Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
()
Was kostet ein Armbruch?

Welche Leistungen zu welchem Preis? Wer zahlt? Deutschland streitet über eine Gesundheitsreform. Wie sieht ein internationaler Vergleich aus? Cicero hat weltweit nach dem Ablauf und den Kosten für den Fall eines Armbruchs gefragt.

Deutschland 90 Prozent der Deutschen sind Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Der Monatsbeitrag beträgt circa 500 Euro, wovon die Hälfte der Arbeitgeber bezahlt. Versichert sind alle Leistungen im gesetzlichen Standard, das heißt Leistungen, die ausreichend, zweckmäßig und notwendig sind. Ein Nottransport und die Behandlung eines Armbruchs, zwischen 4000 und 8000 Euro, werden zu 100 Prozent von der Versicherung gedeckt. Ägypten Der Krankenwagen kommt häufig viel zu spät. In der Regel fährt man deshalb privat oder mit dem Taxi zu einer günstigen Privatklinik. Die Behandlung beim Arzt kostet 16 Euro. Ein Klinikbett, etwa bei Komplikationen, kostet 42 Euro pro Tag, das Monatsgehalt einer Verkäuferin. Chirurgische Eingriffe sind für die meisten Ägypter nahezu unbezahlbar. Teure Privatkliniken haben europäische Preise. Staatliche Kliniken haben einen schlechten Ruf wegen langer Wartezeiten und Schlendrian. Ein Armbruch kostet dort, ohne Komplikationen, acht Euro. Krankenversichert sind Staatsdiener, teilweise Privatangestellte sowie Wohlhabende. Jürgen Stryjak Afghanistan Es gibt nur in den großen Städten Krankenhäuser. Diese sind fast immer staatlich und behandeln die Patienten umsonst. Da der Staat zu wenig Geld hat, gibt es aber nicht genug Betten, Medikamente, Ärzte, Krankenwagen. Die Patienten müssen Medikamente selbst kaufen. Ein Versicherungssystem gibt es nicht. In Kabul gibt es die von einer NGO gegründete „Kabul Ambulance“, die Krankenwagen hat und Patienten umsonst transportiert. Wer nicht in der Stadt lebt, hat oft gar keinen Zugang zum Gesundheitswesen. In den Dörfern behandeln sogenannte Hakims nach traditioneller islamischer Medizin. Auf dem Dorf muss man seinen Transport selbst organisieren und ist im schlimmsten Fall tagelang auf einem Esel unterwegs in die nächste Stadt. Wer es sich leisten kann, lässt sich gar nicht in Afghanistan behandeln, sondern geht nach Pakistan oder Indien. Britta Petersen Argentinien Es gibt eine kostenlose, staatliche Grundversorgung für alle. Wer es sich leisten kann, zahlt lieber in eine private Kasse ein. Nur 35 Prozent der über 18-jährigen Argentinier vertrauen in Sachen Gesundheit auf den Staat. Ein Armbruch etwa zählt nicht als schwere Verletzung. Der Patient des öffentlichen Krankenhauses muss selbst zusehen, wie er es in die Notaufnahme schafft und dort oft lange warten. Wer über eine Gewerkschaft oder eine private Kasse versichert ist, hat für Behandlung und Transport in den meisten Fällen keine Extrakosten. Eine Privatversicherung kostet für eine vierköpfige Familie beim Deutschen Krankenhaus etwa 220 Euro monatlich. Karen Naundorf Australien Das Gesundheitssystem ist staatlich. Zwar haben fast die Hälfte aller Australier zusätzlich eine Versicherung, die ihnen zum Beispiel freie Arztwahl und diverse Extraleistungen erlaubt. Doch auch wer keinen privaten Schutz hat, wird mit einem Armbruch in einem der zahlreichen öffentlichen Krankenhäuser gratis behandelt. Die Kosten für eine Frakturoperation liegen je nach Komplikation zwischen 108 und 302 US-Dollar, diese Gebühr wird vom staatlichen Medicare übernommen. Weniger günstig ist in den meisten Bundesländern der Transport in die Klinik: Im Bundesland Neusüdwales kommt der Krankenwagen für 260 USDollar plus 2,30 pro gefahrenem Kilometer, in Victoria kostet die Ambulanzfahrt knapp 778 US-Dollar, während sie in Tasmanien umsonst ist. Queensland finanziert Krankenwagenkosten per Jahresabgabe: Jeder, ob er sie nutzt oder nicht, zahlt dort für Notfalldienste etwa 86 US-Dollar im Jahr, diese Umlage wird mit der Stromrechnung erhoben. Viele Australier wählen angesichts der hohen Kosten eine Ambulanzversicherung oder schließen sie in die Leistungen ihrer Privatversicherung mit ein. Julica Jungehülsing Brasilien In Brasilien ist nur jeder Dritte krankenversichert. Die staatliche Gesundheitsversorgung ist kostenlos – allerdings fehlen oft Ärzte, Medikamente, Krankenbetten. Wartelisten für Operationen sind manchmal so lang, dass es Patienten das Leben kostet. Als Selbstzahler wird man durch einen privaten Krankenwagen gegen Kautionszahlung von 160 Euro für eventuelle Behandlung und Versorgung mit Medikamenten abgeholt, die Abrechnung erfolgt bei Ankunft. Die Kosten nur für den Transport betragen 70 Euro, für die Datenaufnahme gegen erneute Vorauszahlung von 160 Euro, für Behandlung, Medikamente und ärztliche Untersuchung inklusive Gips 60 Euro, für das Röntgenbild 32 Euro. Christine Wollowski China Bei einer Verletzung sollte der Krankenwagen in der Region Peking innerhalb von zehn Minuten vor Ort sein. Häufig müssen Verletzte aber wegen der vielen Staus sehr viel länger warten. Nach Angaben der Behörden betragen die Kosten 2,50 Yuan pro Kilometer (circa 0,25 Euro) plus 40 Yuan (etwa 4 Euro) Gebühren. Konsultation, Röntgen, Gipsverband, Schmerzmittel und Nachsorge kosten zusammen circa 100 bis 200 Euro. Gezahlt wird sofort, in der Regel vor der Behandlung. Wer eine elektronische Karte seiner Versicherung hat, kann unter Umständen auch mit dieser zahlen. Wer versichert ist, bekommt einen Teil der Kosten erstattet. Bei teureren Versicherungen können das bis zu 75 Prozent sein. Aber gerade auf dem Land ist die Versorgung oft schlecht, die Versicherung gilt oft nur für leichte Krankheiten. Ruth Kirchner Dänemark In der Regel soll man selber in das Krankenhaus fahren, in Ausnahmefällen holt die Ambulanz den Patienten ab. Die ambulante Behandlung mit Röntgenaufnahme wird mit 1907 dänischen Kronen (256,14 Euro) berechnet, im Falle einer stationären Behandlung fallen 16731 DKK (2247,25 Euro) an. Die Kosten trägt der dänische Staat über das steuerfinanzierte Gesundheitssystem. Clemens Bomsdorf Frankreich In Frankreich ist die Mehrheit der Bevölkerung über die Securité Sociale krankenversichert. Die Securité Sociale umfasst neben der Kranken- auch die Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung. Da die Krankenversicherung nicht alle Kosten komplett trägt, haben die meisten Franzosen eine private Zusatzversicherung. Im Falle eines Armbruchs zu Hause kommt der Krankenwagen nur bei älteren oder behinderten Personen. Von allen anderen wird erwartet, dass sie sich selbst ins Krankenhaus begeben. Ausgehend von einem Bruch beider Unterarmknochen (Elle und Speiche) werden drei Krankenhaustage angesetzt. Die Gesamtkosten für Aufenthalt und Behandlung belaufen sich auf 1985 Euro. Gegipst wird nicht mehr, der Bruch wird verschraubt. Die Nachbehandlung beim Orthopäden kostet 28 Euro plus 153 Euro für zehn Behandlungen beim Krankengymnasten. Nach einem bis zwei Jahren werden die Schrauben entfernt. Der Patient bleibt dafür einen Tag im Krankenhaus. Die Gesamtkosten für diese Maßnahme belaufen sich auf 1165 Euro. Von allen beim Armbruch angefallenen Kosten trägt der Versicherte nur 163 Euro. Ein Tag im Krankenhaus und die dortige, ärztliche Behandlung kosten ihn jeweils 18 Euro. Von den externen Arzt- oder Krankengymnastikbesuchen muss der Versicherte 30 Prozent übernehmen. Barbara Markert Indien In staatlichen Kliniken ist die Behandlung grundsätzlich umsonst. Es ist lediglich eine Aufnahmegebühr von 50 Rupien (Rs) (0,80 Euro) zu entrichten. Wenn der Patient Pech hat, sind gerade keine Gipsbandagen vorhanden und er muss sie für 20 bis 30 Rs (0,50 Euro) selbst kaufen. Der Krankenwagen, den man über eine zentrale Nummer erreicht, ist umsonst. Allerdings sind die Leistungen und Zustände in staatlichen Krankenhäusern sehr schlecht. Wer es sich erlauben kann, vertraut sich deshalb einer der vielen Privatkliniken an, deren Sätze sehr unterschiedlich sind. Für die Behandlung eines gebrochenen Armes muss man etwa 8000 bis 10000 Rs rechnen (125 bis 150 Euro). Der Krankenwagen von Max Healthcare berechnet 500 Rs (7,80 Euro) für bis zu zehn Kilometer, danach für jeden weiteren Kilometer 40 Rs (0,60 Euro). Krankenversicherungen gibt es, allerdings sind diese nicht vorgeschrieben und außer für Mitarbeiter im Staatsdienst privat. Beamte zahlen jährlich zwischen 3000 und 15000 Rs für ihre Versicherung (50 bis 250 Euro). Die meisten Inder sind nicht versichert. Britta Petersen Irak Grundsätzlich ist die medizinische Versorgung im Irak kostenlos. Allerdings muss eine Aufnahmegebühr von 1000 irakischen Dinar (etwa 0,80 Euro) bezahlt werden. Röntgenaufnahmen kosten ebenso viel. Bei einem Armbruch geht man zuerst zu einer Notaufnahme, die entweder direkt an ein Krankenhaus angebunden ist oder eigenständig existiert. Einfache Knochenbrüche werden in der Regel direkt vor Ort behandelt. Ein Arztbesuch in einer Privatpraxis kostet in der Regel 15000 irakische Dinar, etwa zehn Euro. Da der Irak in den neunziger Jahren von dem Embargo und danach durch den Terror erheblich gelitten hat, liegt das Gesundheitssystem am Boden. Lange Jahre konnten nur Privatkliniken notwendige Medikamente auf dem Schwarzmarkt kaufen. Birgit Svensson Japan Das Gesundheitssystem in Japan ist staatlich. Es gibt eine „social insurance“ für alle Arbeitnehmer und eine „national insurance“ für Arbeitslose. Arbeitnehmer müssen monatlich etwa 3,3 Prozent ihres Einkommens in die „social insurance“ zahlen. Die Krankenversicherung deckt grundsätzlich 70 Prozent aller Arzt- und Behandlungskosten, 30 Prozent muss der Patient aufbringen. Bei einem Unfall kommt der Krankenwagen sofort. Der Transport ist kostenlos. Die Behandlung eines Armbruchs (inklusive Röntgen) kostet den Versicherten in einer normalen Arztpraxis 4000 bis 5000 Yen (33 bis 41 Euro). Wer keine japanische Krankenversicherung hat, muss mit Kosten zwischen 20000 und 30000 Yen rechnen. In einem Krankenhaus oder einer Uniklinik kostet die Versorgung eines Armbruchs einen Selbstanteil von 10000 bis 15000 Yen (82 bis 123 Euro). Nichtversicherte müssen zwischen 30000 und 40000 Yen (246 bis 328 Euro) zahlen. Hilja Müller Kasachstan Das Gesundheitssystem ist staatlich. Das Personal des Notfallwagens erwartet jedoch eine Dankbarkeitsprämie in Höhe zwischen drei und sechs US-Dollar, im Krankenhaus liegt diese Erwartung zwischen 14 und 34 USDollar. Zusätzlich gibt es einen privaten Krankenwagendienst, der 65 US-Dollar kostet, dafür aber zügig zum Unfallort fährt. Im Privatkrankenhaus kostet eine Armbruchbehandlung zwischen 80 und 135 USDollar. Marcus Bensmann Kenia Wer sich in Kenia den Arm bricht, der muss zum Krankenhaus ein Taxi nehmen oder zu Fuß gehen, oft mehrere Stunden lang. Krankenwagen gibt es nur für Kunden teurer Privatversicherungen ab 250 Euro im Monat (der Mindestlohn beträgt 50 Euro). Noch vor der Behandlung muss bezahlt werden: etwa 2000 Euro im Kenyatta National Hospital, knapp 30 Euro in der staatlichen Krankenstation. Dort muss man allerdings fast immer Verbandsmaterial selber mitbringen. Auch Betäubungsmittel fehlen häufig. Eine staatliche Krankenversicherung gibt es in Kenia nicht. Der Staat verspricht zwar kostenlose Behandlungen, doch kann er seine Ärzte oftmals nicht bezahlen. Viele Krankenstationen stehen deshalb leer. Marc Engelhardt Niederlande Das duale System von privaten und gesetzlichen Kassen wurde in den Niederlanden im Jahr 2006 abgeschafft und stattdessen eine Mischform aus Bürgerversicherung mit Kopfpauschalenprinzip eingeführt: Alle bei einer Gesellschaft Versicherten zahlen nun den gleichen Satz – egal, wie alt oder gesund sie sind. Diese Basisversicherung deckt das Notwendigste ab: Arztkosten, Krankenhausbehandlung, bestimmte Medikamente. Das ist die Grundversorgung. Für alles andere, zum Beispiel Physiotherapie, aber auch Zahnarzt, müssen die Niederländer Zusatzversicherungen abschließen und extra zahlen. Die Grundversorgung kostet je nach Gesellschaft um die 1100 Euro pro Jahr. Kerstin Schweighöfer Schweiz Jeder Schweizer muss die sogenannte Grundversicherung abschließen, die eine Grundversorgung und damit auch einen Armbruch abdeckt. Die Versorgung eines einfachen Armbruchs mit Schiene, Röntgen, Labor und Material kostet rund CHF 350 (240 Euro). Ein komplexer Bruch mit Stahlplatte, Röntgen, Verband, sonstige Betreuung, Material und Materialentfernung wird stationär behandelt und kostet mindestens CHF 700 (480 Euro). Nur die Hälfte der stationären Kosten gehen zulasten der Grundversicherung, da der Staat die Infrastruktur der öffentlichen Spitäler separat mit Steuergeldern bezahlt. Fred David Spanien Der Staat finanziert das öffentliche Gesundheitssystem aus den Steuereinnahmen. 2010 werden dafür pro Kopf im Länderdurchschnitt 1343 Euro aufgewendet. Zusätzlich kann man eine private Krankenversicherung abschließen. Deren Monatsbeitrag liegt für eine 40-jährige Frau bei etwa 85 Euro, Männer im gleichen Alter zahlen 50 Euro. Im Fall eines Armbruchs entscheiden die Notfalldienste (Privatversicherer unterhalten eigene Hotlines), ob ein Transport im Krankenwagen nötig ist. In einer Privatklinik in Barcelona wird die einfache Armbruchbehandlung ohne Eingriff mit durchschnittlich 250 Euro berechnet, Operationen ohne Implantate kosten zwischen 6500 und 10000 Euro. Merten Worthmann Turkmenistan Das Gesundheitssystem ist staatlich. Der turkmenische Staat, der keinerlei bürgerliche Freiheiten zulässt, subventioniert die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung. Auch das Gesundheitssystem ist für den Bürger umsonst. Turkmenistan unterhält eine moderne Herzklinik in Aschgabat, die von Siemens errichtet wurde. Für den Krankentransport erwartet das Personal dennoch eine Dankbarkeitsprämie von fünf USDollar, für die Behandlung im Krankenhaus und einen Gips sind um die 50 USDollar fällig und ein Tag im Krankenhaus kostet um die fünf USDollar. Marcus Bensmann USA Der Transport zum Krankenhaus ist kostenlos mit einem Rettungswagen über den lokalen Notfalldienst. Gemäß den Zahlen des Staates Maryland kostet eine Unterarmbruchoperation in einem Krankenhaus, das in einem Ballungsraum angesiedelt ist, durchschnittlich 16729 USDollar (männlicher Patient) beziehungsweise 12875 USDollar (weiblicher Patient). Die Kosten werden dem Patienten nach der Behandlung in Rechnung gestellt. Eine Pflichtversicherung besteht nicht. Renzo Ruf

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.