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(picture alliance) "Kony 2012" wurde auf Youtube bisher mehr als 50 Millionen mal angeklickt

Kony 2012 - In jedem Fall besser als nichts

Kriegsverbrecherjagd per Facebook und Youtube. Geht das? Zumindest lenkt ein Video der Hilfsorganisation „Invisible Children“ kurzzeitig den Blick von Millionen Menschen auf Ost- und Zentralafrika. Das sollten alle beteiligten Organisationen vor Ort gemeinsam ausnutzen, statt miteinander zu streiten

Kennen Sie Joseph Kony? Er ist der Anführer der Lord‘s Resistance Army (LRA), die seit Jahren in Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und dem Sudan Mädchen und Jungen entführt, sie zu Sexsklavinnen oder gefügigen Kindersoldaten macht. Das ideologisch-politische Ziel der „Widerstandskämpfer Gottes“ ist es, eine theokratisch fundamentalistische Republik zu errichten, in der eine von Joseph Kony interpretierte Version der Zehn Gebote gelten soll. Vor dem internationalen Tribunal in Den Haag ist er angeklagt unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung, Zwangsrekrutierung von Kindern, Vergewaltigung, Versklavung, Zwangsprostitution und vorsätzlichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung.

Seit ein paar Tage ist Joseph Kony aber nicht nur einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher weltweit, sondern auch einer der meistdiskutierten Menschen im Internet. Zu verdanken ist dies der in Kalifornien ansässigen Hilfsorganisation „Invisible Children“, die am 5. März den Film „Kony 2012“ online gestellt hat. Der halbstündige Streifen wurde allein auf dem Videoportal Youtube inzwischen mehr als 50 Millionen Mal angeklickt.

Die Organisation hat inzwischen knapp 2,5 Millionen Fans auf Facebook und etwa 380 000 Follower auf Twitter. Die amerikanischen Stars Alec Baldwin, Rihanna, PDiddy und andere haben „Kony 2012“ via Twitter weiterverbreitet. In dem Film erzählt Jason Russell, einer der Gründer von „Invisible Children“, zusammen mit seinem sehr niedlichen ca. 4-jährigen Sohn Garvin die Geschichte von Jacob, einem ehemaligen Kindersoldaten der LRA, dessen Bruder von Konys Schergen mit einer Machete umgebracht wurde, als er versuchte zu fliehen.

Der Plan von Russell und seiner Organisation besteht darin, mit einer breit angelegten Social-Media, Kampagne einer konzertierten Plakataktion am 20. April 2012 und Druck auf die internationale Politik, auf die Situation in Ost- und Zentralafrika aufmerksam zu machen und auf diese Weise, noch 2012 dafür zu sorgen, dass Joseph Kony noch dieses Jahr verhaftet wird und sich vor dem Kriegsverbrechertribunal verantworten muss.

Ob der aufwendig produzierte Film den Konflikt in der Region im Detail korrekt wiedergibt, ob er nicht zu stark vereinfacht, zu sehr auf die Tränendrüse drückt, Klischees über die Afrikaner, die sich angeblich nicht selbst helfen können, verfestigt, die Verdienste von Russell und invisible Children maßlos übertreibt und die Arbeit zahlreicher lokaler Organisationen gar nicht erwähnt, wie es ihm zahlreiche Kritiker im Internet vorwerfen, darüber lässt sich sicher lange streiten (den besten Überblick dazu bieten die BBC und der Guardian).

Aber sind das die entscheidenden Fragen oder eher unnötige Eifersüchteleien unter international agierenden Hilfsorganisationen? Man sollte eher dankbar sein, dass es einigen in der Tat sehr selbstbewussten Menschen in Kalifornien, die zu großen Teilen aus Werbe- und Filmindustrie kommen, gelungen ist, eine derartige Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen. Das heißt nicht, dass Russell und Co. alles richtig machen, und Joseph Kony wird sich sicher nicht deswegen ergeben, weil amerikanische Collegestudenten „Stop Kony“-Armbänder kaufen und auf dem Campus Plakate kleben, aber ein kreativer Input von ungewohnter Seite kann der internationalen Helferindustrie gewiss nicht schaden.

Statt zu versuchen, die neue Konkurrenz mit Kritik auszugrenzen, sollte man sie lieber in die Pflicht nehmen und gemeinsam vor Ort in Afrika daran arbeiten, dass die Kinder der Region keine Angst mehr haben müssen, nachts von LRA entführt zu werden.

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