Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
() Wohin steuert der Springer-Verlag?
Springer vs. Springer

Axel Sven Springer, Enkel des Verlegers Axel Springer, klagt gegen seine Stiefgroßmutter.

Vielleicht muss Axel Sven Springer in diesen Tagen wieder an einige Ereignisse aus den achtziger Jahren denken. In der Nacht zum 21. Januar 1985 wurde er in seinem Internat in der Schweiz durch das Licht einer Taschenlampe geweckt und erblickte zwei vermummte Gestalten. Er dachte erst an einen Schülerstreich, wie er später vor Gericht zu Protokoll gab. Als die Fremden ihn mit einer Pistole bedrohten und zu knebeln versuchten, habe er „extreme Angst bekommen“. Der damals 19-Jährige bekam Handschellen angelegt, wurde durchs Badezimmerfenster abgeseilt und in den Kofferraum eines Pkw gezwängt. Er fragte, ob er getötet werde. Das hänge ganz von seinem Großvater ab, sagten die Entführer. Der Großvater, das war Axel Cäsar Springer, Erfinder und Verleger von Bild. Axel Sven galt als sein Lieblingsenkel. Acht Mal riefen die Entführer bei der Mutter in München an, einmal auch im Verlag des Großvaters in Berlin. Sie spielten ein Tonband ihres Opfers vor und forderten 15 Millionen Mark. Der Großvater bat damals seinen Berater Bernhard Servatius, mit den Entführern zu verhandeln. Nach vier Tagen kam der 19-Jährige frei, ohne dass Geld gezahlt wurde. Das geschah so überraschend, dass zunächst weder Polizei noch Öffentlichkeit dem Opfer glauben wollten. Hatte er alles nur inszeniert? Erst später, als die Entführer verhaftet und verurteilt waren, glaubte man Axel Sven Springer. Die Entführung war nicht die einzige traumatische Erfahrung. Fünf Jahre davor überbrachte der Springer-Vertraute Claus Jacobi ihm und seiner Schwester die Nachricht, dass sich sein Vater Axel Springer junior (als Fotograf bekannt unter dem Namen Sven Simon) in der Silvesternacht in einem Park in Hamburg erschossen habe. Er hinterließ keinen Abschiedsbrief; man vermutete Depressionen. „Abwesenheit trotz Anwesenheit“ nannte Springers Biograf Michael Jürgs den Umgang des Großvaters mit dem Vater: „Springer hatte Probleme mit allen seinen Kindern. Wenn sie mal geschaffen waren, haben sie ihn wenig interessiert.“ Frauen wie die älteste Tochter Barbara konnten sich emanzipieren. Seine Söhne taten sich schwer. Nicolaus, für den das Kindermädchen Friede einst engagiert wurde, flüchtete „in bunte Welten, die man sich kaufen kann“, wie Jürgs seine Schwäche umschrieb. Vielleicht kam der Enkel Axel Sven sich ähnlich verloren vor, nachdem sich die Eltern getrennt hatten. Der Großvater Axel C. Springer war zur Zeit der Entführung im Januar 1985 bereits krank. Am 22. September 1985 starb er. Seine letzte Ruhestätte hatte sich Springer zu Lebzeiten gesucht; sein Erbe dagegen hatte er nicht eindeutig geregelt. Zur Testamentsvollstreckung ließ Servatius den Enkel einfliegen und empfahl ihm, auf einen großen Teil seines Erbes zu verzichten. Grund: Der Großvater habe das Testament ändern wollen, sei nur nicht mehr dazu gekommen, die neue Fassung zu unterschreiben. Axel Sven verzichtete zugunsten von Springers Sohn Nicolaus und zugunsten von Friede Springer. Statt 25 Prozent erhielt er nur mehr fünf Prozent am Erbe; Friede erhielt 70 statt vorher 50 Prozent. Vielleicht war ihm damals, so kurz nach dem Prozess gegen seine Entführer, Geld nicht wichtig. Millionen hat er so oder so. Axel Sven ging davon aus, dass sein Großvater seinen letzten Willen auf dem Sterbebett geäußert habe. Erst später erfuhr er, dass der Großvater sein Testament schon Tage davor geändert habe, ohne es in rechtsgültige Form zu bringen. Dabei hätte er vielfach Gelegenheit dazu gehabt, sogar in Anwesenheit eines Notars. War er sich selbst nicht sicher? Nach dem BWL-Studium in München ließ sich Axel Sven Springer in der verlagseigenen Journalistenschule ausbilden, arbeitete bei Bild und dem Hamburger Abendblatt und wurde Verlagsreferent für Computer Bild und Sport Bild. Angebote zu höheren Aufgaben habe er regelmäßig ausgeschlagen, heißt es im Verlag. Er habe sich als Kollege präsentiert, nicht als Verlegerenkel. Damit erinnert er an seinen Vater, der Setzer wie Chefredakteure duzte. 2001 zog Axel Sven Springer in den Aufsichtsrat ein. Seit 2002 ist er wegen eines Rechtsstreits gegen Friede Springer freigestellt. Darin geht es um die Testamentsvollstreckung, die sein Hamburger Anwalt Oliver Heine vor Jahren laut Stern als eine der „größten und verwerflichsten Betrugsgeschichten, die in einer Familiendynastie abliefen“, bezeichnete. Wie seine Stiefgroßmutter Friede vertraute Axel Sven dem Vollstrecker Servatius. Irgendwann fühlten sich beide verraten. Friede trennte sich von ihm und vertraute sich einer Biografin an. Axel Sven klagt seit vielen Jahren: erst (erfolglos) gegen Servatius, dann gegen Friede. Ein Schiedsgericht soll ihm ein Vetorecht in wichtigen Verlagsentscheidungen zugesprochen haben. Friede Springer möchte Harmonie. Angeblich hat sie Axel Sven mehrfach angeboten: Aggi, lass uns reden. Was kann ich dir geben? Er ging nicht darauf ein, wohl weil ihre Angebote halbherzig waren. Am 22.Januar will das Oberlandesgericht in Hamburg ein Urteil sprechen. Fraglich ist, ob es den Streit beenden wird. Zum einen, weil gut bezahlte Anwälte eine Möglichkeit finden werden weiterzuklagen. Zum anderen, weil es Axel Sven Springer vermutlich nicht um Geld geht, sondern um Anerkennung und Genugtuung. In gewisser Weise kämpft der Springer-Enkel bis heute darum, ernst genommen zu werden. Thomas Schuler lebt als Autor und Journalist in München. Kürzlich ist sein Buch „Strauß. Die Biografie einer Familie“ im Scherz-Verlag erschienen (Foto: Picture Alliance)

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.