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Kommt die Stechuhr in Zukunft einen Tag weniger in der Woche zur Anwendung? / dpa

Forderung nach Vier-Tage-Woche - „Für keine Branche sinnvoll“

Wegen der Wirtschaftskrise fordern Gewerkschaften die Einführung der Vier-Tage-Woche. Der Arbeitsmarktexperte Enzo Weber dagegen kann der Forderung nichts abgewinnen. Im Interview mit „Cicero“ sagt er, womit den Beschäftigten und Unternehmen tatsächlich geholfen wäre.

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber, Jahrgang 1980, ist seit 2011 als Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg tätig und zudem Lehrstuhlinhaber an der Universität Regensburg.

Herr Prof. Weber, die IG Metall macht sich derzeit für eine Vier-Tage-Woche stark und stößt damit auf offene Ohren bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Man kennt solche Vorstöße aus den 1990er Jahren. Warum kommen sie jetzt wieder auf die Agenda?
Arbeitszeitverkürzung an sich ist ja eine Forderung, die schon lange vorgebracht wird, nicht nur in Rezessionszeiten, aber eben besonders dann. Weil in einer Rezession nämlich der Arbeitskräftebedarf aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche sinkt und zusätzlich noch ein struktureller Wandel absehbar ist – und also davon auszugehen ist, dass bestimmte Jobs in bestimmten Branchen weniger gebraucht werden. In solchen Situationen ist der Gedanke naheliegend, die verbleibende Arbeit auf alle Schultern zu verteilen.

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helmut armbruster | Sa., 22. August 2020 - 17:27

und diese quält den Menschen genau so wie Not und Entbehrung.
Bei nur 4 Arbeitstagen hat der Mensch 3 Tage in der Woche frei.
Die Frage ist, was fängt er an mit so viel Freizeit? Und braucht er sie überhaupt um sich von der Arbeit erholen zu können.
Ich gehe wahrscheinlich nicht fehl in der Annahme, dass die meisten Menschen mit ihrer Freizeit nichts Sinnvolles anzufangen wissen. Und ich glaube auch, dass 2 Tage pro Woche - plus 30 Ferientage pro Jahr - mehr als genügen um sich von der Arbeit zu erholen.
So gesehen ist es aus meiner Sicht falsch auf immer weniger Arbeiten zu setzen. Im Gegenteil, der Mensch braucht die Arbeit und so lange diese nicht in Schinderei ausartet tut sie ihm nur gut.

Tomas Poth | Sa., 22. August 2020 - 17:55

... oder auch Lohnstückkosten. Wenn wir in dieser Denke verfangen bleiben kommen wir nicht aus der Tretmühle des Konsumismus raus.
Schon Keynes wollte die Steigerung der Produktivität für Freizeit, für die Muße des Menschen verwendet sehen und nicht für die Drehzahlerhöhung des Wirtschaftens!
Zur Besinnung empfehle ich das Buch ‚Wieviel ist Genug‘ von den Skidelskys.
Der Mensch und seine essenziellen Bedürfnisse müssen im Mittelpunkt stehen und nicht die Spekulationen auf Rendite und schnellen Geldzuwachs, für den das Kapitals-Prekariat in die Tretmühle gedrängt wird.

Klaus Peitzmeier | Sa., 22. August 2020 - 18:46

in Griechenland gemacht.
Gegen eine 4-Tage Woche bei vollem Lohnverzicht u auf freiwilliger Basis ist nur wenig einzuwenden. Das nennt man auch Solidarität. Die Linken verstehen unter Solidarität aber, solidarisch weniger arbeiten u mehr Geld aus den Unternehmen rausholen. "Scheiß" auf Produktivität, das Geld kommt doch eh aus dem Schlitz des Bankautomaten. Hört sich schlicht an. Ist es auch. Daß Hubertus Heil zu den Unterstützern zählt, wundert keinen. Im Verteilen von Wohltaten steht er immer in der ersten Reihe. Nur mit der Finanzierung hapert`s. Man könnte glauben, Heil ist Grieche. Die haben auch immer Wohltaten verteilt u sich um die Finanzierung u Wettbewerbsfähigkeit nicht gekümmert. Ergebnis ist bekannt.
EU zahlt. Aber wer zahlt bei uns?

Es ist schwer vorstellbar, dass die Unternehmen die Verluste durch die Coronakrise dadurch aufholen können, indem die Mitarbeiter weniger arbeiten aber genausoviel verdienen wie vorher. Eher wird es wohl so sein, dass die Belastungen (Coronakrise, Energiepolitik, Klimaschutzabgaben, geplantes Lieferkettengesetz) für die Unternehmen in Deutschland steigen und die verfügbaren Einkommen sinken werden. Die Unternehmen werden die Kosten wohl an die Verbraucher weitergeben oder gleich ins billigere Ausland gehen.
Übrigens, wovon die Linken wirklich etwas verstehen, ist, wie man ein Geschäft vernichtet. Jeder sozialistische Staat ist bisher aus wirtschaftlichen Gründen kollabiert. Letzten Endes werden wir immer weniger Nettosteuerzahler bzw. eine immer höhere Steuerlast haben.

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 22. August 2020 - 18:59

Viel Theorie in diesem Interview mit dem Prof. Weber. Leider wird manches aus der Praxis nicht erwähnt. Nicht jeder Mensch lässt sich Jahre nach dem Schulende zum IT-Fachmann (oder Anwender) ausbilden und Industriearbeitsplätze schaffen oft auch für Menschen ohne Schulabschluss ein auskömmliches Entgelt. Diese Arbeitsplätze stehen jedoch im internationalen Wettbewerb. Der Produktivitätsfortschritt war in D in den letzten Jahren allerdings gering. Das führt zu Arbeitsplatzverlusten. Durch die Digitalisierung lassen sich nur anspruchsvolle Arbeitsplätze (oft mit entspr. Vorbildung) realisieren.
Arbeitszeitreduzierung führt entweder zu schlechterer Maschinenauslastung (Stückkosten hoch) oder zu hohem Verwaltungsaufwand (Anwesenheitsplanung). In den Büros wird die Teilzeit insbesondere in Leitungsfunktionen problematisch (2 Chefs, 2 Meinungen), Arbeitszeitreduzierung (für d. Familie) und Karriere gehen schlecht zusammen.
Es bleibt dabei: Arbeit ist schlecht für die Work-Life-Balance.

z.B. krank feiern. Ja, krank feiern, es ist eine verbreitete Methode Urlaub und Freizeit zu vergrößern, auch wenn es das laut offiziellen Sprachgebrauch gar nicht gibt.
Ein Beispiel: Ich weiß von einem regionalen Abfall- und Recycling-Unternehmen, das in 2019 unter seinen LKW-Fahrern und Ladern einen Ø Krankenstand von 44 Tagen pro Jahr registrieren musste.
Diese Fahrer und Lader arbeiteten also tatsächlich nur 176 Tage pro Jahr
(365 Kalendertage abzüglich 52 Samstagen, 52 Sonntagen,11 gesetzlichen Feiertagen, 30 Urlaubstagen und 44 Krankheitstagen).
Also insgesamt mehr Nicht-Arbeitstage (189 Tage) als Arbeitstage (176 Tage).
Eine verblüffende Zahl!!!

Bernd Muhlack | Sa., 22. August 2020 - 19:41

Vorab: wer seinen (viel zu kleinen) Schutzhelm so trägt wie dieser "fleißig und hart arbeitende Mensch im Lande" wird bei einem Unfall massive Probleme mit der Berufsgenossenschaft bekommen - by worst-case droht statt einer 4-Tage gar die 0-Tage-Woche!

Ist das noch Sommerloch oder eine weitere Abart der C-19-Hysterie?

4-Tage-Woche, mindestens 30 Tage Urlaub, Urlaubs-/Weihnachtsgeld, Fortbildungsurlaub, relaxing-zones, chill out areas.
Wer will nochmal, wer hat noch nicht?

Zwei "Dörfer" weiter ist ein mittelständisches IT-Unternehmen, etwa 400 Mitarbeiter aus vieler Herren Länder.
Entwicklung und Implementierung von Business-Software für mittelständische Unternehmen, weltweit.
Quasi ein SAP en miniature.
Ja, dort ist "das" möglich, finanzierbar.
Hoch qualifiziertes, flexibles Personal.

Mehr Freizeit für alle zum sozialem Engagement und Wahlrecht ab 16?
Das klingt sehr koboldig!

Spätestens nach der Wahl 2021 wird es ein böses Erwachen geben!
Ja wie, die §§ 15 ff InsO gelten wieder?

Yvonne Walden | So., 23. August 2020 - 10:14

Antwort auf von Bernd Muhlack

Stellt sich die Frage, welche "politische Richtung" Professor Enzo Weber vertritt? Nach allem, was er zur regulären Verkürzung der Wochenarbeitszeit äußert, dürfte er sich der neoliberalen Denkschule zugehörig fühlen.
"Neoliberalismus" steht eigentlich für "Kapitalismus", also dafür, daß Löhne und Gehälter immer nur Kostenfaktoren sind und bleiben, Beschäftigte unterhalb von Vorstands- und Leitungsebenen also keine Beteiligung am Unternehmensgewinn erhalten sollen.
Die "soziale Denkrichtung" (Demokratischer Sozialismus) steht dafür, alle gerecht und angemessen am Unternehmensgewinn zu beteiligen und durch Steuern und Abgaben staatliche Stellen zu stärken (etwa Schulen, Kindertagesstätten, Altenheime und so weiter).
Die "kapitalistische Denkschule" scheut eine 4-Tage-Woche wie der Teufel das Weihwasser. Mehr gibt es hierzu aus meiner Sicht nicht zu schreiben...

Bernhard Jasper | So., 23. August 2020 - 10:18

Antwort auf von Bernd Muhlack

Nicht nur werden immer neue Berufe entstehen, sondern vor allem auch neue Arbeitsstrukturen bringt das Land gegenwärtig hervor. Man denke nur an das aus der Not geborene „Home-Office“ oder ein „Home-Based-Business“. Der gesellschaftliche Wandel (der alle Lebensbereiche betriff), wird auch neue nachhaltige Arbeitszeitmodelle hervorbringen.

Dieser Transformationsprozess soll allerdings nicht eine selbstausbeuterische Arbeitsweise sein („Freelancer“, die zu „Dumping“ mehreren Unternehmen gleichzeitig ihre Arbeitskraft, Intelligenz und Kreativität zur Verfügung stellen, oder bestimmte menschenverachtende „Werkverträge“), sondern nachhaltige Arbeitszeitmodelle, ob als Angestellter oder Unternehmer.

Die Arbeitssicherheit in der täglichen Praxis und in der Zukunft bleibt das Thema Nummer 1 für eine Gesellschaft in der zwei epochale Veränderungen bereits eingetreten sind- die Individualisierung und die Globalisierung, auch hervorgerufen durch den technisch digitalen Vortrieb.

Charlotte Basler | So., 23. August 2020 - 16:16

Antwort auf von Bernd Muhlack

Sollten Sie sich schützen lassen. In der Tat wird in Zukunft eher hochqualifiziertes Personal gebraucht. Andere werden auf der Strecke bleiben. So hat einer meiner Kunden bereits seine innerbetrieblichen Transporte automatisiert. Fahrer werden eingespart. Trotzdem ist die evangelische Kirchenelite mit dem Schiff unterwegs, um Nachschub für prekäre Jobs zu holen. Und aus den Bordlautsprechern tönen die Dire Straits mit ihrem unvergesslichen money fort nolting and chicks for free..... Auch das ist irgendwie koboldig. Salute

Michael Andreas | So., 23. August 2020 - 01:02

"Häufig ist zu hören, durch den technologischen Wandel würde der Bedarf an Arbeit insgesamt zurückgehen."
Offensichtlich wurde die Frage im lebendeigen Gespräch deutlich anders gestellt als hier hingeschrieben, sie ergibt sprachlich und inhaltlich so ja kaum einen Sinn. Könnten Sie das eventuell in einen sinnvollen Satz überführen.

Maria Arenz | So., 23. August 2020 - 09:51

ja , aber was der Preis dafür ist, wird sich halt erst zeigen, wenn auch der Wahlkampf 2021 vorüber ist und die Unterstützung der Corona-Zombie- Wirtschaft aufhört. Zeigen wird sich dann auch, wieviel der jetzt in's deutsche home Office ausgelagerten Arbeit auf Nimmer -Wiedersehen in die Cloud verschwindet, wo sich Anbieter aus aller-billigeren-Herren Länder darum bewerben dürfen. Weder unser Arbeitsminister noch die Gewerkschaften scheinen dieses Risiko bisher auf dem Radar zu haben, sonderne erfreuen sich und das geneigte Publikum noch eien Weile mit Wunschträumen vom 4 Tage-Schlaraffenland. Die aus dieser Kurzsichtigkeit in sehr absehbarer Zukunft zu erwartenden Schauerstatistiken bez. Arbeitslosenzahlen, Steueraufkommen und Defizite unserer Sozialkassen kann ich mir aber schon sehr gut vorstellen.