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Gründerszene - Frauen, die auf Männer starren

Noch immer ist die Zahl der Frauen in der Startup-Szene verschwindend gering. Und wenn, dann eröffnen sie Mode- und Blumenshops. Zum Weltfrauentag stellt sich die Frage: Wo sind die Gründerinnen in der Technikbranche?

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Ina Bullwinkel arbeitet als freie Journalistin in Berlin. Sie hat Außenwirtschaft in Hamburg studiert.

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„Es gab da vielleicht eine Frau“, erinnern sich die beiden Gründerinnen. Als Anike von Gagern und Kathrin Weiß vor sechs Jahren beschlossen, ein Unternehmen zu gründen, waren sie in der Berliner Startup-Szene vornehmlich von Männern umgeben. Der Anteil weiblicher Existenzgründungen liegt laut KfW-Gründungsmonitor bei 43 Prozent. Die Startup-Branche hingegen ist vor allem eines: männlich. Lediglich 13 Prozent der Startups in Deutschland wurden von einer Frau gegründet.

Doch das Geschlecht habe beim Gründen keine Rolle gespielt. „Die Investoren haben uns respektiert. Wir waren nicht mehr Anfang 20, sondern Mitte 30 und hatten beide knapp acht Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung“, sagt Anike von Gagern. Mittlerweile gibt es ihren Online-Shop für Babykleidung und Spielzeug „Tausendkind“ seit mehr als fünf Jahren.

„Outfittery“, „Bloomy Days“, „Amorelie“
 

„Meine persönliche Motivation zu gründen, entstand daraus, dass ich gesehen habe, was andere gemacht haben – und das waren damals männliche Gründer“, sagt Kathrin Weiß. Trotzdem wäre es für Frauen sicher motivierend, mehr weibliche Vorbilder zu sehen. Beispiele für erfolgreiche weibliche Startups finden sich heute einige. Man hört von Julia Bösch, die den Online-Herrenausstatter „Outfittery“ gründete, oder von Franziska von Hardenberg, die den Blumenversand „Bloomy Days“ kreierte. Aber auch Lea-Sophie Cramers Online-Sexshop „Amorelie“ hat sich bereits einen Namen gemacht: ein Unternehmen, geboren aus dem großen Erfolg des Romans „Fifty Shades of Grey“.

Diese jungen Frauen hatten eine Idee, haben Investoren gefunden und sich am Markt durchgesetzt. Auch Anike von Gagern und Kathrin Schmidt mussten Investoren von ihrer Idee begeistern. Man verkaufe nicht nur seine Idee, sondern auch sein Team, so von Gagern. „Wir mussten erst lernen, die Gespräche als Verkaufssituation zu begreifen und nicht so abwägend zu sein.“

Erste Anlaufstelle: Die Gründerinnenzentrale
 

Während der Verhandlungen erwartete Kathrin Weiß zudem ihr erstes Kind. „Ein Investor sagte, wenn die Schwangerschaft das einzige Risiko bei der Gründung sei, sehe er keine Probleme“, erzählt Weiß. „Als Gründer in einem Startup hat man viele Vorteile, es ist aber auch herausfordernd“, sagt sie. Nach der Geburt ihres Kindes war sie bereits nach einer Woche wieder im Büro und nahm an Meetings teil. „Man hat viel Verantwortung und muss sich manchmal zusammenreißen.“ Trotzdem habe sie viele Freiheiten und könne sich ihre Zeit flexibel einteilen.

In Berlin-Mitte, wo neben Startups auch andere, weniger hippe Existenzgründungen ihren Anfang nehmen, sitzt die Gründerinnenzentrale. Hier schmücken zwei lindgrüne Sofas den Eingangsbereich, liegen dutzende Prospekte in Regalen aus und an der Wand hängen die Fotos von Unternehmerinnen. Seit zehn Jahren ist die Gründerinnenzentrale Anlaufstelle für Frauen, die sich selbstständig machen wollen.

Bevorzugte Gründungsbereiche: Gesundheit und Soziales
 

Die meisten, die Rat suchen, sind Freiberuflerinnen – „Einzelkämpfer“, sagt Antje Ripking, die hier die Projekte für Frauen leitet. Denn die freiberuflichen Frauen stehen alleine da, ohne Mitarbeiter und – anders als Startups – ohne zahlungskräftige Investoren im Rücken. „Die Startups werden staatlich gefördert, sehr gehypt und nach zwei bis drei Jahren verkaufen die alles und gehen nach London“, meint Ripking. Ihre Kundinnen sind im Schnitt 39 Jahre alt, investieren aus eigener Tasche und meist nicht mehr als 5.000 Euro. Um das Risiko klein zu halten, gründeten viele zudem nebenberuflich. Die meisten Frauen, die in die Gründerinnenzentrale kommen, würden sich im Bereich Dienstleistung, Handel, Gesundheit oder Soziales selbstständig machen. „Technik und IT gehören nicht unbedingt zu unserer Klientel“, gibt Antje Ripking zu.

Dabei gibt es auch viele technikaffine Frauen, die sich fürs Gründen interessieren. Das zeigen die zahlreichen „Meetups“ und Gruppen wie „Geekettes“oder „Techettes“ in Berlin und Frankfurt, die „Women in Tech“ – Frauen in der Technikbranche – nach vorne bringen wollen. Hier treffen sich junge Frauen, die sich über neue Produkte austauschen, einander das Programmieren beibringen oder ganz einfach netzwerken. Vor allem in der FinTech-Szene, einer Startup-Sparte, die Finanzen und Digitales verbindet, ruht großes Potenzial für weibliche Gründerinnen.

Geringer Anteil von Frauen in der Banken- und Technologiebranche
 

Jutta Frieden ist Deutschland-Chefin des FinTech-Unternehmens „GoCardless“. Sie lebt in London und kennt viele Frauen in der Startup-Branche. Manche Positionen ließen sich trotzdem nur sehr schwer durch eine Frau besetzen. „Bei unseren Ingenieuren, die das Produkt entwickeln, gibt es bisher fast nur Männer“, so Jutta Frieden. Unter 1.000 Bewerbungen seien nur fünf von Frauen dabei gewesen. Ähnliches höre sie von anderen FinTech-Firmen, die gerne mehr Frauen einstellen würden.

Die wenigen FinTech-Gründerinnen erklärt sie sich durch den ohnehin schon geringen Frauenanteil in der Banken- und Technologiebranche. Dass es bei Fashion-Startups mehr Frauen gebe, liege auf der Hand. Sie selbst habe den Plan zu gründen immer im Hinterkopf. „Ich möchte das zu einem Zeitpunkt machen, wenn ich mich stark dahinter fühle. Wenn ich mit Investoren am Tisch sitze und verhandle und weiß, wann ich im Recht bin“, sagt Jutta Frieden.

Warum sie noch nicht gegründet habe, könne sie nicht genau sagen. „Man sieht ja immer wieder diese Erfolgsgeschichten, dass ein Mark Zuckerberg Facebook gegründet hat – das kann schon klappen, aber es ist auch ok, wenn man mit 30 anfängt, nachdem man schon viel Erfahrung gesammelt hat.“

In ein paar Jahren ist die Startup-Branche sicher eines: weiblicher.

 

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