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Echt jetzt? - Das Spiel mit den erfundenen Nachrichten

Es wird immer schwieriger, echte und erfundene Nachrichten zu unterscheiden – gerade wenn es um viel Geld geht. Vielleicht kann unser natürlicher Spieltrieb dabei helfen, wenn wir ihn ausreichend trainieren

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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In einer US-Latenight-Show gibt es seit kurzem ein neues Segment mit dem schönen Namen „Fake or Florida“. Moderator Seth Myers liest Kandidaten aus dem Publikum Nachrichten vor. Diese müssen beurteilen, ob das Vorgelesene wirklich in Florida passiert ist oder von Myers Redaktion erdacht wurde. Die einzige Frage, die dabei unbeantwortet bleibt, lautet: Warum sollte man dieses zukunftsweisende Format auf den Rentnerstaat im Süden der USA beschränken?

Lässt man die Ereignisse der vergangenen Tage Revue passieren, möchte man zumindest auch noch „Fake or news from the financial industry“, „Fake or Bitcoin“ und „Fake or Erdogan“ spielen. Damit könnte man für die kommenden Wochen und Monate ein Gefühl dafür bekommen, welche Geschichten tatsächlich passiert und welche frei erfunden sind.

Zum Beispiel habe ich diese Woche einige Sätze in der Berichterstattung über Großbanken gelesen, bei denen ich als nervöser Kandidat in einer Quiz-Show ob ihres Echtheitsgrades vielleicht unsicher geworden wäre. Der erste hieß: „Wir sind in jenem Wirtschaftszweig, dem die Menschen am wenigsten vertrauen, wiederum das Unternehmen, dem am wenigsten vertraut wird“, gesagt von einem Vorstandschef einer internationalen Großbank. Der zweite hieß: „Ich gebe Obdachlosen nie Geld. Ich kann Versagen nicht guten Gewissens belohnen.“ So angeblich geäußert im Fahrstuhl einer Investmentbank.

Der erste ist echt. Ross McEwan, der Vorstandschef der Royal Bank of Scotland, hat mit dieser Äußerung diese Woche eingestanden, dass seine Bank beim Thema Kulturwandel – im Finanzsektor gerade extrem angesagt – noch einen weiten Weg vor sich hat. Wie weit, zeigt die Tatsache, dass die Bank mehr als eine halbe Milliarde Pfund an Boni an ihre Manager auszahlt – trotz eines Milliardenverlusts im abgelaufenen Geschäftsjahr. Leider auch echt.

Fake or Goldman?


Der zweite Satz mit den Obdachlosen ist ein Fake. Er stammt aus dem Twitteraccount @GSElevator, in dem ein Anonymous Sätze verbreitete, die er angeblich in einem Fahrstuhl der US-Investmentbank Goldman Sachs aufgeschnappt hatte. Ein Fake, wie die New York Times jetzt aufgedeckt hat. Denn hinter dem Account verbarg sich der 34-jährige John Lefevre aus Texas. Er hat zwar längere Zeit als Investmentbanker gearbeitet, war aber nie für Goldman Sachs tätig. Drei Jahre hat Lefevre die Branche mit seinen Sprüchen amüsiert, die jedes noch so böse Klischee über Investmentbanker zu bestätigen schienen („Eine scharfe Frau fragte mich, was ich mit 10 Millionen Dollar machen würde? Ich sagte, ich würde mich fragen, wo der Rest meines Geldes hingegangen ist.“). Bei Goldman Sachs führte Lefevres Gezwitscher sogar dazu, dass es den Angestellten verboten war, sich in den Aufzügen der Bank zu unterhalten.

Glauben Sie nicht? Fake or Goldman? Doch, das stimmt, weil die Bank ihren Mitarbeitern diese Art von Sprüchen wohl zutraute und hinter den Tweets tatsächlich einen eigenen Mitarbeiter vermutete. Ein Sprecher formulierte nach Lefevres Enttarnung etwas umständlich: „Wir freuen uns mitteilen zu können, dass das offizielle Verbot, sich in den Aufzügen zu unterhalten, mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde.“ Für Lefevre hat sich der Spaß aber auch gelohnt, weil seine Tweets als Buch herausgebracht werden sollen. Den Vertrag hatte er noch vor seiner Aufdeckung ausgehandelt, sein Honorar: ein sechsstelliger Dollarbetrag.

Schwierig: Erdogans Telefonmitschnitte


Bei den auf You Tube geposteten Telefonmitschnitten, in denen angeblich der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan und sein Sohn über Korruptionsgeschäfte der Familie im dreistelligen Millionenbereich sprechen, kann die Frage „Fake or Erdogan?“ noch nicht abschließend beantwortet werden. Der türkische Premier spricht von einer Schmutzkampagne, die Opposition fordert seinen Rücktritt. Man weiß nicht mehr, was man glauben soll.

Bei der Pleite von Mt. Gox, der größten Handelsplattform für Bitcoin, sind 750.000 Einheiten der virtuellen Währung verschwunden, zum aktuellen Wert von 300 Millionen Euro. Die Anleger hätten sicher einiges dafür gegeben, wenn es sich hierbei um eine Fake-Nachricht gehandelt hätte, aber ihr Geld ist tatsächlich weg. Erklärungen blieb das insolvente Unternehmen bisher schuldig. Wahnsinn, andererseits aber auch nicht ganz so überraschend und mitleiderregend, nachdem fast alle Aufsichtsbehörden und Zentralbanken der Welt vor einem Investment in Bitcoins gewarnt hatten.

Damit Sie zu Hause noch ein bisschen weiterspielen können, hier noch eine letzte Nachricht aus der Kategorie „Fake or Texas“? Der Chef des Energiekonzerns Exxon Mobil, Rex Tillerson, hat gegen den Bau eines Wasserturms in seinem Wohnort Bartonville geklagt. Der Turm sollte den Ölfirmen Wasser für das sogenannte Fracking liefern – also jener umstrittenen Fördertechnik, bei der Öl und Gas mithilfe von Chemikalien und Wasser aus bisher nicht erreichbaren Vorkommen aus der Erde gedrückt werden. Exxon Mobil verdient viel Geld mit dieser Methode und Tillerson ist einer ihrer prominentesten Befürworter. Solange es nicht in seinem Vordergarten stattfindet. Denn in der Klage beschwert er sich, dass „der Wasserturm zu einer konstanten und untragbaren Belästigung der Anwohner führen“ werde. „Fake or Texas“?

Sie ahnen es: Texas!

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