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() Der Komet kommt! Abschiedsgruss aus dem Jahre 1907
Untergänge, die untergehen

Waldsterben, Ozonloch, Tschernobyl: Im letzten Viertel des 20.Jahrhunderts prägten allerhand Urängste den Zeitgeist. Das Ende der Welt schien unmittelbar bevorzustehen. Was wurde eigentlich aus den Apokalypsen von gestern?

Lesen Sie auch: Cicero-Dossier: Rohstoffe Wir haben unsere Umwelt ja jetzt schon so gut wie vernichtet.“ „Es wird sicher keine gute Zukunft geben.“ „Nichts als Müll und Abgase.“ Solche düsteren Erwartungen beherrschen auf 143 Seiten die Texte und Bilder eines Buchs aus den achtziger Jahren. Titel: „So soll die Welt nicht werden – Kinder schreiben über ihre Zukunft.“ Wer in den achtziger Jahren jugendlich war, musste sehr stark sein, um nicht depressiv zu werden. Denn der Weltuntergang stand unmittelbar bevor. Da waren sich Zeitungen und Fernsehen, Pfarrer und Lehrer einig. In den Schulen wurde Gudrun Pausewang gelesen. Pausewang, dieser Name hat für die heute 30- bis 40-Jährigen immer noch einen besonderen Klang. Die Lehrerin und Kinderbuchautorin aus dem hessischen Schlitz war der Zeitgeist in Person. Ihre Bücher gehörten in den Achtzigern zur Schule wie der Diercke-Weltatlas. Sie handelten vom baldigen Atomtod und der verseuchten Umwelt. Alles darin war schlimm und wurde immer schlimmer. Überbevölkerung Das apokalyptische Denken fiel in Deutschland auf besonders fruchtbaren Boden, doch es waren zwei amerikanische Autoren, die den Ton für das letzte Viertel des 20.Jahrhunderts setzten. Paul Ehrlichs „Die Bevölkerungsbombe“ aus dem Jahr 1968 und Dennis Meadows’ „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972. Ehrlich prophezeite, die Welt werde schon bald an Überbevölkerung zugrunde gehen. Hungersnöte würden auch in den westlichen Industrieländern ausbrechen. „Mehr als dreieinhalb Milliarden Menschen bevölkern bereits unseren sterbenden Planeten – und etwa die Hälfte von ihnen wird verhungern“, sagte Ehrlich voraus. Doch es kam ganz anders. Die Menschheit hat sich auf sechseinhalb Milliarden verdoppelt, doch die Zahl der Unterernährten ist in etwa gleich geblieben, sie liegt immer noch bei etwa 850 Millionen. Es ist natürlich traurig, dass überhaupt noch jemand hungert, aber bei dem rasanten Bevölkerungswachstum hätte es nach Ehrlichs Prognose, die damals fast jeder glaubte, sehr viel schlimmer kommen müssen. Akute Hungersnöte aus Nahrungsmangel gibt es seit Jahrzehnten überhaupt nicht mehr. Wenn in jüngster Zeit noch irgendwo Menschen verhungern, dann aus politischen Gründen. Weil sie durch Bürgerkriege oder skrupellose Tyrannen von den Nahrungsmitteln abgeschnitten werden. Durch wissenschaftlichen Fortschritt in der Landwirtschaft wurde der Ertrag pro Hektar in fünfzig Jahren verdreifacht. Ein Erfolg, von dem Ehrlich nichts wusste, obwohl die Revolution der Agrartechnik schon im Gange war, als sein Buch zum Weltbestseller wurde. Um das Gespenst der Überbevölkerung ist es stiller geworden, seit die UN-Experten davon ausgehen, dass etwa im Jahr 2050 das Wachstum der Menschheit enden wird und sich die globale Population irgendwo zwischen neun und zehn Milliarden einpendelt. Frauenrechte, wachsender Wohlstand und bessere Verhütungsmittel haben dazu geführt, dass sich die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau seit Ehrlichs Untergangsprognose halbiert hat. Schwindende Ressourcen Auch Dennis Meadows läutete die Totenglocken des Planeten. Allerdings war sein Thema weniger die Überbevölkerung als das Schwinden jeglicher Ressourcen, allen voran des Öls. „Es wird dann in den zuerst betroffenen Regionen wie etwa Indien zu Milliarden Toten kommen“, sagte er voraus. Meadows und sein Auftraggeber, der Club of Rome, wurden durch den Report „Die Grenzen des Wachstums“ schlagartig weltberühmt. Das Buch erreichte eine Auflage von zwölf Millionen und wurde in 37 Sprachen übersetzt. Club-Mitglied Eduard Pestel, der spätere Wissenschaftsminister von Niedersachsen (CDU), machte bei der Volkswagenstiftung eine Million ­D-Mark locker, damit Meadows und sein Team vom Massachusetts Institute of Technology mit den damals leistungsfähigsten Computern die Zukunft berechnen konnten. Ihre Studie sagte ein globales Desaster voraus, das schon bis zur Jahrtausendwende eintreten werde. Alle wichtigen Rohstoffe würden ausgehen oder extrem knapp und teuer werden. Außerdem werde die Menschheit an Überbevölkerung, Nahrungsmangel und Umweltverschmutzung zugrunde gehen. Das Gegenteil trat ein: Bis zum Jahr 2000 fielen die Preise fast aller wichtigen Ressourcen, und sie waren reichlich vorhanden. In den Industrienationen wurde die Umweltverschmutzung heftig reduziert. Das Bevölkerungswachstum verlangsamte sich. Meadows und der Club of Rome empfahlen, die Industrieproduktion auf dem Stand der siebziger Jahre anzuhalten, um einen Zustand weltweiten Gleichgewichts herzustellen. Heute ist klar: Nicht Wohlstand, sondern Armut zerstört die Umwelt. Überall auf der Welt, wo durch Wirtschaftswachstum die materielle Not überwunden wurde, ist die Umwelt heute sauberer und die Natur besser geschützt. Dass die Modelle des Club of Rome von der Wirklichkeit widerlegt wurden, lag daran, dass die Grundannahmen, von denen man ausging, sich viel schneller änderten als gedacht. Meadows hatte die positiven Folgen des technischen Fortschritts bei weitem unterschätzt. Computer erhöhten in fast allen Industrien die Effizienz, dadurch reduzierte sich der Rohstoff- und Energieverbrauch. Doch ein Eingeständnis, dass man falsch gelegen hatte, kam nie, auch keine Revision der Prognosemethoden. 1974 folgte die zweite Studie des Clubs: „Menschheit am Scheideweg“. Autoren waren Eduard Pestel, der wiederum bei VW das Geld besorgt hatte, und der Mathematiker Mihailo Mesarovic von der Universität Cleveland. Der zweite Report wurde als gemäßigt im Vergleich mit Meadows’ Werk angekündigt, strotzte jedoch ebenfalls von apokalyptischer Prosa. So sagten die beiden Verfasser eine Milliarde Hungertote in Südasien voraus. Die asiatische Mega-Hungerkatastrophe sollte in den achtziger Jahren beginnen und im Jahr 2010 ihre Höhepunkt erreichen: „Für diese Art langsamer, unerbittlicher Zerstörung der Bevölkerung einer ganzen Weltregion gibt es keinen historischen Präzedenzfall.“ Doch statt wie angekündigt zu verhungern, nahmen die Asiaten lieber ihren ehemaligen Kolonialherren die Märkte ab und setzten auf Wirtschaftswachstum. Gemäß Club of Rome der völlig falsche Weg. Es gab damals auch skeptische Experten, deren Prognosen vorsichtiger und besser begründet waren. Doch sie wurden kaum gehört. Die Untergangspropheten blieben die Medienstars, selbst nachdem sich ihre Prophezeiungen als falsch erwiesen hatten. Und die Realisten blieben stets die Aschenputtel. Paul Ehrlich, Dennis Meadows und andere, die sich bis auf die Knochen blamierten, sind bis heute als Experten hoch angesehen, werden auf Podien und in Talkrunden gefeiert. Aber wer kann sich noch an Julian Simon erinnern? Der amerikanische Ökonom hatte dem Katastrophisten widersprochen und lag mit seinen Voraussagen ziemlich richtig. 1980 hat er Ehrlich zu einem zehnjährigen Wettvertrag überredet. Es ging um fünf Edelmetalle, von denen Ehrlich behauptet hatte, sie würden immer knapper und teurer. 1990 waren die Preise inflationsbereinigt um rund die Hälfte gesunken. Ehrlich musste zahlen. Umweltverschmutzung Gegen Ende der siebziger Jahre waren die Fehlprognosen zu Überbevölkerung und Ressourcenmangel bereits Konsens. Die öffentliche Erregung lechzte nach neuem Stoff. Die Umweltverschmutzung rückte in den Fokus. Ganz zu Recht, denn Luft und Gewässer waren durch Schadstoffe schwer belastet. Auch im menschlichen Blut und in der Muttermilch wurden besorgniserregende Giftmengen gemessen. Chemieunfälle ruinierten die Glaubwürdigkeit der Industrie. Zwar lag damals der Höhepunkt der Verschmutzung schon über ein Jahrzehnt zurück, und die ersten Umweltgesetze begannen zu greifen. Doch im öffentlichen Bewusstsein war es noch nie so schlimm gewesen. Die Belastung der Atemluft hatte einen Namen, den bald jeder kannte: Smog. Das Wort kam aus dem Englischen und war eine Kombination von „fog“, Nebel, und „smoke“, Rauch. Im Winter 1952/53 hatte der Londoner Smog monatelang die Atemluft verpestet. Etwa 12000 Menschen starben daran, was in Großbritannien zu einem neuen Gesetz namens „Clean Air Act“ führte, durch das die Luft nachhaltig verbessert wurde. Zu Smog kam es auch immer wieder in deutschen Städten, insbesondere im Winter bei Windstille, wenn die Kombination aus Industriequalm, Autoabgasen und dem Rauch aus den damals noch verbreiteten Kohleöfen immer dicker wurde. Im Januar 1979 wurde der erste Smogalarm der Stufe 1 im Ruhrgebiet ausgelöst. Bereits 1962 waren dort 156 Menschen bei einer extremen Smogwetterlage durch Schwefeldioxid- und Staubbelastung gestorben. 1972 sorgte der Fernsehfilm „Smog“ für große Aufregung. Drehbuchautor Wolfgang Menge und Regisseur Wolfgang Petersen zeigten im Stil einer aktuellen Fernseh-Sondersendung, wie Menschen reihenweise an Luftverschmutzung zugrunde gehen. Durch Filtertechnologie und effizientere Verbrennungsprozesse in Fabriken und Kraftwerken, durch abgasarme Automotoren und das Aussterben der Kohleöfen wurde die Smoggefahr gebannt und das Thema vergessen. Waldsterben Die Reiter der Apokalypse wandten sich einem neuen Desaster zu: dem Waldsterben. In Deutschland wurde Waldsterben zum alles beherrschenden Thema. Der prominente Naturschutzaktivist Hubert Weinzierl behauptete: „Das Sterben der Wälder wird unsere Länder stärker verändern als der Zweite Weltkrieg.“ „Der deutsche Wald stirbt“, erklärte die Süddeutsche Zeitung. „Wissenschaftler zweifeln, ob auch nur fünf Jahre Zeit bleibt, dies zu verhindern.“ „Wir stehen vor einem ökologischen Hiroschima“, resümierte Der Spiegel. Und Die Zeit kommentierte: „An der Diagnose gibt es nichts mehr zu deuteln. Fünfzig Prozent der bundesdeutschen Wälder sind geschädigt.“ Am Ausmaß des Waldsterbens „könnte heute nicht einmal der ungläubige Thomas zweifeln, allenfalls ein Ignorant.“ Botaniker und Forstwissenschaftler, die diese Diagnose nicht teilten, wurden ignoriert. Oft auch als von der Industrie gekaufte Schönredner diffamiert. Richtig war, dass es in einigen Regionen zu großflächigen Waldschäden gekommen war. Viele Millionen D-Mark Forschungsgelder wurden ausgegeben, doch die Ursachen blieben unklar. Forsthistoriker wiesen darauf hin, dass es in früheren Jahrhunderten immer wieder zu unerklärlichem Baumsterben gekommen war. Weitgehend Konsens ist heute, dass zumindest im Erzgebirge und im Fichtelgebirge Schwefeldioxid aus Braunkohlekraftwerken die Hauptursache war. Der Schadstoff ging als saurer Regen auf die Wälder nieder. Mit neuen Gesetzen verfügte die Bundesregierung, dass der Rauch der Kraftwerke gereinigt werden musste. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurden auch die tschechischen Kraftwerke technisch erneuert, und die Wälder erholten sich wieder. Ein umfassendes Absterben des deutschen Waldes, an das in den frühen achtziger Jahren fast jeder glaubte, drohte jedoch nie. In den neunziger Jahren erklärten Forstwissenschaftler der erstaunten Öffentlichkeit, dass der deutsche Wald auch zur Zeit der größten Waldsterbenshysterie zugenommen hatte. Und zwar wuchsen sowohl die Waldfläche als auch die Dichte der Wälder. 2005 gab das Statistische Bundesamt bekannt, dass die Waldgebiete in Deutschland pro Jahr um 160 Quadratkilometer zunehmen und nunmehr 30 Prozent der Landesfläche bedecken. Radioaktive Verstrahlung Kaum war es um das Waldsterben etwas stiller geworden, wurde die Nation von einer Reaktorkatastrophe in der Ukraine erschüttert, die nirgends so viel apokalyptischen Schrecken auslöste wie in Deutschland – selbst im Land des Unfalls nicht. Tschernobyl wurde zum Synonym für das nackte Grauen, für eine Katastrophe, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Anti-Atom-Aktivisten sagten eine dramatische Zunahme von Krebs und Missbildungen in Deutschland voraus. Fernsehen, Radio und Zeitungen berichteten einhellig, die Reaktorkatastrophe hätte zum Tod mehrerer Hunderttausend Menschen geführt. 2006, zwanzig Jahre nach dem Reaktorunfall, legten die UN-Behörden, die die Folgen in den drei betroffenen Ländern, Weißrussland, Russland und Ukraine über viele Jahre intensiv untersuchten, einen umfangreichen Bericht vor. Beteiligt waren unter anderem die IAEA (Internationale Atomenergieorganisation), die WHO (Weltgesundheitsorganisation), UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) und Unicef (Kinderhilfswerk der vereinten Nationen). Fazit der UN-Untersuchung: Beim Reaktorunfall kamen 47 Helfer der Aufräumtruppe durch tödliche Strahlendosen um. Rund 4000 Kinder aus der Umgebung erkrankten durch das entwichene Jod 131 an Schilddrüsenkrebs. Davon starben neun, da diese Krankheit heute gut heilbar ist. Statistisch soll die Zahl zusätzlicher Krebsfälle in den nächsten Jahrzehnten circa 4000 betragen. Das könne jedoch nicht konkret festgestellt werden, da der Krebs seine Ursache nicht verrät. Dies alles ist ein schreckliches Unglück, liegt aber bei weitem unter den in Deutschland prognostizierten Zahlen. Die von der UN ermittelten Fälle sind erschütternd, belegen jedoch nicht, dass die Dimension des Tschernobyl-Desasters alle anderen großen Technikkatastrophen übersteigt. Die Gesundheitsstatistik in Deutschland weist weder bei Krebs noch bei Missbildungen erhöhte Werte auf, die mit der Reaktorkatastrophe zu tun haben könnten. Ozonloch Nach Tschernobyl kam das Ozonloch. Ein Schild aus Ozon schützt die Erdoberfläche und alles, was auf ihr lebt, vor zu starker ultravioletter Sonneneinstrahlung. Ohne diese Schicht wäre das Leben auf der Erde kaum erträglich. Menschen und Tiere würden erblinden, und Hautkrebs wäre eine Seuche. Ozonschädigende Gase sammeln sich in der Stratosphäre und setzen dort Chloratome frei. Ausgelöst vom Sonnenlicht zerstören diese Chloratome in einem sich selbst verstärkenden Prozess das Ozon. Die Hauptübeltäter, die FCKW, waren bis zu ihrem Verbot ein beliebtes Treib- und Kühlmittel. Nach der Entdeckung des Ozonlochs und seiner vermutlichen Verursacher wurden Spraydosen (die zumeist FCKW als Treibmittel enthielten) zum internationalen Symbol der Umweltzerstörung. Das Ozonloch gibt es heute immer noch. Doch seit Jahren fallen die ex­tremen Schwankungen bei der Ausdehnung der Ozonlöcher über der Arktis und der Antarktis auf. Die Ausdünnung der Schutzschicht variiert heftig. Mal berichten die Zeitungen, dass sich das Montreal-Protokoll (durch das FCKW und andere die Ozonschicht schädigende Gase verboten wurden) bereits auswirkt, dann werden wieder neue Größenrekorde gemeldet. Im Jahr 2006 war die Lücke in der Schutzschicht über der Antarktis so groß wie noch nie: 27,5 Millionen Quadratkilometer, größer als die Fläche Nordamerikas. Wissenschaftler erklären die unterschiedliche Ausdehnung des Ozonlochs mit den Temperaturschwankungen in der Stratosphäre. Sehr kalte Winter bringen große Ozonlöcher, denn bei extremer Kälte, unter minus 78 Grad, zerfällt das Ozon schneller, als es regeneriert wird. Auf längere Sicht ist die Mehrzahl der Experten optimistisch. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werden die Ozonlöcher wieder geschlossen sein. Denn seit über zehn Jahren sinkt die Konzentration der FCKW in der Atmosphäre. Klimakatastrophe Über das Ozonloch redet fast niemand mehr, denn es wurde von der Mutter aller Apokalypsen, der Klimakatastrophe, abgelöst. Die Propheten des 21.Jahrhunderts sagen uns steigende Meeresspiegel, mehr Unwetter, Hitze und Dürre voraus. Ihre Computer haben es errechnet. „Schon die jetzigen Kinder und Jugendlichen werden pausenlos Katastropheneinsätze jahraus und jahrein erleben.“ Das sagte Herbert Gruhl, CDU-Politiker und später Mitbegründer der Grünen im Jahre 1976. Möglicherweise ist es heute so wahr wie damals.

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