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Steuersünder - Die Selbstanzeige boomt

Im ersten Halbjahr 2013 haben sich so viele Steuersünder selbst angezeigt wie nie zuvor. Welche Gründe hat das?

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Schlegel, Matthias

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Einen Namen kennt man – den von Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Die Namen von 9185 anderen Steuerbetrügern nicht. Exakt so viele haben sich im ersten Halbjahr 2013 als Steuersünder selbst angezeigt – das sind so viele wie nie zuvor. Im ganzen Jahr 2012 waren es 11.824. Die meisten Selbstanzeigen wurden in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern erstattet. Berlin liegt im unteren Mittelfeld. Dass die Vermögen in Deutschland noch sehr ungleich verteilt sind, zeigt der Blick auf den Unterschied zwischen Ost und West.

Diejenigen, die nach einer Selbstanzeige dann noch die gesamte Steuerschuld plus Zinsen nachzahlen, hoffen, dass sie dadurch straffrei bleiben.

Einig sind sich die Experten, dass der Fall Hoeneß beim bundesweiten Rekord eine Rolle spielt. Denn seit dessen Selbstanzeige am 20. April bekannt wurde, gingen die Zahlen nochmals in die Höhe. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, hält eine andere Ursache für wesentlicher: „Der Anstieg der Zahlen ist die logische Konsequenz daraus, dass der Staat mit angekauften Steuer-CDs Angst gemacht hat“, sagte Holznagel dem Tagesspiegel. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass diese Daten zur Verfolgung von Steuersündern benutzt werden dürften. Holznagel hält das dennoch für „keinen guten Zustand“. „Ein wirksames Steuerabkommen mit der Schweiz wäre das richtige rechtsstaatliche Mittel gewesen“, befindet er: „Denn damit wären alle gefasst worden, nicht nur wenige.“ Deshalb fordert Holznagel, auf internationaler Ebene „Waffengleichheit“ herzustellen, wobei auch die Banken in die Pflicht genommen werden müssten. Inzwischen würden Schweizer Banken aktiv, um ihr Geld „weiß“ zu machen. Das zeige, dass der öffentliche Druck in die richtige Richtung gehe.

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Auch Manfred Lehmann, Chef der nordrhein-westfälischen Steuergewerkschaft, urteilt: „Hoeneß ist Indiz, nicht Ursache für die Selbstanzeigen, da waren viele unterwegs, weil das deutsch-schweizerische Steuerabkommen nicht zustande gekommen ist.“ Hoeneß habe dann aber etwas anderes bewirkt: „Dadurch wurden Betroffene und deren Steuerberater sensibilisiert, dass die Anzeige jeweils vollständig und fehlerfrei sein muss, seither ist die Qualität der Selbstanzeigen besser geworden“, sagt Lehmann.

Selbst einer der eifrigsten Verfechter des Ankaufs von Steuer-CDs, der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), ist noch nicht rundum zufrieden. Gut drei Milliarden Euro habe der umstrittene Ankauf von Kontodaten deutscher Steuerhinterzieher in die Kassen des Fiskus gespült. „Das hat sich ausgezahlt, aber ruhig bin ich erst, wenn wir das Problem durch einen echten Datenaustausch wirklich geregelt haben“, sagt er. Dass die Zahl der Selbstanzeigen deutlich gestiegen ist und die öffentlichen Kassen davon profitieren, genüge noch nicht. „Wir brauchen einen internationalen Informationsaustausch, der keine Schlupflöcher mehr lässt“, fordert Walter-Borjans und listet die zahlreichen Versuche verschiedener Staaten auf, die Zweifel wecken, dass die groß angekündigten Gipfelergebnisse auf europäischer Ebene den Fahndern wirklich helfen. Der Finanzminister beobachtet mit Sorge, dass sich Österreich, Luxemburg und die Schweiz im Moment mit Bedingungen gegenseitig blockieren und der eigentlich längst versprochene Datenaustausch auf absehbare Zeit nicht zustande kommt. Mal will der eine Staat die Unternehmen außen vor lassen, dann wieder sollen Auskünfte derart konditioniert werden, dass es den Ermittlern kaum helfen wird. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung ihren Worten Taten folgen lässt, im Zweifel müssen einige Länder vorpreschen“, verlangt Walter-Borjans.

Für das größte Bundesland hat sich der Ankauf von insgesamt sechs verschiedenen Datenträgern ausgezahlt. Den neun Millionen Euro für die Datenbeschaffung, die die jeweiligen Verkäufer hierzulande pauschal versteuern mussten, stehen allein in Düsseldorf insgesamt 720 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen gegenüber. Neben den fälligen Steuern mussten die jeweiligen Steuerbetrüger Strafen bezahlen, Banken wurden zu hohen Geldstrafen verurteilt und außerdem haben die Selbstanzeigen dem nordrhein-westfälischen Fiskus 450 Millionen eingebracht. „Das Geschäft mit der Angst hat sich gelohnt, deshalb war es richtig, weiterzukaufen und damit den Fahndungsdruck aufrechtzuerhalten“, sagt Walter-Borjans.

Ab einem Betrag von 50000 Euro wird bei Steuerhinterziehung laut Rechtsprechung eine Geldstrafe fällig, ab 100000 Euro droht eine Freiheitsstrafe. Ab einem Betrag von einer Million Euro halten die Gerichte Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren ohne Aussetzung zur Bewährung für angemessen. In der Politik ist die Möglichkeit der Selbstanzeige umstritten. Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dafür ist, will Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sie auf Bagatellfälle begrenzen, SPD-Chef Sigmar Gabriel sie ganz abschaffen. mit dpa

 

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