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Vaude

Vaude - Erst nachhaltig, dann reich

Antje von Dewitz will Vaude zum nachhaltigsten Outdoor-Ausstatter machen - ohne zu lange im Büro zu sein

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Christophe Braun hat Philosophie in Mainz und St Andrews studiert.

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Antje von Dewitz hat schon eine ganze Weile gesprochen, als sie plötzlich innehält. „Natürlich sind wir ein Industrieunternehmen“, sagt sie. „Und jedes Industrieunternehmen ist auch immer Teil des Problems.“

Als Geschäftsführerin des Outdoor-Ausstatters Vaude verkauft von Dewitz das Erlebnis Natur. Da stört es natürlich, dass viele Outdoor-Artikel auf Erdölbasis hergestellt und mit hochgiftigen Chemikalien behandelt werden. Was tun? Teil des Problems zu sein, kommt für die drahtige 40-Jährige nicht infrage. Deshalb hat sie sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2015 soll Vaude der nachhaltigste Outdoor-Ausstatter Europas werden.

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Mit weniger gibt sich von Dewitz nicht zufrieden. Die vierfache Mutter, promovierte Ökonomin und passionierte Bergsteigerin denkt gerne in Gipfeln. Ist einer erreicht, hat sie bereits den nächsten im Visier. Ihre Ansprüche an Qualität und Umweltverträglichkeit sind hoch. Seit sie vor vier Jahren ihren Vater als Geschäftsführerin abgelöst hat, modernisiert sie das Unternehmen. Sie hat das Sortiment reduziert und eine Kooperation mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) eingeleitet.

Kletterreisen für Mitarbeiter


„Wir müssen unsere Marke leben“, sagt von Dewitz. Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man nach Tettnang am Bodensee fahren. Rund um den Unternehmenssitz sieht es aus wie im Märklin-Katalog: Fachwerkhäuser, Hopfenfelder, Bauernhöfe, Apfelbäume, ein Kirchturm und ein paar treu-doof guckende Kühe. „Wir sind hier im Dorf ein großer Faktor – nicht nur im Guten“, sagt von Dewitz und verweist auf den von Vaude verursachten Lieferverkehr. „Deshalb stehen wir hier auch in der Verantwortung.“ Als das örtliche Freibad von der Schließung bedroht war, sprang Vaude kurzerhand als Pächter ein. Kletterreisen für Mitarbeiter werden organisiert, für den Nachhaltigkeitsbericht die zurückgelegten Fahrradkilometer auf dem Weg zur Arbeit gezählt und Fahrgemeinschaften gefördert.

Wenn von Dewitz Verantwortung sagt, folgen fast immer zwei Begriffe: sozial und ökologisch. Vaude hat den Anspruch, auch in diesen Bereichen voranzugehen. 2001 eröffnete das unternehmenseigene Kinderhaus: Angesichts eines Frauenanteils von über 60 Prozent und einem Durchschnittsalter von 35 sei das eine naheliegende Maßnahme gewesen, erklärt die Chefin. Die Unternehmenskita und ein flexibles Arbeitszeitmodell ließen die Geburtenzahlen unter den Mitarbeitern in die Höhe schießen. Im laufenden Jahr erwartet Vaude 16 Mitarbeiter-Babys; 40 Mitarbeiter nehmen Elternzeit in Anspruch.

 

Damit auch das Thema ökologische Herstellung kein Lippenbekenntnis bleibt, produziert Vaude schon seit 2001 nach den strengen Standards des Öko-Zertifikats bluedesign – als erster Outdoor-Ausstatter überhaupt. Die Kosten sind durch die umweltverträgliche Produktionsweise um 15 Prozent gestiegen. Trotzdem wächst das Unternehmen, gerade weil es sich erfolgreich im Ökosegment positioniert hat. 1600 Mitarbeiter erwirtschafteten für Vaude im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 100 Millionen Euro.

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Ihr Vater Albrecht kam Anfang der Siebziger nach Tettnang. Mit einer Handvoll Mitarbeiter gründete er Vaude – der Name des Unternehmens steht für die Initialien des Familiennamens von Dewitz. Anfangs war das Unternehmen ein reiner Bergsportausrüster. Im Laufe der Jahre kamen Radfahrerbedarf, Kinderbekleidung und Taschen dazu. Heute umfasst das Angebot zahlreiche Artikel – von Regenjacken über Schlafsäcke bis zu Solarladegeräten fürs Handy. 50 Prozent des Umsatzes macht Vaude mit Funktionskleidung, 30 Prozent mit Rucksäcken und Taschen.

Bis 17 Uhr auf dem Gipfel


Dass Antje von Dewitz einmal ihren Vater ablösen würde, war lange Zeit nicht absehbar. In Passau studierte sie Kulturwirtschaft. Sie absolvierte Praktika, unter anderem bei der Süddeutschen Zeitung und beim west-ostdeutschen Frauennetzwerk. „Danach habe ich immer gedacht: Das war toll – aber was kommt jetzt?“ Erst, als sie ins Familienunternehmen hineinschnupperte, habe sie Feuer gefangen. Damals betraute der Marketingleiter sie mit der Entwicklung des neuen Taschen-Geschäfts: „Ich habe gespürt: Das ist es.“

Mit dem Wechsel an der Spitze 2009 veränderte sich die Unternehmensstruktur. Ihr Vater, sagt von Dewitz, sei eher ein einsamer Entscheider gewesen; sie sieht sich als Teamplayer. Außerdem legt sie Wert auf ihren Feierabend: Weil sie trotz hohen Arbeitspensums genug Zeit für ihre Familie haben möchte, ist ihr Arbeitstag eng getaktet. Sooft es geht, verlässt sie ihr Büro um 17 Uhr. Nach Hause geht es dann natürlich per Rennrad.

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