Klingbeil und Merz
Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Im neuen Bundeshaushalt ist für jeden was dabei / picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi

Staatsverschuldung und ausufernder Sozialstaat unter Schwarz-Rot - Klingbeils Werk und Merzens Beitrag

Die Hoffnung auf eine Wirtschaftswende schwindet. Bundeskanzler Friedrich Merz scheint die Wirtschaftspolitik seinem Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) zu überlassen. Dieser führt die Politik der Ampel konsequent weiter – nur mit noch viel mehr Schulden.

Thomas Mayer

Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Als sich Friedrich Merz um den Posten des Bundeskanzlers bewarb, erwarteten viele, dass der Schwerpunkt seiner Arbeit neben der Bekämpfung der irregulären Immigration im Bereich Wirtschaft und Finanzen liegen werde. Mit einer „Agenda 2030“ könnte er in die Fußstapfen Gerhard Schröders treten und die Wirtschaft wieder auf Trab bringen, so die Hoffnung. Wie Wolfgang Schäuble würde er die Schuldenbremse mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Weit gefehlt! Friedrich Merz hat sich für die Außenpolitik entschieden. Auf diesem Gebiet schlägt er im Gegensatz zu seinem irrlichternden Außenminister Johann Wadephul erfrischend neue Töne an. Doch die allgemeine Wirtschafts- und vor allem Finanzpolitik scheint er seinem Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil überlassen zu wollen. Das fing mit dem Abriss der Schuldenbremse im Koalitionsvertrag an und setzt sich nun im Haushalt 2025 und Finanzplan bis 2029 fort. Merzens Beitrag zur Wirtschafts- und Finanzpolitik scheint zu sein, Klingbeil freie Hand zu lassen.

Und der schlägt keine neuen Töne an, sondern führt die Politik der Ampel konsequent weiter. Allerdings gehebelt mit viel mehr Schulden. Gegenüber dem ersten Entwurf des Bundeshaushalts für 2025, den Christian Lindner als Finanzminister noch verantwortete, liegt die geplante Neuverschuldung mit knapp 82 Milliarden Euro um beinahe 30 Milliarden Euro höher. Als Entschuldigung dafür könnte man die Aufstockung der Investitionen von 81 Milliarden auf 115 Milliarden Euro anführen. Auch für die Bundeswehr sollen nun 62 statt 53 Milliarden aus dem Haushalt fließen. Kurzfristig sind diese Ausgaben kaum durch Umschichtungen im Haushalt für dieses Jahr zu finanzieren.

Der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird 37,8 Prozent der gesamten Ausgaben ausmachen

Nicht zu entschuldigen ist dagegen die (laut Bericht der Welt vom 25. Juni) weitere Aufstockung des Etats des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Ausgaben dort sollen um knapp 11 Milliarden Euro auf rund 190 Milliarden Euro steigen und würden damit 37,8 Prozent der gesamten Ausgaben ausmachen. Angeblich soll dieser Etat bis 2029 sogar auf 219 Milliarden Euro anwachsen. Damit dürften die Ausgaben dieses Ministeriums in der Zeit von 2024 bis 2029 mit 4,5 Prozent pro Jahr steigen und 2029 38,2 Prozent aller Ausgaben verschlingen. Das Wachstum der Sozialausgaben wäre auch deutlich höher als des nominalen Bruttoinlandsprodukts, für das man ein jährliches Wachstum von gerade mal 2,5 Prozent erwarten darf.

Eine Änderung der Ausgabenstruktur wäre jedoch dringend nötig, um den Haushalt den veränderten Bedingungen unserer Zeit dauerhaft anzupassen. Unter den Regierungen von Angela Merkel wurde der Ausbau des Sozialstaats durch Vernachlässigung von Investitionen in die Infrastruktur und Verteidigung finanziert. Das muss korrigiert werden. Aber ohne den Rückbau des Sozialstaats, des größten Ausgabenpostens im Haushalt, lassen sich höhere Ausgaben für Investitionen und Verteidigung nur durch permanent höhere Verschuldung finanzieren. Statt einer Politik des „sowohl als auch“, die zu immer höheren Schulden führt, braucht es folglich eine Politik des „entweder oder“, also die Setzung von Prioritäten bei den Staatsausgaben.

Die Schuldenquote des Staates wird von 63 Prozent des BIP im Jahr 2024 auf 75 Prozent im Jahr 2029 gehoben

Da Lars Klingbeil die politisch schmerzhafte Umstrukturierung des Haushalts scheut, vermutlich weil er sie seiner Partei kaum zumuten kann, will er sowohl die Verteidigung und die Infrastruktur stärken als auch den Sozialstaat weiter mästen. Laut mittelfristiger Finanzplanung sollen dadurch die Schulden des Bundes und der Schuldentöpfe außerhalb des Haushalts, die beschönigend „Sondervermögen“ genannt werden, bis 2029 um 847 Milliarden Euro auf mehr als 2,5 Billionen Euro steigen. Allein durch die Schuldenaufnahme des Bundes und seiner Töpfe wird die Schuldenquote des gesamten Staates (bei einem Wachstum des nominalen Bruttoinlandsprodukts von 2,5 Prozent pro Jahr) von 63 Prozent des BIP im Jahr 2024 auf 75 Prozent im Jahr 2029 gehoben. Hinzu kommen die neuen Schulden der Länder und Gemeinden. Anscheinend reicht das aber immer noch nicht. Laut Welt vom 26. Juni sollen die Ministerien bis 2029 einen zusätzlichen Bedarf an Mittel angemeldet haben, der um 144 Milliarden Euro höher liegt als Klingbeils schon üppiger Finanzplan.

Mit diesen Zahlen dürfte Klingbeil als der „größte Schuldenminister“ in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Der Titel ist ihm sicher, weil eine Wiederholung der Neuverschuldung in dem jetzt geplanten Ausmaß aufgrund des dadurch ausgelösten Anstiegs der Zinsausgaben kaum möglich sein würde. Für 2025 rechnete Lindner mit Zinsausgaben in Höhe von rund 40 Milliarden Euro. Bei einem unveränderten durchschnittlichen Zins von 2,2 Prozent würden diese Ausgaben im Jahr 2029 auf rund 55 Milliarden steigen. Wäre dieser Zins aufgrund der wachsenden Emission von Bundesschuldpapieren dann auch nur um einen halben Prozentpunkt höher, lägen die Zinsausgaben bei 74 Milliarden Euro.

Es wird wohl auch den nötigen Bürokratieabbau nicht geben

Die Bundesregierung hofft, dass ihr „Investitionsbooster“ in Form von Sonderabschreibungen, Baumaßnahmen und Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum so ankurbeln wird, dass die hohen Schuldenlasten tragbar sein werden. Diese Hoffnung wird sich kaum erfüllen. Denn damit die Wirtschaft stärker wachsen kann, müsste der Staat schlanker werden. Bei einem geplanten Wachstum der Ausgaben des Bundes in Höhe von 4,0 Prozent pro Jahr in der Zeit von 2024 bis 2029 ist dies wohl nicht möglich.  

Außerdem müsste das Gestrüpp der Bürokratie mit der Machete – oder wie in Argentinien mit der „Kettensäge“ – zurückgestutzt werden. Doch als Christian Lindner im Wahlkampf meinte, Deutschland müsse mehr „Milei und Musk wagen“, zeigte sich Friedrich Merz „völlig entsetzt“ über diese Äußerung. Reformen mit der Kettensäge seien für Deutschland nicht geeignet und würden mehr Schaden als Nutzen bringen. Da kosmetische Korrekturen angesichts des Wildwuchses auf nationaler und europäischer Ebene aber kaum noch möglich sind, wird es wohl auch den nötigen Bürokratieabbau nicht geben.

Friedrich Merz hat im Wahlkampf angekündigt, dass er im Falle seiner Wahl zum Bundeskanzler am ersten Tag seiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz anweisen würde, die deutschen Staatsgrenzen zu kontrollieren und alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen. Da Innenminister Alexander Dobrindt das selbst erledigen will, musste Merz von seiner Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch machen. Dagegen müsste er seine Richtlinienkompetenz auf dem Gebiet der Finanzpolitik ausüben, um für solide Staatsfinanzen zu sorgen. Zumal Deutschland ohne solide Staatsfinanzen Merzens Ambitionen in der Außen- und Sicherheitspolitik nicht wird erfüllen können. Doch gegenüber Lars Klingbeil traut er sich das wohl nicht. 

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Urban Will | Do., 26. Juni 2025 - 17:14

wann einmal kapieren, was sie sich mit Fritzel angetan haben. Der hat schnell kapiert, wie man den Schlafmichel besänftigt. Ein paar Sprüche, ein paar Andeutungen, ein paar kaum wirksame Aktionen in Sachen Migration, dann die pseudo-markanten neuen Impulse der Außenpolitik (D's Bedeutung i d Welt ist genau die gleiche wie vorher, nämlich gar keine) und schon gehen die Umfragewerte wieder nach oben.
Die Deutschen haben diesen Fritzel verdient.
Möge er Schulden machen, möge er alle Versprechen brechen, möge er die Steuern erhöhen und die Sozialkassen plündern, möge von morgens bis abends lügen: die Trottel wählen ihn trotzdem und das hat er kapiert. Mehr als +/- 30 möchte er eh nicht, dann kann er dauerhaft hinter seiner Brandmauer hocken bleiben und mit den Linksgrünwoken paktieren.
Es läuft gut für diesen Lügner und Sprücheklopfer.
Letztendlich bleibt allen vernünftig Denkenden in diesem Land nur noch, die Dinge mit Humor zu sehen und...die Wahlschafe dereinst auszulachen.

... und Merz wäre nicht der Kanzler der zweiten Wahl geworden, wenn er nicht genau wüsste, wie man die Leute sehenden Auges, hinter die Fichte führt. 😉
Wahrscheinlich tut es denjenigen Parteien der "Opposition" jetzt schon leid, daß sie bei diesem Possenstück mitgemacht haben.

Christa Wallau | Do., 26. Juni 2025 - 17:23

Was interessieren ihn die vielen Probleme in den Niederungen des menschlichen Alltags der deutschen Durchschnittsbürger, wenn er sich präsentieren und palavern kann auf internationalen Treffen von
Regierungschefs und anderen "wichtigen" Leuten!
Er hat ja jetzt als Kanzler einen herrlich bequemen Freiraum - das "Sondervermögen" (hunderte Milliarden Schulden) steht in Massen zur Verfügung u. stopft überall die entstandenen Löcher, wie u. wo auch immer. Dafür wird Herr Klingbeil schon sorgen.
Wie lange das gut gehen kann, ist unerheblich; denn eines steht fest:
N i e m a n d wird Merz je zur Verantwortung ziehen oder gar vor ein Gericht stellen, ebenso wenig wie die miserable Kanzlerin Angela Merkel.

Es läge an den Wählern, diese menschenfeindliche Arroganz zu stoppen. Aber diese glauben lieber den Lügen der Politiker (die sie schon immer gewählt haben) als sich der Wahrheit zu stellen - so wie Kinder, die sich die Hände vor's Gesicht halten, um die herannahende Gefahr nicht zu sehen

Jürgen Goldack | Do., 26. Juni 2025 - 17:31

Wenn ich das Titelbild anschaue, fühle ich mich auf makabre Weise an den humorvollen Film "Die Drei von der Tankstelle" erinnert. Unterschied: Hier müsste es heißen : "Die drei Volks- und Wirtschaftszerstörer aus dem Merz-Kabinett". Auch was die zu lachen haben ist mir ein Rätsel! Klingbeil, Aktivist der ANTIFA, hat von "Wirtschaft", "Finanzplan" etc. so viel Ahnung wie eine Hausstaubmilbe und Merz ist halt zu einem Feigling mutiert, einem Dasein, dem er sich durch seine Wahllügen und Anbiederung an die linke Führungsclique einer abgewählten SPD angedient sprich erdient hat. Charakterloser geht es kaum mehr. Das Thorsten Frei bei diesem deutschen Selbstvernichtungsspiel mitmacht ist für zutiefst enttäuschend. Aber der Hang zur Macht ist wohl ausgeprägter als christdemokratische Moral und schwäbische Sparsamkeit! Schade, dass der Mann sich so verheizen lässt.

Stefan | Do., 26. Juni 2025 - 18:36

Das Geld ist da Hurra und sie kippen es mit Eimern in den Fluss.
Nie war regieren so einfach wie heute.
Es ist zum Ko..en.

Stefan | Do., 26. Juni 2025 - 19:06

Zitat:
"Merzens Beitrag zur Wirtschafts- und Finanzpolitik scheint zu sein, Klingbeil freie Hand zu lassen."
Es ist genauso, wie wenn wir unserem Hund die Aufgabe übertragen auf die Wurst aufzupassen die beim Grillen auf dem Tisch steht.

Ingofrank | Do., 26. Juni 2025 - 20:37

nur rd. die Hälfte der Kanzlerpartei aufbringt die Finanzen U N D Arbeit & Soziales zu überlassen weil es sich hinter der Brandmauer so schön und so bequem leben lässt, ist selbst Schuld wen der Gaul dessen Züger er eigentlich halten sollte sich verselbstständigt……
Selbst gewähltes Elend. Die Schuldenanaufnahe & die Lüger der Entlastung bei den Stromkosten sind erst der Anfang ….,Die AfD braucht sich nur noch genüsslich zurücklehnen und auf die Regierungsverantwortung vorbereiten das es „schlimmer“ kaum noch werden kann !
Merzens Kanzlerschaft geht nach hinten los …..
Da hilft auch die außenpolitische Beweihräucherung des Herrn durch Tagesschau & heute nichts. Auch da scheint Merz bei der Besetzung des Ressorts kein glückliches Hänchen gehabt zu haben da der rote Verteidigungsminister den schwarzen Außenminister den eh niemand kannte um Längen schlägt.
Was da von der Union kommt ist II. Wahl mehr nicht.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Ernst-Günther Konrad | Fr., 27. Juni 2025 - 09:49

Der Sonnenkönig hat keine Zeit. Der muss auf internationalem Bankett den Zampano geben. Die Medien feiern ihn doch schon, ob seiner -klaren und wortgewaltigen- Aussagen, zu allem und jedem. Der glaubt wirklich, er könnte die EU / NATO übernehmen und den großen >Anführer< geben, der jetzt allen sagen kann, wo es lang geht. Da hat der doch keine Zeit ans eigene Volk zu denken und schon gar nicht der SPD in den Arm zu fallen. Droht doch am Ende ein Koalitionsbruch, wenn er nicht mitmacht. Ein jeder hat doch gewusst, dass diese Regierung da weiter machen wird, wo die Ampel aufgehört hat. Ich schrieb schon oft, dass außer Kosmetik und ein bisschen Scheingefecht alles beim Alten bleiben bzw. auch diese Regierung Schritt für Schritt weiter dem Abgrund zugehen wird. Und was regen wir uns auf. Die Schulden treffen ja nur unsere Kinder und Enkel, Urenkel, die überleben wir ja eh nicht. So denken auch diese Politiker und Ehrlichkeit, Anstand, Charakter, Respekt sind vergessene Tugenden.

Hans Meiser | Fr., 27. Juni 2025 - 14:29

"[...] Bruttoinlandsprodukts, für das man ein jährliches Wachstum von gerade mal 2,5 Prozent erwarten darf."
Einfache Frage: auf welcher Basis erfolgt diese optimistische Einschätzung? Vielleicht auf Basis der - begründet durch die verfehlte Energiewende - immer rasant zunehmender Deindustrialisierung? Oder etwa auf Basis der vielen neuen Kostenstellen innerhalb der staatlichen Verwaltung / Regierung, welche mit Hilfe des "Sondervermögens geschaffen werden???
Ein wenig mehr Bezug zur Realität würde ich von einem "Chefvolkswirt" schon erwarten. Einfach mal die Augen öffnen würde wahrscheinlich schon hilfreich sein ...

Han Hube | Fr., 27. Juni 2025 - 15:01

Ich korrigiere meine frühere Aussage: “Hauptsache Kanzler“ zu „Hauptsache im Ausland Kanzler spielen dürfen.“