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Wirtschaftsnobelpreis - Immer schön weiter verbrennen

Ökonomie und Alltag: Robert Shiller und Eugene Fama vertreten gegensätzliche Positionen - und haben trotzdem beide den Wirtschaftsnobelpreis bekommen. Eine weise Entscheidung!

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Mein Erdkundelehrer, der sechs oder sieben Kinder hatte, hat früher immer gesagt: „Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren besteht darin, dass Tiere aus Fehlern lernen. Ich sehe das bei meinen Kindern: Die fassen nicht nur einmal auf die heiße Herdplatte, sondern wollen beim nächsten Mal wieder wissen, ob sie heiß ist und verbrennen sich ein zweites Mal.“ Hätte er seine These konsequent erforscht, statt mir die Geografie näher zu bringen, hätte vielleicht er am vergangenen Montag den Wirtschaftsnobelpreis erhalten (Exkurs: Ich weiß, dass dieser Preis „Von der schwedischen Reichsbank in Erinnerung an Alfred Nobel gestifteter Preis für Wirtschaftswissenschaften“ heißt, finde das aber zu lang und bleibedaher bei Wirtschaftsnobelpreis. Wem das nicht gefällt, den verweise ich auf die Kommentarspalte. Exkurs Ende)

Ein Drittel des diesjährigen Preises ging nämlich an Robert Shiller, dessen Werk die New York Times sehr hübsch zusammengefasst hat: „Aufs Wesentliche reduziert, besteht Mr. Shillers zentrale Einsicht darin, dass Menschen Fehler machen – und sie haben eine Neigung dazu, dieselben Fehler immer und immer wieder zu machen.“ Es tut immer gut, wenn die Wissenschaft Dinge bestätigt, die ich schon vorher wusste oder zumindest ahnte. Das gibt mir das gute Gefühl, mit Nobelpreisträgern auf Augenhöhe zu sein. Aber das ist natürlich Quatsch, bin ich nicht, insofern ist obige Zusammenfassung einfach zu knapp.

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Shillers Verdienst besteht vor allem auch darin, dass er als einer der ersten darauf hingewiesen hat und wissenschaftlich belegen kann, dass der Mensch kein rein rational wirtschaftender homo oeconomicus ist. Shiller, der sich auch viel mit Psychologie und Geschichte beschäftigt, hat sich viel früher als seine Kollegen von der Welt der idealen mathematischen Modelle verabschiedet, und die Wirtschaftswissenschaften näher an die Realität herangeführt. Er hat gezeigt, dass es an der Börse Phasen gibt, in den Akteure sich komplett irrational verhalten, alle mit der Herde mitrennen und die Kurse in absurde Höhen treiben oder in die Tiefe stürzen lassen.

Gut, dass Menschen nicht wie Tiere sind

Das Lustige an der Verleihung des diesjährigen Wirtschaftsnobelpreises ist aber, dass Shiller sich den Preis mit einem Ökonomen teilen muss, der genau das Gegenteil vertritt: Eugene Fama gilt als Begründer der Theorie effizienter Märkte, wonach die Kurse an den Börsen neue Informationen schnellstmöglich aufnehmen und sofort bei der Preisbildung berücksichtigen. Sein Mantra lautet: „Den Markt kann man nicht schlagen!“ Shiller hat Famas Theorie einmal als „den größten Irrtum des ökonomischen Denkens“ bezeichnet.

Sein feiner Humor zeigt sich darin, dass er in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeit diese Woche darauf angesprochen antwortet, Fama gelinge es mit seiner Finanzfirma, die für andere Geld anlegt, immer wieder besser zu sein als der Markt. Dafür zolle er dem Kollegen „großen Respekt“, aber Fama widerlege sich dadurch natürlich auch selbst.

Vielleicht hat die schwedische Akademie der Wissenschaften eine viel weisere Entscheidung getroffen, als ihr selbst bewusst ist. Denn ohne Famas Arbeit hätte Shiller möglicherweise nie den Antrieb verspürt, mit seiner Forschung anzufangen. In der Zeit sagt er auch noch, man brauche die Demut, sich einzugestehen, dass auch die besten Forscher die Bewegungen auf den Märkten nie ganz verstehen werden.    

Das Besondere an Forschern wie Fama und Shiller ist, dass sie trotzdem immer weiter forschen, Neues ausprobieren werden und Zusammenhänge nicht einfach als gegeben hinnehmen. Der dritte Co-Preisträger Lars Peter Hansen hat kurz nach der Bekanntgabe auf die Frage, was man denn jetzt wisse über die Entstehung von Marktpreisen, geantwortet: „Wir machen kleine Fortschritte, aber es gibt noch sehr viel zu tun.“

Auch insofern ist es wohl gut, dass Menschen nicht wie Tiere sind. Denn die Tatsache, dass sie immer wieder wissen wollen, ob die Herdplatte heiß ist, ist kein Ausdruck von Dummheit, sondern eine Form der schönsten menschlichen Eigenschaft überhaupt: der Neugierde.

 

 

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