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Bafin-Chefin Frauke Menke - Allein gegen das Kapital

Sie lädt Banker von der Trauerfeier direkt zum Rapport. Wenn ihr ein Manager nicht passt, verhindert sie seinen Aufstieg. Frauke Menke gilt als Hassobjekt der deutschen Finanzelite. Wer ist diese Frau?

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Heinz-Roger Dohms ist in der Ratingwelt zu Hause, über die er lange als Korrespondent für FTD und Capital berichtet hat.

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Das ist sie also. Die Menke. Das Phantom. Blonder Pagenschnitt, schwarzer Bleistiftrock, rotes Wollsakko. Es ist Ende Februar, Frauke Menke sitzt im Sitzungssaal 210 des Kölner Landgerichts auf der Zeugenbank. Es ist einer ihrer seltenen öffentlichen Auftritte. „Alter, Beruf?“, fragt die Richterin. „50, Juristin“, antwortet Menke. Verhandelt wird der Zusammenbruch der Privatbank Sal. Oppenheim.

Frauke Menke ist Abteilungsleiterin bei der Finanzaufsicht Bafin, verantwortlich für „Groß- und ausgewählte Kreditbanken“. Eine der einflussreichsten und umstrittensten Frauen im deutschen Wirtschaftsleben. Die einen halten sie für eine Art Erin Brockovich – eine furchtlose Heldin im Kampf gegen das böse Kapital. Die anderen für eine amoklaufende Verwaltungsbeamtin, die die wichtigsten Bankmanager des Landes seit Jahren schikaniert. Zweifelsohne verfügt sie über Macht: Die Macht, Katastrophen zu verhindern. Und die Macht, Karrieren zu zerstören. Ersteres habe sie nicht geschafft, sagen ihre Kritiker. Letzteres tue sie mit umso größerem Eifer.

Die Liste ihrer Opfer ist beeindruckend: Da ist zum Beispiel Axel Wieandt, der mal als einer der talentiertesten Nachwuchsbanker des Landes galt. Gegen seinen Sprung an die Spitze der BHF-Bank legte Menke ihr Veto ein: Angeblich hielt sie ihn für ungeeignet. Für Wieandt reichte es im Anschluss nur noch zu einem zweitklassigen Job bei der Credit Suisse. Heute führt er die weitgehend unbekannte Kleinbank Valovis.

Richard Walker, der Leiter der Rechtsabteilung der Deutschen Bank, wurde von Menke faktisch degradiert. Er durfte seinen Posten nur behalten, weil die Bank ihm mit Daniela Weber-Rey und Christoph von Dryander zwei deutsche Topjuristen an die Seite stellte.

Dann ist da noch William Broeksmit. Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain wollte seinen Vertrauten 2012 zum Risikochef ernennen. Doch wieder, war es Menkes Abteilung, die die notwendige Zustimmung verweigerte. Broeksmit zog sich aus der Bank zurück.

Die Deutsche Bank ist Menkes Lieblingsgegner

 

Überhaupt die Deutsche Bank. Sie ist Menkes Lieblingsgegner. Anfang des Jahres wurde ein Zwischenbericht zur Zinsaffäre publik, in die die Deutsche Bank verwickelt ist. Er las sich wie eine Generalabrechnung mit Jain und dessen Co-Chef Jürgen Fitschen: „Als neuer Vorstand haben Sie zwar einen Kulturwandel angekündigt. Im vorliegenden Fall entsteht jedoch der Eindruck, dass Sie klare Konsequenzen, insbesondere personeller Art, nicht gezogen haben.“ Fast zur gleichen Zeit landeten Briefe Menkes an die Bankspitze in den Medien. Auszüge daraus klangen, als würde eine strenge Lehrerin zwei unbotmäßige Schüler zurechtweisen: „Ich halte es für absolut inakzeptabel, dass Sie offensichtlich sowohl mein Haus als auch weitere Behörden über lange Zeit falsch informiert haben.“

Wer ist diese Frau? Was treibt sie an?

Von der Bafin dazu: Kein Kommentar. Wer ein Interview mit ihr will, darf einen Fragenkatalog schicken. Der wird dann nicht beantwortet. So geht das seit Jahren.

Nach allem, was sich recherchieren lässt, beginnt Frauke Menkes Laufbahn Mitte der 90er Jahre im damaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen – einem Vorläufer der Bafin. Anfang 30 muss sie damals sein. Ob sie frisch aus dem Jura-Studium kommt oder schon Berufserfahrung besitzt, ist unklar. In einer Bank aber hat sie offensichtlich nie gearbeitet. 

Sie steigt peu à peu auf
 

Menke beginnt in der Abteilung für Geldwäschebekämpfung und bleibt dort jahrelang. Als ihre Ziehväter gelten Michael Findeisen, der heute im Bundesfinanzministerium arbeitet, und der spätere Bafin-Chef Jochen Sanio. Bekannt ist ansonsten wenig aus dieser Zeit. Ende der 90er ermitteln Findeisen und Menke gegen die Privatbank Hauch & Aufhäuser, bei der die schwarzen Konten der CDU lagen. Das Verfahren mündet in einem Bußgeldverfahren gegen Manager des Geldhauses. Ungefähr zur selben Zeit veröffentlicht Menke mit Findeisen und einer weiteren Kollegin die erste Ausgabe des klobigen, aber angesehenen Handbuchs „Regelungen zur Bekämpfungen der Geldwäsche und ihre Anwendung in der Praxis“.

„Geldwäsche war eigentlich ihr Thema – dafür hat sie sich mehr interessiert als für bankenwirtschaftliche Zusammenhänge“, sagt einer, der sie seit den späten 90ern kennt. Ein anderer erinnert sich: „Die Menke hat sich genau angeguckt, wie der Findeisen mit den Bankern umgesprungen ist.“

In der 2002 gegründeten Bafin steigt Menke unter ihrem Mentor Sanio peu à peu auf. Sie leitet den Bereich Geldwäscheprävention, wird Chefin einer Abteilung für die Beaufsichtigung kleinerer Banken, bevor sie schließlich die Kontrolle der Großbanken übernimmt. Dann, 2007 und 2008, brechen in Deutschland die Banken zusammen, zunächst die IKB, danach die ersten Landesbanken, schließlich die Hypo Real Estate. Es sind Ereignisse, die das Land verändern. Und Frauke Menke.

Sie halte die HRE wegen deren Systemrelevanz für „dringend beobachtungsbedürftig“. So hatte es Menke im März 2008 dem Finanzministerium mitgeteilt, das der Bafin übergeordnet ist – also gut ein halbes Jahr vor dem Desaster. War das ein Alarmruf, den man bloß hätte erhören müssen, um das Schlimmste zu verhindern? Oder war es eher eine Standardmeldung? Letzteres, findet der damals flugs eingerichtete HRE-Untersuchungsausschuss. Und knöpft sich die Aufseherin vor. Gerhard Schick von den Grünen attestiert der Bafin „eklatantes Versagen“. Menke, vor dem Ausschuss hockend wie eine Angeklagte, wirkt hilflos. Ihre Replik auf die Vorwürfe der Parlamentarier: „Was hätte man machen sollen? Ich verstehe nicht so ganz, was die Handlungsvorschläge hätten sein sollen.“

Die Kritik im HRE-Ausschuss hat sie stark geprägt“, sagt ein Bankenanwalt, der öfter mit ihr zu tun hat. In der Finanzkrise sei sie noch härter und kompromissloser geworden.

Das zeigt sich spätestens im Fall Sal. Oppenheim. Die traditionsreichste deutsche Privatbank steckt wegen der Karstadt-Pleite in Schwierigkeiten. Zu dem wirtschaftlichen Schlag kommt ein privater: Das Oberhaupt der Bankerdynastie, die Baronin Karin von Ullmann, ist verstorben und soll beigesetzt werden.

Kurz vor der Trauerfeier am 10. Juni 2009 erreicht die Bankführung eine Mitteilung von Frauke Menke. Man möge sich bitte auf den Weg zur Bafin machen. Die vier Oppenheim-Partner – Matthias Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfundt – halten den Marschbefehl für eine Taktlosigkeit. Und doch, so erzählt ein Beteiligter, machen sie sich gleich nach der Beisetzung auf den Weg in die ehemalige Hauptstadt. „Als die vier zurückkamen, waren die kleinlaut wie nie zuvor.“

Bei dem Prozess in Saal 210 des Kölner Landgerichts fünf Jahre später geht es um ebendiesen Fall – den Zusammenbruch von Sal. Oppenheim. „Die haben die Situation nicht mehr überblickt“, sagt die Zeugin Menke nun in Richtung der Pleitemanager, die ein paar Meter von ihr entfernt auf der Anklagebank sitzen. „Man konnte nicht darauf vertrauen, dass die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden.“

Menke ist diesmal viel angriffsfreudiger als damals vor dem U-Ausschuss des Bundestags. Als ein Verteidiger darauf hinauswill, dass die Bafin auch bei Oppenheim zu spät eingegriffen habe, bläfft sie regelrecht zurück:  „Was wäre denn ihr Gegenszenario gewesen? Die Geschäftsleiter ohne richtige Grundlage abberufen? Ist das juristisch in Ordnung? Was hätten sie als Anwalt der Betroffenen dann gesagt?“ Durch Saal 210 geht ein Raunen.   

Menke, die Vorstände im Trauerornat vorfahren lässt. Menke, die Vorstände in Briefen attackiert. Menke, die Vorstände frühmorgens auf dem Handy anruft. Menke, die gleich den Aufsichtsrat alarmiert, wenn ein Vorstand mal nicht pariert.  Das sind die Geschichten, die man zu hören bekommt, wenn man ihren Namen fallen lässt. Die Atmosphäre zwischen Frankfurt und Bonn ist zunehmend vergiftet. „Die spielt nicht sauber“, wettert ein renommierter Wirtschaftsprüfer, der fast seinen Kaffee verschüttet, weil er sich so in Rage geredet hat. „Die richtet Leute öffentlich hin“, meint ein anderer aus dem Bankenlager. „Die behandelt Vorstände, als wären sie naive Tölpel“, sagt ein Dritter.

Längst hat der Konflikt eine kulturelle Dimension. Hier: Die Banker und ihre Starjuristen, Männer, die in  Frankfurter Hochglanzbüros arbeiten und sechs- bis siebenstellige Jahresgehälter kassieren. Dort: Die Verwaltungsbeamtin, die in Besoldungsgruppe B3 beheimatet sein dürfte (7.342,62 Euro brutto im Monat) und Dienst tut in einem verwitterten Verwaltungsgebäude, das Bonner Hauptstadtzeiten entstammt. „Nicht mal einen vernünftigen Kaffee kriegen sie da“, ätzt einer aus dem Bankenlager. „Wenn die Menke im Studium eine Topjuristin gewesen wäre, dann hätte es sie sicher nicht zur Aufsicht verschlagen“, giftet ein anderer. Für manches Frankfurter Alphatier fühlt es sich an, als sei die natürliche Ordnung durcheinander geraten: „Die Verwaltungsbeamten sehen sich inzwischen mindestens auf Augenhöhe mit den Bankern, wenn nicht darüber. Der Behördenhengst hat Oberwasser bekommen.“

Ist Menke eine Einzelkämpferin?
 

In den Frankfurter Bankentürmen hat Menke nur wenig Anhänger. In den Vorstandsetagen zürnen sie über die Bafin. Aber wehren tun sie sich nicht. Stattdessen weichen sie aus. Stecken zurück. Sitzen aus. „Wie die Römer gegen Hannibal“, sagt einer. Dass er nicht zitiert namentlich werden möchte, versteht sich von selbst, ebenso wenig wie die übrigen Banker, mit denen man über Menke spricht. Bloß nicht provozieren. Bloß nicht auffallen.

Die offene Auseinandersetzung vermeiden in der Regel aber auch die Aufseher. Sie brauchen keine Daumenschrauben anzulegen – es reicht, wenn sie sie zeigen. Informelles Verwaltungshandeln nennt man das. Menke gilt als Meisterin dieser Disziplin. „Wenn die Menke etwas nicht will, dann lässt sie die Antragssteller aushungern“, sagt ein Bankenanwalt

Es gibt aber in Frankfurt auch die, die sie verteidigen. „Ich würde als Aufseher genauso handeln. Nicht die Arbeit von Frau Menke ist skandalös, sondern die Zustände bei der Deutschen Bank“, sagt der Analyst Dieter Hein von Fairesearch. Einer aus der Branche, der bekannt dafür ist, die Deutsche Bank nicht sonderlich zu mögen, sagt: „Menke ist nicht unterwürfig. So etwas hassen sie bei der Deutschen Bank.“ Und sogar ein früherer Topmanager der Großbank schlägt sich im Hintergrundgespräch auf die Seite der Aufseherin: „Das Vertrauen, dass die Bafin der Bank früher entgegengebracht hat, ist dahin. Sie schaut jetzt genauer hin. Und das ist gut.“

Ist Menke eine Einzelkämpferin? Es wirkt manchmal so. Auch innerhalb der Bafin hat sie nicht nur Fans; es gibt auch solche, die ihren Kurs zu hart und letztlich kontraproduktiv finden. Ihr Vorgesetzter, der Chef der Bankenaufsicht, Raimund Röseler, und Bafin-Chefin Elke König allerdings stützen sie nahezu uneingeschränkt. Sie selber agieren dabei gleichwohl wendiger als Menke, kompromissbereiter, konzilianter – auch im Ton. „Es gibt zwischen der Bafin und der Deutschen Bank keinen Kriegszustand. Es gibt klare Themen, die werden adressiert und abgearbeitet“, meinte König jüngst in einem Interview. Sie hat beim Wirtschaftsprüfer KPMG und bei zwei Rückversicherern gearbeitet, Röseler beim Versicherer Axa und bei der heutigen HypoVereinsbank. Darauf wird in Frankfurt gern hingewiesen. Der Subtext: Menke hat das nicht. Ihr fehle der Bezug zur freien Wirtschaft. Darum sei es so schwer, eine gemeinsame Basis zu finden.

Kommt es demnächst zum Showdown mit der Deutschen Bank? Auszuschließen ist das nicht. Demnächst will die Bafin ihren Abschlussbericht zur Zinsaffäre vorliegen. Waren tatsächlich nur einzelne Händler der Deutschen Bank involviert? Oder trifft auch Anshu Jain eine Mitschuld? Der leitete – bevor er zum Vorstandschef aufstieg – das Investmenbanking, wo die Mauscheleien stattfanden. Und: Was kommt noch raus bei den Ermittlungen zu den Währungsmanipulation? Angeblich sollen diese Fälle noch gravierender sein als die krummen Zinsdeals. Dann könnte es auch für Jain und Fitschen eng werden.

Denn eins ist sicher: Frauke Menke will sich nicht noch mal „eklatantes Versagen“ vorwerfen lassen.

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