Bedingungsloses Grundeinkommen - „1.000 Euro sind ein bisschen zu viel“

Der Verein „Mein Grundeinkommen“ verlost 1.000 Euro monatlich für ein Jahr. Macht so ein bedingungsloses Grundeinkommen faul? Magdalena Jehle gewann im vergangen Juli. Im Gespräch erklärt sie, warum sie trotzdem weiterarbeitet

Kann das klappen? Michael Bohmeyer verlost bedingungslose Grundeinkommen / picture alliance
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Autoreninfo

Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

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Frau Jehle, der Verein „Mein Grundeinkommen“ verlost bedingungsslose Grundeinkommen von 1.000 Euro monatlich für ein Jahr. Sie wurden im Juli 2018 gezogen. Wie haben Sie von ihrem Gewinn erfahren?
Über das Internet. Auf Facebook wurden den Gewinnern der Losung Glückwünsche übermittelt. Da stand auch mein Name – allerdings falsch geschrieben. Ich war zufälligerweise gerade mit meiner Mutter am Telefon und meinte zu ihr: „Ok, entweder es hat gerade jemand gewonnen, der so ähnlich heißt wie ich. Oder ich habe gerade 12.000 Tausend Euro gewonnen. Das muss ich kurz nachrecherchieren.“ Meine Mutter war völlig perplex und wusste überhaupt nicht, was gerade passiert. Ich konnte es anfangs genauso wenig fassen. Das Geld war dann fix da: Die ersten 1.000 Euro hatte ich schon Ende Juli auf dem Konto. Die zweite Rate kam dann direkt Anfang August. Mit einem Mal hatte ich also 2.000 Euro auf dem Konto. Von da war klar: Es wird entspannter. 

In was für einer Lebenssituation waren Sie vergangenen Juli?
Ich war gerade dabei meine Masterarbeit zu schreiben und nebenbei habe ich am Wochenende in einer Bar gearbeitet. Meinen Master habe ich European Studies in Chemnitz gemacht, gewohnt aber in Leipzig. Weshalb ich eben pendeln musste. Finanziert hatte ich mich durch Bafög und einen 450 Euro Job in der Bar.

Und wie es jetzt?
Sehr angenehm: Ich kann weniger arbeiten, habe meine Masterarbeit abgeben und bin momentan auf Jobsuche. In Leipzig würde ich sehr gerne bleiben, weil ich mich hier wohlfühle. Aber hier gibt es nicht so viele Jobs, besonders bei meinem Profil als Politikwissenschaftlerin.

Wofür geben Sie das Gewinngeld aus?
Vieles habe ich zurückgelegt, um bald mein Bafög zurückzahlen zu können. Da ich nicht weiß, wie lange sich die Jobsuche hinzieht, ist es angenehm ein Polster zu haben. Außerdem habe ich mich noch für einen fünfmonatigen Fernkurs beworben, für einen BWL Management Kurs. Ich möchte auffrischen, was ich schon weiß und andere Fähigkeiten vertiefen. Das allein sind 1.600 Euro, die von dem Gewinn wegfallen. Der Rest ist für die Zeit nach dem Grundeinkommen, weil ich da noch nicht weiß, wie es weitergeht. 

Ein Argument der Gegner des Grundeinkommens ist, dass die Leute dann keine Lust mehr hätten zu arbeiten. Können Sie das für sich bestätigen?
Nein. Ich glaube aber, dass man seine Zeit mehr zu schätzen weiß. Viele denken, man kann im Job etwas zurückschrauben, weil man die Tausend Euro mehr bekommt. Statt einer 40-Stunden Stelle kann man auch nur 30 Stunden machen und sich dafür anderweitig fortbilden oder ehrenamtlich engagieren. Egal ob Tierheim, Flüchtlingsheim oder auch politisch. Man hat einfach mehr Zeit für so etwas. Eine Möglichkeit, die ich vorher nicht hatte, weil ich über die Runden kommen musste.

Gilt das auch für Sie? Haben Sie eine ehrenamtliche Tätigkeit begonnen?
Ja, ich bin politisch bei den Grünen aktiv. Wir haben ja in Sachsen großes Wahljahr: Europa-, Landtags- und Kommunalwahlen. Da gibt es viel zu tun. 

Unabhängig von dem finanziellen Aspekt. Glauben Sie, dass sich das bedingungslose Grundeinkommen auf die Gesamtgesellschaft übertragen ließe?
Ja, aber ich denke nicht in dieser Höhe. 1.000 Euro sind ein bisschen zu viel. 600 Euro passen da vielleicht schon eher. Viele Menschen arbeiten zum Mindestlohn, oder wie bei mir im Bekanntenkreis in der Gastronomie. Da ist man sehr abhängig von den Schichten. Wenn man längere Zeit krank ist, fehlt auch einfach das Trinkgeld. Da rutscht man finanziell schon sehr schnell ab. 600 Euro helfen einem da wahnsinnig. Das könnte Menschen statt Hartz IV oder Wohngeld weiterhelfen. 

Das klingt nach dem sozialen Grundeinkommen der SPD.
Genau. Oder eben auch Bürgergeld. 

Das heißt aber auch, dass nicht jeder Grundeinkommen erhalten soll?
Doch, wie bei einem sozialen Bürgergeld. Wo sollte man denn sonst die Grenze ziehen? Es soll gerecht bleiben und jedem – auch Millionären – ist freigestellt, wofür er sein Grundeinkommen ausgibt. Es ist schließlich dazu gedacht, individuelle Freiheit  zu ermöglichen und vielleicht kurbelt es auch die Wirtschaft an. 

Gerade junge Menschen arbeiten oft in Berufen, die sie später niemals machen würden, einfach weil sie das Geld brauchen. Solche Jobs lehren jemanden allerdings auch viel über persönliche Grenzen. Angenommen das Grundeinkommen würde eingeführt werden:  Würden junge Menschen diese Jobs dann überhaupt noch machen?
Ich glaube ja. Gerade mit 18 Jahren in der Umbruchphase zwischen Schulabschluss und dem folgenden Berufsweg. Sie ziehen entweder nach München oder Köln und brauchen dann Geld für die Miete oder wollen eben reisen. Natürlich wird es genauso viele Menschen geben, die das weiterhin machen. Aber vielleicht wird es dann ebenfalls mehr Menschen geben, die eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen, weil sie es sich jetzt einfach leisten können.

Wie haben sich Ihre Einstellungen zu Arbeit, Geld oder Zeit seit dem Gewinn verändert?
Vor dem Grundeinkommen musste ich trotz Bafögs nebenher noch arbeiten. Ich hatte bereits im Mai vergangenes Jahres zum letzten Mal Bafög erhalten und vorher ausgerechnet, wie ich mit 450 Euro Job und Masterarbeit über die Runden kommen würde. Es wurde trotzdem knapp, obwohl ich in Leipzig noch wenig für Miete zahle. Das Grundeinkommen hat mir dann einfach vieles erleichtert. Vor allem gegen Ende der Masterarbeit, wo nochmal richtig Druck aufkommt. So hatte es hervorragend funktioniert. Jetzt merke ich mehr und mehr, dass ich auch später lieber 30 Stunden arbeiten möchte und noch was vom Leben habe. 

Das war vorher nicht so?
Nein, ich dachte, dass ich 40 Stunden arbeite und dann eben mehr Geld habe. Aber mir bringt das ganze Geld ja nichts, wenn ich nichts habe, wofür ich es ausgeben könnte oder damit machen kann. 

Michael Bohmeyer, der Gründer des Vereins „Mein Grundeinkommen“, hat in einem Interview sein Unverständnis beziehungsweise Erstaunen ausgedrückt: Viele der Gewinner wären nach Australien geflogen. Er hatte erwartet, dass sie mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Wie ist das bei Ihnen, planen Sie auch eine große Reise?
Nein. Ich bin in den vergangenen Jahren viel durch die Welt gereist, bedingt durch mein Studium. Aber ich versuche so wenig wie möglich zu fliegen. Ich finde es auch schade, das Geld zu so rauszuprassen, weil ich mir irgendwann vielleicht mal eine neue Wohnung suche. Dann brauche eine Küche, neue Möbel oder vielleicht passiert mir irgendwas. Es ist immer gut, Geld auf der hohen Kante zu haben. Die Reise kann ich mir auch in ein paar Jahren nochmal gönnen, wenn ich dafür gearbeitet habe.

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