Verkehrte Welt: Deutschlands Selbstverschrottung wird auch unter einem Kanzler Merz weitergehen / picture alliance / Foto Huebner | Foto Huebner

Schwarz-Rot und die Kernenergie - Dem Kniefall vor der Anti-Atom-Ideologie folgt der Größenwahn

Auch die neue CDU-geführte Regierung hält am Atomausstieg fest. Gleichzeitig will man laut Koalitionsvertrag den weltweit ersten Fusionsreaktor in Deutschland errichten – in einem Land, das gerade seine ganze fachliche Nuklear-Expertise verschrottet.

Autoreninfo

Ulrich Gräber hat als Maschinenbauingenieur und Betriebswirt seit 1974 in der Kernkraftbranche gearbeitet. Er war unteren anderem Technikvorstand der EnBW Kraftwerke AG und Deutschlandchef des französischen Nukleartechnikkonzerns Areva.

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Nach der klaren Entscheidung von 60 Prozent der Wähler gegen eine bedingungslose Fortsetzung der rot-grünen Energiewende wird nun die mit der Energiewende angestrebte Klimaneutralität im Grundgesetz festgeschrieben, und das ausgerechnet mit dem Segen der CDU, die viele im guten Glauben gewählt haben, diesen Irrweg zu beenden oder zumindest zu korrigieren. Nachdem die CDU bereits in der Regierung Merkel mit einem Kniefall vor der grünen Antiatom-Ideologie eingeknickt ist, folgt nun die Ignoranz der voraussichtlichen Regierung Merz. Eine Ignoranz gegenüber dem Souverän, dem eigenen Wahlprogramm, aber auch eine Ignoranz gegenüber der weltweiten Energiepolitik und den Gesetzen der Physik. 

Um dieser energiepolitischen Geisterfahrt noch das Gütesiegel des deutschen Größenwahnsinns zu verleihen, soll die Klimaneutralität jetzt nicht erst 2050, sondern schon 2045 erreicht werden, und zwar ohne eine grundlastfähige CO2-freie Stromerzeugung wie die der Kernkraft. Die Rückkehr zur Kernkraft wird übrigens laut einer aktuellen Umfrage von 55 Prozent der Bevölkerung befürwortet und nur von 35 Prozent abgelehnt.

Damit sind die etablierten Parteien mal wieder dabei, sich in ihrer selbst geschaffenen Welt zu verlaufen. Stellen sich Probleme in den Weg, so werden diese nicht etwa analysiert und korrigiert, sondern mit möglichst viel Geld zugeschüttet. Bei der Energiewende aktuell mit zusätzlich 100 Milliarden geliehenen Euros, mit denen sich Friedrich Merz den Weg ins Kanzleramt mit Hilfe grüner Politiker – von denen viele ihre Heimat auch in der CDU und der SPD haben – erkauft hat.  

Durch eine Korrektur der Energiewende hätte man einen dreistelligen Milliardenbetrag einsparen können

Dabei wäre eine Korrektur der Energiewende erstens nicht kompliziert, und zweitens würde man dadurch viel Geld einsparen. Interessanterweise haben dies nach Bekanntwerden der Neuverschuldung sogar die Bosse der deutschen Energieversorger bestätigt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung weisen sie darauf hin, dass mit einer besseren Balance zwischen Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit richtig viel Geld eingespart werden könnte, nach vorsichtigen Schätzungen ein dreistelliger Milliardenbetrag. Das Wahlgeschenk an die Grünen hätte sich Friedrich Merz also locker sparen können.

Der Kardinalfehler der Energiewende – der Ausstieg aus der Kernenergie – wird im Koalitionsvertrag der GroKo konsequent ignoriert. Würden heute noch alle 17 Kernkraftwerke laufen, deren Ende die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 mit Hilfe devoter Energieversorger beschlossen hat, wären wir mit dem stattgefundenen Ausbau der Regenerativen bereits seit einigen Jahren klimaneutral.  

Getoppt wird die energiepolitische Ignoranz der GroKo noch durch Realitätsverlust und Größenwahn, dokumentiert im Koalitionsvertrag auf Seite 78. Gemäß Zeile 2526 soll der weltweit erste Fusionsreaktor in Deutschland stehen. Offensichtlich glaubt man, dass der Bau und Betrieb eines Fusionsreaktors in einem Land, dass gerade dabei ist, seine Kernkraftwerke zu verschrotten und damit auch seine ganze fachliche Nuklear-Expertise, in der Lage sein wird, in zwei Jahrzehnten einen Fusionsreaktor ans Netz zu bringen. Dabei werden die fachlichen Gemeinsamkeiten der Technologien Kernspaltung und Kernverschmelzung völlig ignoriert. In beiden Technologien sind Abschirmung und Strahlenschutz zentrale Herausforderungen. Beim Fusionsreaktor ist die Neutronenstrahlung wesentlich größer als beim Kernreaktor, was dazu führt, dass das Material des Schutzmantels stärker geschädigt wird und starke Radioaktivität induziert wird. Um diese Probleme technisch zu lösen, sind nicht nur profunde nukleare Fachkenntnisse erforderlich, sondern auch eine jahrelange Berufserfahrung, die man sich nicht erwirbt, wenn man heute aus der Kernenergie aussteigt.  

Frankreich ist für die Herausforderungen des Baus neuer Kernkraftwerke und Fusionsreaktoren viel besser aufgestellt

Aber es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Ein Fusionsreaktor ist ein 20-Milliarden-Großprojekt mit vielen interdisziplinären Schnittstellen. Die Fähigkeit, ein solches Megaprojekt umzusetzen, erwirbt man sich nicht beim Rückbau von Kernkraftwerken und schon gar nicht bei der Errichtung von Windrädern, deren Technik noch aus der vorindustriellen Zeit stammt. Deutschland stellt tagtäglich unter Beweis, dass es seine Fähigkeit, Großprojekte wie den Bau eines Flughafens oder eines Bahnhofs umzusetzen, verloren hat.  

Allein der Blick auf den weltweiten Stand der Fusionstechnologie hätte bei den Koalitionären zu etwas mehr Zurückhaltung bei der Formulierung ihres Fusionsreaktor-Zieles führen müssen. Die weltgrößte, seit Ende 2023 in Betrieb befindliche Versuchsanlage eines Kernfusionsreaktors steht in Japan (JT-60SA). Der im Bau befindliche europäische Iter-Reaktor steht im südfranzösischen Cadarache. Warum gerade in Cadarache? Frankreich betreibt 58 Kernkraftwerke und beherbergt mit Framatom und Orano weltweit führende Nuklearunternehmen. Damit ist Frankreich für die Herausforderungen des Baus neuer Kernkraftwerke und Fusionsreaktoren bestens aufgestellt. Dagegen herrscht in Deutschland schon heute ein Mangel an Strahlenschutzpersonal beim Rückbau der Kernkraftwerke. Der Realitätsverlust kann offensichtlich nur noch durch Größenwahn wettgemacht werden.  

Eine weitere aktuelle Entwicklung im Bereich der nuklearen Entsorgung und Endlagerung wird von den Koalitionären konsequent ignoriert. Immer mehr Länder erkennen, dass die in Leichtwasserreaktoren abgebrannten Brennelemente kein Abfall, sondern ein Wertstoff sind, der noch über 95 Prozent Uran 238 enthält. Das Uran kann in modernen Molten-Salt- oder Dual-Fluid-Reaktoren als Brennstoff eingesetzt werden. Auf diese Weise kann nicht nur preiswert mit vorhandenen Wertstoffen Energie zur Stromerzeugung gewonnen, sondern auch die Menge und die Halbwertszeit des hochradioaktiven Abfalls drastisch reduziert werden. Offensichtlich verfolgt aber auch die zukünftige von der CDU geführte Regierung lieber den Weg, diese Wertstoffe möglichst schnell unter die Erde zu bringen.

Für alle noch mal zur Erinnerung der Passus zur Kernenergie im CDU-Programm vom Januar 2025:

„Wir befürworten die Forschung und Entwicklung von Kernkraftwerken der vierten und fünften Generation, sowie von SMR (Small Modular Reactors) und beteiligen uns hierzu an europäischen Partnerschaften und internationalen Initiativen.“  

Wie sagte Doktor Faust doch so passend in seinem Studierzimmer:  „Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ In Sachen Kernenergie hat die CDU hat mal wieder unter Beweis gestellt, dass sie zuverlässig unzuverlässig ist. 

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Ernst-Günther Konrad | Do., 17. April 2025 - 11:23

Das war doch klar. Alles was vor den Wahlen danach geklungen hatte, man würde eine Kehrtwende von den links-grünen Klimahysterie einläuten ist und war pure Lüge. Und Merz und seine Spießgesellen haben sich ja auch sofort beeilt, den Unsinn mit ins GG schreiben zu lassen. Also Herr Gräber. Was haben u.a. Sie sich Mühe gegeben in den letzten Jahren in vielen kritischen Artikeln zu diesem Thema Licht ins Dunkel zu bringen und uns Leser aufzuklären. Alles Schnee von gestern. Die UNION macht genau da weiter, wo die Ampel aufgehört hat. Das nennt man Politikwechsel. Nicht an einer einzigen Stelle wird irgendetwas wirklich rückgängig gemacht oder geändert. Deutschland wird künftig Atomstrom aus dem Ausland teuer kaufen und wann die ersten Blackouts kommen, ist nur eine Frage der Zeit. Und nicht vergessen Herr Gräber. An allem ist die AFD, Putin oder das Klima Schuld. Ach ich vergaß, und natürlich auch Trump. Die menschengemachte Klimalüge geht weiter. Meine Hoffnung ist und bleibt die AFD.

Ingofrank | Do., 17. April 2025 - 11:45

in Ordnung. Heißen müßte es:

Die CDU hält an dem unter Merkel beschlossenen falschem Atomausstieg fest, und läßt sich von den Grün Linken Anti -Atomideologen erpressen.
Durch fehlende Voraussetzungen, wie in erster Linie dem Fachpersonal, grenzt es an Größenwahn einen Fusionsreaktor entwickeln zu wollen.
Mehr braucht’s zu dem Thema nicht.
Wie soll diesen rot grünen Ideologen erklärt werden, dass es Weiterentwicklungen bei AKW gibt. Diese Ideologen können & wollen es nicht verstehen.
Lieber werden Industrie & Volk für eine völlig unnötige nicht funktionierende Energiewende zu Kasse gebeten deren Folgen,mit der Abwanderung ganzer Industriezweige, derzeit noch gar nicht abschätzbar sind.
Mit besten Grüßen aus der Erfurter Republik

"Die CDU hält an dem unter Merkel beschlossenen falschem Atomausstieg fest, und läßt sich von den Grün Linken Anti-Atomideologen erpressen."
DAS sehe ich genau so."
Das Volk - der Souverän - will AKWs und nicht den ideologisch verqueren Blödsinn der Rot-Grünen! Ab er ein effektiveres neues Kernkraftwerk zu bauen, macht Sinn, wenn sich die CDU nicht nochmal dem Rot-Grünen Ideologismus unterwirft. Sonst bleibt dem Wähler tatsächlich nur noch die AfD zum Wählen!
Das werden die Kommunisten nicht verhindern können, ohne ein erneutes gewaltigeres 1989 herauf zu beschwören! Die angeheizte Stimmung im Volk ist schon vorhanden ... Fragt mal die SED-LINKE, wie sich ein Kartenhaus-Zusammenbruch anfühlt! Die kenne sich da aus ....

Hans Jürgen Wienroth | Do., 17. April 2025 - 12:37

Der Umgang der neuen Regierung mit der Kernenergie ist leider nicht die einzige Überheblichkeit. Auch das Vorhaben, Vorreiter für die KI zu werden, ist angesichts der volatilen Stromversorgung des Landes an Überheblichkeit kaum zu überbieten. Wie will man die dafür notwendigen Strommengen erzeugen (und ggf. für Dunkelflauten speichern) wenn man ausschließlich auf Wind und Sonne setzt? Noch gelingt es unseren Nachbarn, uns in Krisenzeiten der volatilen Erzeugung auszuhelfen. Aber mit jedem abgeschalteten Kohlekraftwerk wird die Gefahr größer, dass unser Land „abgeschaltet“ wird.

Die Politik will für Mangelzeiten und zur klimaneutralen (?) Stahlerzeugung auf Wasserstoff setzen, den wir in Überflusszeiten selbst erzeugen. Leider wird dabei vergessen, dass gerade ein Wassermangel im Land beklagt wird, die Landwirte sorgsam damit umgehen sollen. Woher soll dann das Nass für den Wasserstoff kommen? Kann man jetzt grünen Wasserstoff ohne Wasser erzeugen? Hungern wir bald für Wasserstoff?

Achim Koester | Do., 17. April 2025 - 13:09

Besser hätte man den Kniefall der Vernunft vor der Ideologie nicht beschreiben können. Besonders enttäuscht mich die Entscheidung gegen den Dual-Fluid Reaktor, auf den ich große Hoffnung gesetzt hatte, könnte dieser doch den „Müll“ als Rohstoff nutzen. Aber Söders „das war mit der SPD nicht zu machen „ zeigt, dass auch die CSU kein Rückgrat mehr hat.
Ich hoffe sehr, dass Merz nicht Kanzler wird, auch wenn ich nicht weiß, wer in Frage käme.

Urban Will | Do., 17. April 2025 - 13:36

muss immer wieder in Erinnerung gebracht werden, von wem er ausging und wer ihn bedingungslos übernahm. Es war mit Wagenknecht die erste bekannte Politikerin, aber viele andere haben es vorher schon gesagt, mich eingeschlossen: die Grünen, ich nenne sie längst Sektierer, sind die gefährlichste Partei Deutschlands. Keine andere Partei seit '45 hat mehr Ähnlichkeiten mit der NSDAP als die Grünen und genau deshalb sind sie es, die sofort „Nazi“ schreien, wenn man sie und ihren ideologischen Wahn kritisiert. Keine andere Parter verachtet demokratische Strukturen mehr als diese Sekte, die ohne Rücksicht auf Wahlergebnisse ihren Wahn umsetzt.
Warum? Weil sie es kann.
Und da sind wir bei den anderen. Denjenigen, die sich blind unterwarfen. Und da sitzen alle Altparteiler im selben Boot, die dümmsten und verlogensten in den Reihen der Schwarzen. Mit Fritzchen stellen sie nun den schwächsten, feigsten, machtgeilsten aus ihren Reihen als Kanzler. Pfui Teufel.
Eine Wende geht nur mit der AfD!!

Gerhard Fiedler | Do., 17. April 2025 - 13:37

Bin in Sachen Nutzung von Kernenergie und Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken genauso frustriert wie Sie, lieber Herr Gräber. Wenn man diese völlig inkompetenten aber ideologiegetriebenen Regierungen auch zu dieser Sache so erlebt, die jetzige und die künftige, packt einen das Grauen. Von CDU/CSU hatte ich wie dazu vor der Wahl von diesen versprochen eigentlich etwas anderes erwartet.
Als Bauingenieur eines großen Baukonzerns hatte ich seinerzeit an den Ausführungszeichnungen für das erste deutsche Kernkraftwerk in Gundremmingen mitgewirkt und war später als Kalkulator auch für Projekte in Gorleben tätig. Ich habe sie noch vor Augen, jene Demonstrationen, die heute auch mit dem Segen von CDU/CSU ihren Endsieg feiern. Mir jedenfalls kommen die Tränen, wenn ich wieder einmal so einen Kühlturm, begleitet vom Jubel von Politik und ÖRR, in sich zusammenfallen sehe. „Deutschland, wir weben dein Leichentuch.“

Hans Süßenguth-Großmann | Do., 17. April 2025 - 21:02

die Grünen stehen für die "Welt als Wille und Vorstellung". Schopenhauer hat dieses Werk in der Zeit der Romantik verfasst und die Grünen sind Romantiker durch und durch.
Für den Fusionsreaktor wird bis 2050 vielleicht ein Standort gefunden.