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Biotechnologie verspricht viel, birgt aber auch immense Risiken / picture alliance / YFC / Costfoto | YFC / Costfoto

Biotechnologie im Zwielicht - Wie sicher sind die Labore?

Aktuelle Berichte unterstreichen, dass der BND die Corona-Pandemie bereits seit fünf Jahren als Folge eines Laborunfalls sieht. Klar ist: Die Biotechnologie steht heute an der Schwelle, die Schöpfung zu gestalten. Dies bietet enorme Möglichkeiten, gibt aber auch Grund zur Sorge.

Autoreninfo

Oberst a. D. Ralph Thiele ist Vorsitzender der Politisch-Militärischen Gesellschaft in Berlin. Er diente unter anderem im Planungsstab des Verteidi­gungsministers, im Private Office des Nato-Oberbefehlshabers sowie als Direktor an der Führungsakademie der Bundeswehr. Thiele ist Herausgeber des Buches „Hybrid Warfare“ ( 2021 ). Foto: ispsw

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Ist das Coronavirus ein Laborflüchtling? Aktuelle Berichte unterstreichen, dass der Bundesnachrichtendienst die Pandemie bereits seit fünf Jahren als Folge eines Laborunfalls im chinesischen Wuhan sieht. Grundlage für diese Bewertung sind hier wissenschaftliche Daten aus chinesischen Forschungseinrichtungen, darunter dem „Wuhan Institut für Virologie“ (WIV), einer der führenden chinesischen Einrichtungen für Viren-Forschung. Neben Hinweisen auf riskante künstliche Veränderungen von in der Natur vorkommenden Viren, belegen die abgefangenen Daten anscheinend Verstöße gegen Vorschriften für die Laborsicherheit.

Zeitgleich zu den Nachforschungen des BND kam Sir Richard Dearlove, zwischen 1999 und 2004 Geheimdienstchef des weltberühmten MI6, zur gleichen Erkenntnis. In einem Interview mit The Telegraph machte er im Jahr 2020 öffentlich, dass er einen „wichtigen“ wissenschaftlichen Bericht gesehen habe, der nahelegt, dass das COVID-19 von chinesischen Wissenschaftlern künstlich hergestellt wurde. Er vermute einen Unfall als Ursache der Corona-Virus-Pandemie. Das Virus sei aus einem Labor in China entwichen. Mit Bezug auf eine geheim gehaltene britisch-norwegische Studie zum Corona Virus gehe er „zweifelsfrei“ davon aus, dass das Virus von Menschenhand manipuliert wurde. 

Ob COVID-19 überhaupt gentechnisch verändert sein kann, ist umstritten. Viele Virologen sehen bei dem Virus keine verräterischen Anzeichen für Labortechnik – z.B. genetische „Fingerabdrücke“ – wie sie üblicherweise bei im Labor hergestellten Viren zu sehen sind. Andere Wissenschaftler argumentieren jedoch, dass man solche Spuren nur schwer entdecken kann, wenn die Veränderung durch eine geheimgehaltene Forschung zur Funktionssteigerung entstanden ist. Unterm Strich: Wissenschaftler und Geheimdienste sind geteilter Meinung.

USA – China und zurück

Experimente zur Funktionssteigerung von Grippe, SARS und MERS-Viren gab es offensichtlich nicht nur in China, sondern eine Zeit lang auch unter der Obhut von Dr. Anthony Fauci, dem langjährigen Direktor des amerikanischen Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten. Als Chefarzt der US-Coronavirus-Task Force rückte er später ins Scheinwerferlicht von US- und internationalen Medien. Ein Artikel in The Mail on Sunday enthüllte im Jahr 2020 pikanterweise, dass die Erforschung des Fledermaus-Coronavirus im Wuhan-Institut für Virologie durch Faucis Institut finanziert wurde – Forschung, die versucht zu verstehen, wie Coronaviren von Tieren auf Menschen überspringen. US-Kongressabgeordnete und eine Reihe von Wissenschaftlern haben in der Folge die Frage aufgeworfen, ob die Finanzierung direkt oder indirekt zu Forschungsarbeiten beigetragen hat, die zum Ausbruch von COVID-19 hätten führen können.

Noch merkwürdiger wird das Ganze dadurch, dass die US-Regierung im Jahr 2014 ein freiwilliges Moratorium erlassen hatte, mit dem alle Bundesmittel für die genannten Studien gestoppt wurden. Das Moratorium entstand aus der Sorge über eine mögliche Pandemie, die durch unbeabsichtigte oder absichtliche Freisetzung von Viren verursacht werden könnte. Diese Sorge wurde wiederum durch mehrere Laborunfälle in den US-Zentren für Krankheitskontrolle und -verhütung befeuert, die im Juli 2014 bekannt wurden und grundlegende Fragen zur Sicherheit in amerikanischen Hochleistungslabors aufwarfen. Zwei Labore mussten geschlossen und einige biologische Transporte nach Zwischenfällen gestoppt werden. Hochpathogene Mikroben wurden offenbar nachlässig transportiert oder entsorgt, darunter ein versehentlicher Transport von lebendem Milzbrand. Ein weiterer Vorfall war die Entdeckung vergessener, lebender Pockenproben im öffentlich zugänglichen Abfalleimer eines Labors.  Bei einem weiteren Vorfall wurde ein gefährlicher Influenzastamm versehentlich in ein anderes Labor verschifft.

Hochinnovative Biotechnologie

Die Biotechnologie ist eine enorm innovative Wissenschaft. Sie verbindet Fortschritte in den Biowissenschaften mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten der Datenverarbeitung und künstlichen Intelligenz, der Gen- und Zelltechnologie und der chemischen Wissenschaften. Die in der Immunologie, bei genetischen Therapien und auch bei biologischen Waffen erzielten Ergebnisse sind enorm wirkmächtig. Es wird sogar möglich, die Erbinformationen in einem bestehenden Organismus neu zu gestalten. 

Derzeit nimmt die Fähigkeit, die Biologie zu verstehen und zu konstruieren, zunehmend Fahrt auf. Die Bandbreite der möglichen Anwendungen reicht von fortgeschrittener Mikroelektronik und Werkstoffen bis hin zu landwirtschaftlichen Produkten und Kosmetika. Die Bio-Identifikation über Netzhaut, Fingerabdrücke und Stimme kennen wir bereits. In Zukunft wird es auch möglich sein, sich über die eigenen Ohren, die Nase, den Körpergeruch oder sogar über die Muster seiner Venen zu identifizieren. Tragbare Sensoren am und im Körper überwachen grundlegende Vitalfunktionen. Hirnimplantate könnten demnächst möglicherweise kognitive Funktionen wie das Gedächtnis verbessern und damit die menschliche Lernfähigkeit fördern. 

Zu den Innovation treibenden Fortschritten gehören ein starker Rückgang der Kosten für die Sequenzierung von DNA – das Analyseverfahren zur Entschlüsselung der Erbinformation von Organismen – sowie neue Möglichkeiten der Bearbeitung von Genen und der Neuprogrammierung von Zellen. Seit 1995 konnten bereits die Erbinformation von über 50.000 verschiedenen Organismen analysiert werden. Und es geht immer schneller und immer weiter. Von der Kartierung, Messung über die Gestaltung von Molekülen und Zellen, Geweben und Organen bis hin zur Kopplung von Biologie mit Maschinen – überall gibt es Fortschritte. 

Künftig könnten biologische Mittel zunehmend eingesetzt werden, um einen großen Teil der physischen Materialien der Weltwirtschaft herzustellen, potenziell mit verbesserter Leistung und Nachhaltigkeit. Man wird menschliche und nicht-menschliche Organismen konstruieren und umprogrammieren können, zur Krankheitsvorbeugung und -behandlung oder auch zur Steigerung landwirtschaftlicher Produktion. Zugleich wächst das Potenzial für Schnittstellen zwischen biologischen Systemen und Computern. 

McKinsey rechnet in einer aktuellen Analyse damit, dass bis zu 60 Prozent der physischen Inputs für die Weltwirtschaft im Prinzip biologisch produziert werden könnten – also das, was wir essen und tragen; die Medikamente, die wir einnehmen; die Brennstoffe, die wir nutzen. Im Bereich der menschlichen Gesundheit könnte rund die Hälfte der gegenwärtigen globalen Krankheitslast unterbunden werden.  Selbst bescheidene Fortschritte auf dem skizzierten Weg werden Volkswirtschaften, Gesellschaften und unser Leben grundlegend verändern.

Bio-Technologie in den Streitkräfte

Für das Militär ist die Biotechnologie eine zunehmend agile Plattform für die Entwicklung neuer Fähigkeiten. Das gilt auch für die „dunkle Seite der Macht“ wie Terroristen oder rücksichtslose private und staatliche Akteure. Während die einen medizinische Maßnahmen zur Versorgung Verwundeter oder Leistungsverbesserungen unter Einsatzbedingungen im Auge haben, konzentrieren sich die anderen auf Möglichkeiten der Bio-Kriegsführung und des Bio-Terrorismus. 

Zu den denkbaren militärischen Anwendungen der Biotechnologie gehört ein überraschend breites Spektrum von Materialien und Sensoren, die in militärischen Systemen benötigt werden, darunter Brennstoffe aus Algenproduktion oder auch biologische Harze, die sehr leicht sind und nur schwer entflammbar. Diese eignen sich zum Beispiel für die Herstellung von Drohnen, Flugzeugen und Schiffsrümpfen.  Im Bereich der Bio-Verteidigung gibt es Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen biologische Kampfstoffe und endemische Krankheiten. Für Streitkräfte ist die Entwicklung von Kombinationsimpfstoffen, die Mehrfachimpfungen überflüssig machen, von besonderer Bedeutung. Computersimulationen helfen dabei, Einblicke in die Effizienz von Behandlungen zu gewinnen.  

Zudem verfügt die Biotechnologie heute über detailliertes Wissen zur genetischen Anfälligkeit von Menschen. Dadurch können Eigenschaften wie erhöhter Virulenz, Ansteckungsfähigkeit oder Stabilität ausgenutzt oder manipuliert werden. Es ist damit möglich, Personengruppen oder selbst Einzelpersonen mit spezifischen genetischen Merkmalen gezielt anzugreifen. Ebenfalls könnte man Wirkstoffe für die biologische Kriegsführung schaffen, die gegen bekannte Behandlungsmethoden und Wirkstoffe resistent sind. 

Insbesondere die Möglichkeiten zur biologischen Kriegsführung bzw. zum Bio-Terrorismus geben Grund zur Sorge, denn ...
•   leistungsstarke Wirkstoffe sind heute bereits verfügbar;
•   natürliche Krankheitserreger könnten genutzt werden, um Epidemien auszulösen; 
•   diese können in großen Mengen sehr kurzfristig hergestellt werden;
•   eine Zuordnung zu einem etwaigen Aggressor ist schwierig.

Wie sicher sind Biolabore? 

Die Biotechnologie steht heute an der Schwelle, die Schöpfung zu gestalten. Dies bietet enorme Möglichkeiten, gibt aber auch Grund zur Sorge hinsichtlich Fahrlässigkeiten, unbedachter Manipulation und auch des absichtsvollen Missbrauchs. Politische Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit sind darauf nicht gut vorbereitet. Sie brauchen ein besseres Verständnis der Fähigkeiten, Anwendungen und Risiken der Biotechnologie, um angemessene ethische Regeln und Strategien zur Nutzung dieser innovativen Technologie entwickeln zu können. 

Zweifellos: Biolabore sind notwendig, um gefährliche, insbesondere auch ansteckende Krankheiten zu verstehen und zu bekämpfen. Angesichts der verheerenden Auswirkungen der Corona Pandemie auf Wirtschaft, Gesundheit und auch auf die Internationalen Beziehungen müssen sich die Menschen künftig jedoch besser als bisher darauf verlassen können, dass Labore hohe Sicherheitsstandards umsetzen, wenn sie mit gefährlichen Infektionskrankheiten wie COVID-19 arbeiten.

Noch ist die Realität in manchen dieser Labore selbst ein Risiko, ganz gleich, ob diese sich in China, den Vereinigten Staaten oder anderswo befinden. Eine Überprüfung kam über einen Zeitraum von 25 Jahren auf mehr als 1.000 in Laboren erworbene Infektionen. Häufigste Ursachen sind falsch gehandhabte Injektionsnadeln, der Umgang mit Tieren oder auch verschüttete Flüssigkeiten. Es wird vermutet, dass unbeabsichtigte Aerosole einen beträchtlichen Teil der verbleibenden Infektionen ausmachen. Allerdings gibt es darüber noch keine verlässlichen Kenntnisse. In jedem Fall ist die Gefahr groß, wenn ansteckenden Krankheiten den Weg außerhalb des Labors finden. 

Es ist höchste Zeit, die Sicherheitsbedingungen in Biolaboren zu verbessern.  Es muss gelingen, das Risiko weitreichender Laborunfälle und Pannen zu verringern und gleichzeitig die für uns alle wichtigen Forschungen fortzusetzen. Eine umfassendere, internationale Analyse der Sicherheit von Biolaboren ist spätestens jetzt überfällig. Eine ernsthafte und nachhaltige Debatte gehört auf die Tagesordnung.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 18. März 2025 - 12:29

scheint keine Ausnahme, egal wo auf der Welt?
Deshalb sehe ich überhaupt keinen Anlass, China etwa für die Folgen der Corona-Pandemie haftbar zu machen.
Sollten deutsche Forschungsgelder nach Wuhan geflossen sein, erst recht nicht.
Die USA hätten m.E. überhaupt kein Recht, China zu belangen.
Der Artikel macht aber deutlich, wie groß dieses Segment der Gain-of-Function-Forschung mittlerweise sein könnte.
Als evtl. kombiniertes Virus könnte das Coronaimpfung ja vlt. in Zukunft Mehrfachimpfungen zugunsten von Kombinationsimpfstoffen verdrängen?
Die Menschen kommen schon lange mit Adeno-, Rhino- und Coronaviren in Berührung.
Die besondere Heftigkeit der Coronainfektion muss daher einwandfrei festgestellt werden gegenüber schon bekannten Epidemien.
Vielleicht verhält es sich mit manipulierten Viren wie mit KI gegenüber Intelligenz?
Was man auch manipuliert, sie sind natürlichen Vorkommen unterlegen?
Deshalb sollten sich hochqualifizierte Wissenschaftler wie Prof.Dr. Kekulé damit befassen...

in einem James Bond Film?
Auch wenn die Gefährlichkeit eines Corona-Virus künstlich erhöht wurde, so bleibt es doch ein Virus in einem komplexen Lebenszusammenhang, will sagen, schon eine Verschärfung bedarf intensiver Arbeit, das Aufrechterhalten solcher Fähigkeiten in einem natürlichen Umfeld muss kein weiterer Siegeszug sein?
Andere Viren erobern sich ihre Lebensräume zurück?
Ein natürliches Coronavirus war bislang nur für wenige Menschen eine lebensbedrohliche Gefahr?
Als flugtaugliche Variante konnte es nunmehr größere Gruppen befallen, mit auch gestiegener Gefährlichkeit?
Kluge Wissenschaftler haben den Verlauf dieses Virus sicher aus der Ferne beobachtet, sofern sie vom Diskurs "ausgeschlossen" waren.
Jetzt braucht es doch genaueste Daten, um die Gefährlichkeit des Virus und die Angemessenheit der Massnahmen beurteilen zu können?
Bei mir war Schluss mit No-Covid und Impfpflicht.
Wie sah das für echte Wissenschaftler aus?
Ich habe Vertrauen in diese und auch in fähige Politiker..

Ernst-Günther Konrad | Di., 18. März 2025 - 13:17

Ich schrieb schon in den ersten Corona Stunden einen Kommentar zu dieser Labor Möglichkeit und bleibe auch weiterhin bei der Meinung, dass die Sicherheit auch vor allem davon abhängig ist und war, wer das Labor betreibt, finanziert und Einfluss nimmt auf die Forschung. Ja, ein Restrisiko durch unbeabsichtigte Freisetzung bleibt natürlich immer. Nur muss man denn Viren "verändern", neu erzeugen oder massiv verfälschen und das soll angeblich künftigen Pandemien helfen? Wirklich? Interessant ist es schon, dass nur ein Jahr später nach dem das Virus in der Welt war, schon ein Impfstoff gefunden war. Stellt sich die Frage, war das alles Absicht? Wollte man nur Geld verdienen? Wollte man eine "Biowaffe" testen". Absicht oder Versehen? Wollte man die Bevölkerung testen, wie weit man gehen kann? Entsprechende Mechanismen implementieren für künftige Fälle? Haben sich Wissenschaftler verselbstständigt? Wollten sich da Virologen profilieren? Eines weiß ich für mich. Das Virus kam aus diesem Labor