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() EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard
Die Effizienz bleibt auf der Strecke

Der Einsatz von energieeffizienteren Produkten führt nicht zu einer Einsparung von Ressourcen. Ganz im Gegenteil: Durch höhere Effizienz werden Ressourcen nämlich billiger. Um diesen sogenannten Rebound-Effekt zu verhindern, sollte die EU eingreifen.

„Klartext“ verspricht der Automobilhersteller Porsche in einer aktuellen Anzeigenkampagne: „Der Motor des heckgetriebenen 911 Carrera GTS liefert 300 kW (408 PS) – 23 PS mehr als der 911 Carrera S, bei gleichem Verbrauch dank Porsche Intelligent Performance.“ Mit dieser Aussage dokumentiert Porsche in ungewollter Klarheit ein Problem, das weit über den Sinn oder Unsinn von Sportwagen mit 408 PS hinausreicht. Umweltökonomen nennen es den Rebound-Effekt: Dahinter verbirgt sich das Phänomen, dass Effizienzgewinne durch technologische Innovationen mitnichten den Gesamtverbrauch senken. Politik und Wirtschaft weigern sich bisher, diesen Effekt zur Kenntnis zu nehmen. Denn es bringt die politisch wie betriebswirtschaftlich profitable These ins Wanken, dass uns künftig vor allem der technologische Fortschritt ein „grünes“ Wachstum ermöglicht, welches mit endlichen Ressourcen unseres Planeten vereinbar ist. Dabei ist das Phänomen schon lange bekannt. Als Erster hat der britische Ökonom William Stanley Jevons schon 1865 in seinem Buch „The Coal Question“ den Rebound-Effekt erfasst. Er beschrieb darin die großen Effizienzgewinne bei der Kohlenutzung dank verbesserter Herstellungsverfahren von Eisen sowie neuer Dampfmaschinen. Sie ließen den britischen Kohleverbrauch aber nicht etwa sinken, sondern gerade wegen dieser Effizienzgewinne um das Zehnfache ansteigen. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, erweist sich bei genauerer Betrachtung als zwingendes Resultat ökonomischer Logik: England und Schottland wurden durch Industrialisierung und effizientere Kohlenutzung reicher. Also war es wirtschaftlich rational, immer mehr Kohle zu verbrauchen. In den achtziger und neunziger Jahren postulierten Daniel Khazzoom und Len Brookes, dass der Rebound-Effekt keinesfalls auf den Kohleverbrauch während der britischen Industrialisierung beschränkt sei, sondern ein universelles Phänomen darstelle. Um beim Auto zu bleiben: Sinkt der Verbrauch, dann sinken bei konstantem Benzinpreis die Kosten pro Kilometer. Weil sinkende Preise zu höherer Nachfrage führen, steigt die Zahl der gefahrenen Kilometer. Ein Teil der Effizienz bleibt – im wahrsten Wortsinn – auf der Strecke. Allgemein besagt das Khazzoom-Brookes-Postulat: Führen neue Technologien zu höherer Effizienz einer Ressourcennutzung, dann reduzieren sie deren Preis, was wiederum zu einer höheren Nachfrage und teilweisen Kompensierung der möglichen Einsparungen führt. An dieser Logik gibt es keinen Zweifel. Die Debatte kreiste in den vergangenen 30 Jahren daher nicht um die Frage, ob es einen Rebound gibt – sondern wie groß er ist. Diese Kontroverse ist entschieden: Der Rebound-Effekt ist ökonomisch relevant und erreicht in entscheidenden Bereichen erhebliche Ausmaße. In ihrem neuen Buch „Plenitude“ gibt Juliet B. Schor vom Boston College einen Überblick für die USA von 1975 bis 2010: Der Energieverbrauch insgesamt stieg um mehr als 40 Prozent, obwohl die Energieeffizienz der volkswirtschaftlichen Produktion um fast 50 Prozent verbessert wurde. Im Luftverkehr nahm die Treibstoffeffizienz um 40 Prozent zu, aber der Treibstoffverbrauch stieg aufgrund erhöhter Flugzahlen um 150 Prozent. Im Verkehr blieb der Verbrauch konstant, trotz einer 30-prozentigen Effizienzsteigerung der Motoren. Auch bei Kühlschränken und Klimaanlagen lief das Absatzwachstum den Effizienzgewinnen der Geräte davon. Die Porsche-Anzeige beschreibt den Rebound-Effekt in Reinform: Die Effizienzgewinne werden hier gar nicht erst in einen geringeren Verbrauch, sondern direkt in höhere Leistung bei gleichem Verbrauch investiert. Doch auch wenn technologische Fortschritte intelligent genutzt werden, um Verbrauch und Emissionen zu senken, entstehen Rebound-Effekte aufgrund der bei sinkenden Preisen gesteigerten Nachfrage der Verbraucher. Der Staat ist daher doppelt gefordert: Er sollte nicht nur Anreize für Forschung und Entwicklung geben, wie im Energiekonzept der Regierung vorgesehen, sondern er muss auch dafür sorgen, dass technologisch mögliche Einsparungen tatsächlich realisiert werden. Der Rebound-Effekt lässt sich nicht durch ordnungsrechtliche Effizienzvorgaben oder Mitmachprogramme zum Energiesparen überwinden. Stattdessen sollte die von Ernst Ulrich von Weizsäcker vorgeschlagene Langfrist-Ökosteuer vorangetrieben werden. Wird sie als europäische Kohlenstoffsteuer so konzipiert, dass sie in Takt und Umfang der Effizienzfortschritte steigt, dann würde die Ressourcennutzung über die Zeit nicht billiger, und es entstünde keine zusätzliche Nachfrage. Eine rein nationale Steuer wäre hingegen problematisch: Sie würde auch die umweltschonendere Produktion benachteiligen und damit deutschen Unternehmen im Wettbewerb schaden. Deutschland sollte daher die Initiative der dänischen Klimakommissarin Connie Hedegaard für eine „EU Carbon Tax“ unterstützen. Dann merken vielleicht auch Sportwagenbauer, was „Intelligent Performance“ wirklich bedeutet.

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