Patente für Corona-Impfstoffe - Was öffentlich finanziert wird, sollte auch öffentlich zugänglich sein

Bei den Impfstoffen gegen Corona geht es neben der Gesundheit um viel Geld. Dabei wurde die Forschung und Produktion zu großen Teilen von Steuergeldern finanziert. Der Patentschutz sollte deshalb überdacht werden.

Der Corona-Impfstoff verspricht Milliardenumsätze für das Unternehmen an der Goldgrube / dpa
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Jakob Arnold hospitierte bei Cicero. Er ist freier Journalist und studiert an der Universität Erfurt Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften. 

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Es ist wahr: Es grenzt an ein Wunder, dass die moderne Medizin weniger als ein Jahr brauchte, um mit dem Impfstoff gegen das Corona-Virus einen langfristigen Ausweg aus der Pandemie zu ermöglichen. Es ist aber auch wahr, dass es bei dem Impfstoff um viel Geld geht. 12 Euro soll die EU pro Dosis des Mainzer Unternehmens Biontech bezahlen. Bei mittlerweile 600 Millionen bestellten Dosen durch die EU gehen die Umsätze schnell in die Milliardenhöhe für das Unternehmen an der Goldgrube.

Dabei stellen Pharma-Unternehmen eigentlich nur ungern Impfstoffe her. Sie sind hochkomplex in der Entwicklung und die Erforschung verschlingt viel Geld. Hat man es dann doch geschafft, kann das Produkt pro Patient allerdings nur ein oder zwei Mal verwendet werden. Arznei, die vergleichsweise leicht herzustellen ist und auf die die jeweiligen Patienten über Jahre hinweg angewiesen sind, sind der Industrie um ein Vielfaches lieber.

Unterstützung mit Steuergeld

Deswegen greifen die Staaten mit Steuergeldern ein. Und sind dabei nicht knausrig. Allein für Biontech hat das deutsche Wissenschaftsministerium 375 Millionen Euro locker gemacht. In den USA hat Donald Trump insgesamt ca. 10 Milliarden Dollar an Unternehmen verteilt, die sich der Suche nach einem Impfstoff verschrieben haben.

Da kann man sich schon die Frage stellen, wie es sein kann, dass der Steuerzahler in Form der Staatsförderung die Kosten für den Impfstoff trägt und im Anschluss teuer bezahlen muss für das Privileg, den von ihm finanzierten Impfstoff dann auch wirklich zu bekommen.

Oxford wollte auf Lizenzen verzichten

Ähnlich müssen auch die Verantwortlichen an der Universität von Oxford gedacht haben. Gegenüber der New York Times hielt Adrian Hill, Direktor des Jenner Instituts an der Universität Oxford, das den Impfstoff entwickelt, fest, dass in einer Pandemie die Lizenzen von Impfstoffen nicht exklusiv sein sollten.

Deshalb wollte Hill den entwickelten Impfstoff frei zur Verfügung stellen. Bill Gates riet davon jedoch ab. Mit seiner Stiftung, der Bill and Melinda Gates Foundation, gehört er zu den größten Spendern des Instituts. Er hielt es für geboten, sich mit einem großen Pharmaunternehmen zusammen zu schließen. So half Gates eine Partnerschaft zwischen der Universität Oxford und dem Pharmakonzern AstraZeneca zu vermitteln.

AstraZeneca will auf Profite verzichten

AstraZeneca übernahm neben der Massenproduktion und Verteilung des Wirkstoffes, wofür sie innerhalb der EU derzeit wegen massiven Lieferengpässen in der Kritik stehen, auch die Exklusivrechte an diesem. Gleichzeitig verpflichtete sich der Konzern, den Impfstoff zu einem günstigen Preis anzubieten. Tatsächlich verkauft AstraZeneca seine Dosen zu einem deutlich geringeren Preis als andere Anbieter: Während Moderna pro Dosis 14,70 Euro und Biontech 12 Euro verlangt, bietet AstraZeneca seine Dosen für 1,78 Euro an. Auch wenn die Herstellungskosten nicht transparent sind, dürfte dieser Preis tatsächlich etwa dem Produktionspreis entsprechen.

Das Versprechen, auf Profite zu verzichten, gilt jedoch nach der Pressemitteilung der Oxford University nur bis zum „Ende der Pandemie“. Mit dem Ende der Covid-19-Pandemie dürfte allerdings noch längst nicht die letzte Impfdose verspritzt sein. Auch gehen einige Experten im Hinblick auf Mutationen des Virus davon aus, dass der Impfstoff regelmäßig angepasst und neu verwendet werden muss. Das Geschäft mit dem Vakzin dürfte damit für AstraZeneca lediglich etwas verschoben werden.

Widerspruch aus der Pharma-Industrie

Die Diskussion über Lizenzen und Exklusivrechte bei Impfstoffen geht damit in die nächste Runde. Bei allen bisherigen Vorschlägen zu einer Neuregelung, kam der Widerspruch aus der Pharma-Industrie stets prompt. Wer am geistigen Eigentum herumdoktert, der zerstöre langfristig die Anreize zur Innovation. Grundsätzlich mag dieser Einwand stimmen. Unternehmen riskieren große Kapitalmengen in der Aussicht, ihr Produkt danach lukrativ verkaufen zu können. Doch sie riskieren nicht nur ihr eigenes Kapital. Dadurch, dass die Entwicklung der Impfstoffe zu großen Teilen öffentlich finanziert wird, kann man im Gegenzug fordern, dass auch die Lizenzen öffentlich sind.

Ein weiterer Einwand widmet sich den hohen Anforderungen, die mit der Produktion von Impfstoffen einhergehen. Man stelle ein Vakzin nicht mal eben so her. Der Zertifizierungsprozess zur Qualität der Herstellung sei aufwändig und langwierig. Auf die kurze Frist ist auch dieser Punkt valide. Trotzdem könnte man mit freien Impfstofflizenzen Konkurrenten in der Pharmaindustrie zumindest die Chance geben, sich an der Produktion zu beteiligen. Den damit einhergehenden Aufwand werden Unternehmen in der Aussicht auf mögliche Gewinne auf sich nehmen.

Im Oktober 2020 haben Indien und Südafrika in der Welthandelsorganisation den Vorschlag gemacht, im Hinblick auf das Corona-Virus den Patentschutz der Impfstoffe zu lockern. Mittlerweile wird dieser Vorschlag von fast 100 Ländern und auch der Weltgesundheitsorganisation unterstützt. Die reichen Industrienationen üben sich hingegen in Zurückhaltung. Im Anbetracht der ungewöhnlichen Umstände durch das Corona-Virus und der Tatsache, dass die Impfstoffe zu großen Teilen mithilfe von Steuergeldern entwickelt und produziert werden, spräche jedoch vieles für ein Umdenken.

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