
- „Das ist ein Wahnsinn“
Die Probleme bei der Impfstoff-Logistik verhindern einen schnelleren Fortschritt beim Bekämpfen der Corona-Pandemie. Gerd Kerkhoff gilt als Pionier in Sachen Einkaufsberatung und geht hart mit der Bundesregierung ins Gericht. Ihn ärgert, dass es keine Konsequenzen aus dem Versagen gibt.
Gerd Kerkhoff ist Geschäftsführer des Beraterunternehmens Kerkhoff Group und gilt als ein Pionier der Einkaufsberatung in Deutschland.
Herr Kerkhoff, Sie beraten mit Ihrer Firma Unternehmen bei der Logistik, also bei der Beschaffung von Produkten und dem Lieferketten-Management. Wie beurteilen Sie die Leistung der Bundesregierung auf diesem Gebiet in Sachen Corona-Impfstoff?
Mit einer glatten Sechs.
Warum so harsch?
Man muss den Einkauf des Impfstoffes als einen ganz normalen Beschaffungsprozess betrachten. Ob ein Autohersteller neue Schlösser braucht oder eine Regierung Impfstoff, unterscheidet sich im Prinzip nicht. Nur ist es in diesem Fall der bedeutendste Beschaffungsprozess, den die deutsche Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg durchführen musste. Da geht es einerseits um Leben und Tod. Und andererseits darum, ein finanzielles Desaster zu verhindern, weil der Lockdown pro Monat zehn Milliarden Euro kostet.

Und da hätte man anders priorisieren müssen?
Genau. Bei der Beschaffung ist es das Ziel, die richtige Menge eines Produkts zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen zu einem respektablen Preis. Das lernt man im ersten Semester BWL. Nur hat die Politik, und damit meine ich Deutschland und Europa, offenbar nicht verstanden, dass es auf der Lieferantenseite eine spezielle Marktsituation gibt. Wenn es da einen Monopolisten gibt, dann bekommt der Preis eine völlig untergeordnete Rolle. Dann geht es nur noch um Verfügbarkeit. Man hätte also bei allen Herstellern, die offenbar in der Lage wären, einen Impfstoff herzustellen, sofort die Menge bestellen müssen, die für Deutschland benötigt wird. Man würde ja, wenn man dann zu viel haben sollte, nicht darauf sitzen bleiben. Deutschland hätte um den Preis gar nicht verhandeln sollen, sondern ihn erhöhen, etwa in dem man sagt: Auf alle Dezember-Lieferungen zahlen wir 100 Prozent Aufschlag, auf alle Januar-Lieferungen 50 Prozent. Damit wäre man der attraktivste Abnehmer für ein Unternehmen wie Pfizer, das ja auch zwei Milliarden Euro in die Impfstoff-Entwicklung investiert hat.
Immerhin hat der deutsche Steuerzahler Biontech, den Partner von Pfizer, auch mit erheblichen Summen unterstützt.