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Faszination Landtechnikfilme - Pornos vom Feld

Kein Plot, keine Geschichte, nur der reine Akt. Videos dieser Art kennt man sonst nur vom Erotikfilm. Zwei Brüder aber machen im Internet einen Reibach – mit selbstgedrehten DVDs, die Landmaschinen bei der Arbeit zeigen

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Vor ein paar Wochen auf der Agritechnica, der weltweit größten Messe für Landtechnik. Grün, rot und gelbglitzernde Monstermaschinen, hallenfüllend, manche von ihnen zehn Meter breit, vier Meter hoch. Als Neuling in der Szene fragte ich mich, ob es in Deutschland überhaupt Felder gibt, die für diese Riesengeräte geeignet sind. Anders die 450.000 Besucher, die nach Hannover gekommen waren, um sich über die Neuerungen in der Landtechnik zu informieren, wo im Vergleich zur Automobilbranche noch viel Luft nach oben ist. Innovationstechnisch.

Erotik zwischen Datenmanagement und Sensoren


Ich staunte also über den Feldhäcksler mit dem „breitesten Maisvorsatz der Welt – 14 Reihen Mais auf einen Schlag“ (EasyCollect von Krone), über Mähdrescher-Schneidwerke der Serie 600x – „in 8 Minuten von Getreide auf Raps“ (John Deere) und weitere bombastische Superlative. Die angereisten Landwirte kamen aus aller Welt, Großinvestoren aus Tschechien, Polen, Russland und der Ukraine, Bauern aus der Lombardei, landtechnikaffine Großstädter aus Amsterdam.

Und je länger ich zwischen Männern und Maschinen – denn es dort waren vor allem Männer – umherwandelte, desto klarer wurde mir: Noch etwas anderes als die reine Information hatte sie angelockt: Zwischen modernster Elektronik, feinsten Sensoren, Simulatoren, vernetzten Systemen, vollautomatischer und präziser Handhabe zum Smart Farming und Datenmanagement steuerten die Kerle geradezu erotisiert durch die 27 Hallen. Und Schuld waren sicher nicht die Hostessen in ihren schicken Outfits.

Eher waren es riesenhafte Maschinen wie dieser rote Mähdrescher, der sich auf einer Großleinwand über den Acker kämpfte. Er fesselte die Aufmerksamkeit einer Hundertschaft geifernder Männer, die sich nach der Vorführung um einen Infodesk scharrten, um ein XXL-Poster dieses Traums von einer Landmaschine zu ergattern.

Und dann war nur noch das Häckseln im Mais zu hören


Diese Faszination für schweres Gerät machen sich auch die Brüder Tammo und Jörn Gläser zunutze. Die Tammo Gläser Productions drehen und verkaufen DVDs, auf denen Raupenschlepper, Feldhäcksler oder Rübenroder bei der Arbeit zu sehen sind. Kein Plot, keine Handlung, der reine Akt. Das gibt es sonst nur im Porno. Manchmal erklärt ein Sprecher aus dem Off technische Details, den kann man aber ausschalten. Und dann ist nur noch das Häckseln der Messer im Mais hören, das Dröhnen der Ventilatoren, röhrendes Motorengeheul.

Die „Trecker-Checker“ (Schaumburger Nachrichten) drehen ihre Filme nicht nur in ihrer niedersächsischen Heimat, sondern fliegen mit Gleitschirmen über nordamerikanische Äcker, knien in russischem Matsch und drehen australische Feldarbeit.

Die Landmaschinen und ihr Eros


Der Trailer zum Film „Landtechnik im Fokus – Maisernte“ etwa startet mit pompösen hollywoodesken Streichern. Dann aber sind es nicht Hobbits und Zwerge, die in den Kampf gegen Drachen ziehen; sondern es pflügen Krone Big X 1100, Claas Jaguar 980 und Fendt Katana 65 majestätisch durch die Flur. Für weitere 24 Euro 90 können im Onlineshop weitere Hammerstreifen erworben werden. Wem das zu teuer ist, der schaut sich auf Youtube den Fendt Vario 927 an – im Film „Festgefahren“.

Die FAZ schrieb in der vergangenen Woche über die Brüder Gläser vom „Eros der kriechenden Landmaschine“, der sich zehntausendfach im Internet verkaufe. Dabei geht es nicht um Information. Die Gläser fangen den Schatten der Windräder ein, den Anblick des Treckers, der über das Feld jagt und im Sonnenuntergang unter Niedersachsens Himmel dahinrauscht. Sie finden ihre Kunden im Internet. Es gibt viele Landwirte, Bauernkinder und landtechnik-affine Stadtmenschen mit einem emotionalen Hang zum Traktorenkino. Das Geschäft läuft gut.

Ich stelle mir vor, dass in vielen deutschen Schlafzimmern die „Abendliche Getreideernte südlich Hannover“ an der Wand hängt. Und anstelle eines Erotikstreifens läuft der neueste Landmaschinentrack der Gläserbrüder. So ist das in der Liebe. Und das ist Landliebe.

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