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(picture alliance) Die Schuldenkrise in den USA geht nicht spurlos an China vorbei

Schuldenkrise - „China wird sich vom US-Dollar lösen“

Unter der massiven Schuldenkrise in den USA leidet auch der größte Gläubiger des Landes, China. Die Volksrepublik werde sich langfristig von der engen Bindung an den US-Dollar verabschieden, sagt der Makroökonom Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin im Interview mit CICERO ONLINE.

Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hat die Vereinigten Staaten aufgefordert, endlich den Gürtel enger zu schnallen und die eigenen Strukturprobleme zu lösen. Muss China jetzt vor einem möglichen Zusammenbruch der US-Wirtschaft Angst haben?
Nein, verängstigt sein muss es nicht. Die USA gilt immer noch – und das zu Recht – als sehr solventer Schuldner. Es ist absolut ausgeschlossen, dass die USA pleitegehen. Denn sie haben auch die Möglichkeit, die Schulden über Inflation zu tilgen, im Gegensatz zu Griechenland etwa.

China hat ausländische Staatsanleihen in Höhe von 3.200 Milliarden Dollar, rund 70 Prozent davon in der US-Währung. Damit hält die Volksrepublik rund acht Prozent der amerikanischen Schulden.
Ja, China ist größter Einzelhalter von US-Staatsanleihen und leidet somit unter dem massiven Absturz ihres Marktpreises. Das ist zunächst verbunden mit virtuellen Vermögensverlusten. Doch solange diese Vermögensverluste nicht realisiert werden – weil die chinesische Zentralbank auf den Papieren sitzen bleibt – spielt das keine Rolle. Problematisch wird es dann, wenn China versuchen würde, diese Staatsanleihen am Markt zu verkaufen. Das ist aber bisher nicht absehbar.

Warum nicht?
Die chinesische Zentralbank hat die Staatsanleihen ja gekauft, um die Wechselkurse zwischen der eigenen und der amerikanischen Währung zu stabilisieren. Sie interveniert in den Devisenmarkt und schafft damit eine künstliche Nachfrage nach dem Dollar. Das hält die US-Währung so relativ hoch. Wenn sie nicht eine schnelle Aufwertung des Yuan riskieren möchte, müsste sich die chinesische Zentralbank beim Verkauf amerikanischer Staatsanleihen ohnehin etwas zurückhalten.

Nun hat die Ratingagentur Standard&Poor‘s aber in Bezug auf die Kreditwürdigkeit der USA den Daumen gesenkt. Was bedeutet das für China?
Durch die Herabstufung fließt weniger Kapital in die USA. Das dürfte den US-Dollar weiter belasten. Für die chinesische Zentralbank ergibt sich dadurch der Zwang, noch mehr Dollar-notierte Staatsanleihen aufzukaufen, um die Währung stabil zu halten.
Um das zu finanzieren, müsste China die Geldmenge erhöhen – sozusagen neues Geld schaffen, mit dem es dann weitere US-Papiere kauft. Das würde aber Inflation im Inland bedeuten. Da die Inflationsraten in den letzten Monaten schon relativ deutlich gestiegen sind, sind die Spielräume gering. Deshalb ist das wahrscheinlich auch keine Option.

Ist auch in den USA zu erwarten, dass die Gelddruckmaschine angeworfen wird – diesmal, um die eigenen Schulden zu drücken?
Es ist sehr realistisch, dass die US-Zentralbank Federal Reserve über die nächsten Jahre eine etwas erhöhte Inflationsrate zulässt. Damit entwertet sie die hohen staatlichen und privaten Schulden und erleichtert deren Rückzahlung. Durch die hohen Inflationsraten würde allerdings auf den internationalen Märkten der Leitstatus der amerikanischen Währung infrage gestellt. Damit wäre es auch für China weniger interessant, in Dollar zu investieren.
Ich glaube, dass China sich von der engen Bindung an den US-Dollar verabschiedet und stärker auf ein multipolares Währungssystem einstellt. Das hieße, dass China sein Portfolio etwas verschieben würde, von Dollar-notierten Wertpapieren hin zum Euro, zu Schweizer Franken oder zu Rohstoffen. Die Herabstufung der US-Bonität dürfte diesen Prozess etwas beschleunigen.

Hinzu kommt die negative Handelsbilanz der USA gegenüber China. Im vergangenen Jahr betrug das Defizit 273 Milliarden US-Dollar.
Der schwächere Dollar – den man wohl erwarten kann nach den jüngsten Entwicklungen – wird wohl das Außenhandelsdefizit der USA eher verkleinern. Das wird auch zu Lasten Chinas gehen, weil die USA nicht mehr so stark aus China importieren werden. Das setzt allerdings voraus, dass der Yuan zum US-Dollar ein bisschen aufwerten kann. Da sind erste Schritte ja bereits getan, die chinesische Zentralbank hat schon leichte Aufwertungen zugelassen. Dadurch dürfte das Ungleichgewicht etwas zurückgehen, das Außenhandelsdefizit der USA also sinken. Das ist allerdings ein sehr, sehr langsamer Prozess.

Bislang haben die USA China ja immer vorgeworfen, die Währung künstlich niedrig zu halten. Wird sich das denn nun umdrehen?
Im Prinzip ist es noch der gleiche Streit. Jetzt ist die USA in der günstigeren Situation, da der Dollar von alleine schwach notiert. In der Vergangenheit war es so, dass der Yuan künstlich niedrig gehalten wurde. Aber je höher die US-Schulden, desto schwieriger wird es für die chinesische Notenbank, den Wechselkurs einigermaßen stabil zu halten. Insofern hat die chinesische Regierung schon ein Interesse an einer soliden Finanzpolitik in den USA.

Was würde all das für uns in Deutschland bedeuten?
Wenn China sich weniger am US-Dollar orientiert und mehr an stabileren Währungen, etwa am Euro, dann dürfte das zu verstärkten Kapitalflüssen nach Europa und damit einer Aufwertung des Euro führen. Diese könnte in Deutschland zu einer leichten Dämpfung der Exporte führen. Das ist aber für die deutschen Konsumenten nicht unbedingt ein Problem, weil wir gleichzeitig billiger von den Weltmärkten importieren können.

Im Rahmen der Turbulenzen an den Finanzmärkten mussten auch Chinas Börsen in den vergangenen Tagen herbe Verluste einstecken. Reagieren die Märkte damit nur auf die Entwicklungen in den USA und in Europa?
Im Moment beobachten wir an den Börsen eine sehr, sehr große Verunsicherung, ja teilweise panisches Herdenverhalten. In der Finanzkrise – also in den vergangenen drei Jahren – haben die Kapitalmärkte gelernt, Risiken neu einzuschätzen und bewerten Unsicherheiten nun kritischer als in der Zeit vor der Krise. Und die Märkte sehen auch in China Risiken. Die Immobilienmärkte sind stark überhitzt, da gibt es eine blasenähnliche Entwicklung. In einem Umfeld destabilisierter Finanzmärkte kann es leichter dazu kommen, dass solche Blasen platzen. Die Markteinbrüche in China haben also durchaus auch inländische Ursachen.

Herr Fichtner, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Petra Sorge.

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