirtschaft. Sie war elf Jahre lang Premierministerin und bewies damit, dass sie auch eine geschickte Politikerin war. Sie kehrte den Trend zum Staatsdirigismus um, der zuvor die Politik vieler westlicher Länder dominiert hatte. Dadurch verbesserte sie die Leistungsfähigkeit der britischen Wirtschaft und schuf ein Vorbild, dem andere folgen konnten“ - Leszek Balcerowicz (ehemaliger polnischer Finanzminister, führte die Marktwirtschaft in Polen ein)

„Thatchers breit angelegtes Reformpaket in einer so stark dysfunktionalen Volkswirtschaft ist ohne echtes Pendant in einem fortgeschrittenen Industrieland. Ronald Reagan zum Beispiel, der ebenfalls marktwirtschaftliche Reformen vorantrieb, übernahm eine gut funktionierende Wirtschaft, in der Carter bereits mit der Deregulierung begonnen hatte und die Fed unter Volcker ein starker Verbündeter war. Auch in Entwicklungsländern gibt es viele beeindruckende Reformbeispiele. Was Margaret Thatcher tat, wurde weithin als unmöglich angesehen: Sie nahm eine alte, festgefahrene Wirtschaft, die nur als hoffnungsloser Fall gelten konnte, und gab ihr eine erfolgreiche Zukunft“ - Patrick Minford (Ökonom, Professor für Angewandte Volkswirtschaftslehre an der Cardiff Business School, war Wirtschaftsberater von Margaret Thatcher)

„Als Margaret Thatcher Premierministerin wurde, betrug der höchste Einkommensteuersatz in Großbritannien über 90 Prozent – und manche Beobachter weisen zurecht darauf hin, dass er für bestimmte Einkünfte sogar bei 98 Prozent lag. Der Tauschhandel blühte. Am Ende ihrer Amtszeit lag der Spitzensteuersatz bei nur noch 40 Prozent. Zwar erhöhte sie die Mehrwertsteuer deutlich, doch diese Steigerung fiel angesichts der massiven Entlastung bei der Einkommensteuer kaum ins Gewicht. Sie machte aus Britain wieder Great Britain“ - Arthur B. Laffer (Ökonom, ehemaliger Berater von Ronald Reagan, Namensgeber der „Laffer-Kurve“):

„Thatcher wird von der Linken dämonisiert, weil sie gezeigt hat, dass marktwirtschaftliche Politik funktioniert – was man von sozialistischer Politik nicht behaupten kann. Sie hinterließ Großbritannien in einem weit besseren Zustand, als es bei ihrem Amtsantritt war. Als sie ihr Amt antrat, gab es viermal so viele Gewerkschaftsmitglieder wie Aktionäre. Als sie abtrat, besaßen mehr Menschen Aktien, als in Gewerkschaften organisiert waren. Großbritannien hatte beim Amtsantritt die meisten durch Streiks verlorenen Arbeitstage in Europa – bei ihrem Abschied die wenigsten“ - Madsen Pirie (Präsident des Adam Smith Institute, London)

Beerdigung von Thatcher / picture alliance / AP Images | Christopher Furlong

 „Thatcher war eine große Führungspersönlichkeit mit der richtigen Vorstellung von Markt und Freiheit. Sie war zweifellos eine gute Schülerin Hayeks. Deng Xiaoping teilte viele wirtschaftspolitische Vorstellungen mit Thatcher. Er wusste, was er nicht wusste, und erlaubte deshalb der Basis, Experimente zu machen. Er veränderte China in die richtige Richtung. Doch der Mangel an politischer Freiheit macht Dengs marktwirtschaftliche Reform weniger nachhaltig. Das sehen wir heute. In unserer Zeit ist Milei in Argentinien ein großer Führer, vergleichbar mit Thatcher und Deng Xiaoping vor mehr als drei Jahrzehnten“ - Weiying Zhang (Professor an der Peking-Universität, National School of Development, Boya-Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre)

„In den frühen 1970er Jahren war das Vereinigte Königreich der kranke Mann Europas. Viele hielten das Land sogar für todkrank. Thatcher ist eines der herausragenden Beispiele der modernen Geschichte dafür, dass schwierige Zeiten keine Ausrede für Fatalismus, Pessimismus oder Verzweiflung sind. Wenn der Meeresspiegel der Probleme steigt, hebt er auch die Boote potenzieller Problemlöser. Das geschieht allerdings nicht automatisch. Es braucht weitsichtige politische Denker mit einer klar marktorientierten Geisteshaltung. Thatcher orientierte sich vor allem an den Ideen von Friedrich A. von Hayek, der damit zum geistigen Urheber der britischen Erneuerung wurde, die mit ihr einherging. Bis heute ist Thatcher ein Vorbild für Reformer, um das westliche Modell einer freien Gesellschaft wieder auf Kurs zu bringen“ - Stefan Kooths (Forschungsdirektor am Kieler Institut für Weltwirtschaft, Vorsitzender der Hayek-Gesellschaft)

„Thatcher hat gezeigt, dass es politisch möglich ist, die Macht privilegierter Gewerkschaften zu brechen, die ein ganzes Land in Geiselhaft hielten. Etwas Ähnliches geschieht heute in Argentinien, wo die politische Klasse, einschließlich der Gewerkschaften, die hart arbeitenden Argentinier ausgebeutet hatte. Milei drängt die Macht der politischen Klasse in ähnlicher Weise zurück, wie Thatcher es mit den Gewerkschaften tat“ - Philipp Bagus (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universidad Rey Juan Carlos, Madrid)

„Gemessen an der reinen Zahl der Menschen, die durch wirtschaftliche Freiheit gestärkt wurden, hat Deng Xiaoping mehr erreicht. Die Zahl der Reformen von Leszek Balcerowicz oder Václav Klaus war größer. Ludwig Erhard hatte eine langfristigere Wirkung. Dennoch standen alle anderen kapitalistischen Reformer einem vergleichsweise einfacherem politischen Umfeld gegenüber: Krieg oder Kommunismus hatten den Weg für den Wandel bereitet. Thatcher ist die einzige Reformerin, die einen Staat wie den unseren veränderte: eine fortgeschrittene westliche Sozialdemokratie, mit hoher Sozialabhängigkeit und einer intellektuellen Klasse, die dem Etatismus zutiefst verpflichtet war. Sie hatte auch eine andere, einzigartige Idee: Sie glaubte, dass eine freie Wirtschaft sowohl Voraussetzung als auch Folge einer moralischen Gesellschaft sei“ - Alberto Mingardi (Professor für Ideengeschichte, IULM-Universität Mailand, Generaldirektor des Istituto Bruno Leoni, Mailand)

 „Leider ist sie von Hollywood-Produzenten als ineffektive, boshafte Premierministerin der 1980er Jahre dargestellt worden. Meine Frau und ich lebten in den 1980er Jahren in England und erlebten aus erster Hand, wie sie übermäßige Regulierung abbaut: Zum Beispiel dauerte es früher mehrere Jahre, bis man in London ein Telefon bekam. Ihr Erbe umfasst die Privatisierung von Staatsbetrieben, die Reduzierung des Würgegriffs der Gewerkschaften über die Wirtschaft und die Abschaffung von Devisenkontrollen. In meinem Buch The Maxims of Wall Street zitiere ich ihre Bemerkung über den aufgeblähten Wohlfahrtsstaat: ‚Das Problem ist, dass einem irgendwann das Geld der anderen Leute ausgeht.‘ Treffender hätte man es nicht sagen können!“ - Mark Skousen (Doti-Spogli-Lehrstuhl für Freie Unternehmerschaft, Chapman University, Produzent des FreedomFest) 

„Der Tag, an dem Thatcher 1979 erstmals die britischen Parlamentswahlen gewann, war ich 22 Jahre alt und es war einer der glücklichsten Tage meines damals kurzen Lebens: Endlich begannen die Ideen der Freiheit, einen praktischen Einfluss auf Politik und das reale Leben zu haben! Bald wiederholte sich dieses persönliche Erlebnis, als Ronald Reagan Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Doch obwohl ihre konservativ-libertäre Revolution ein Durchbruch war, der ihren jeweiligen Ländern sehr viel brachte, waren sie zu stark vom Monetarismus und Minarchismus beeinflusst, um eine radikale und dauerhafte globale Wirkung zu entfalten. Fast ein halbes Jahrhundert später, als ich 66 Jahre alt war, wurde ich tatsächlich der glücklichste Mensch der Welt, als Javier Milei in Argentinien als erster libertärer Präsident in der Geschichte der Menschheit gewählt wurde – mit einer klaren, kompromisslosen Botschaft, die auf der Österreichischen Schule und dem Anarchokapitalismus basiert und weltweit ein herausragendes Echo findet“ - Jesús Huerta de Soto (Professor für Politische Ökonomie an der Universidad Rey Juan Carlos, Madrid)


 

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Achim Koester | Mo., 13. Oktober 2025 - 08:32

Sie war für mich die Inkarnation eines Staatsmannes (und das meine ich wörtlich), wie Politiker sein sollten. Von ihrer Art brauchte man heute mehr, sowohl in Großbritannien, aber noch wichtiger in Deutschland .

Hans v. Weissensand | Mo., 13. Oktober 2025 - 17:02

zu lesen, dass es Persönlichkeiten gibt die einen Karren, selbst wenn er bis über die Radnabe im Dreck steckt, herrausziehen können.

Christoph Schüler | Mo., 13. Oktober 2025 - 20:07

"Ihr Erbe umfasst die Privatisierung von Staatsbetrieben (...)"
Was genau noch mal hat sich seit der Privatisierung von Telekom, Post, Bahn, Krankenhäusern und Energieversorgungsunternehmen, einschließlich Rettung privater Banken, in diesem Land verbessert..?
Es ist genau das System Thatcher, welches uns wirtschaftlich hier hin geführt hat...
Ja, der "Sozialismus" der Vergangenheit ist Gott sei Dank gescheitert, aber wo ist der Erfolg des Kapitalismus außerhalb der westlichen Welt, welcher nur aufgrund der massiven Ausbeutung der restlichen Welt wachsen konnte...