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() Orbán spricht nach dem Wahlsieg zu seinen Helfern
Ungarns Premier Viktor Orbán: Ein machtversessener Magyar

Viktor Orbán ist Ungarns unumschränkter Alleinherrscher. Mit seiner satten Zwei-Drittel-Mehrheit betreibt er einen populistischen Nationalismus. Was erwartet Europa, wenn Ungarn im kommenden Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt?

Am 16. Juni 1989 wurde am Budapester Heldenplatz vor 250.000 Menschen mit einer symbolträchtigen Feier das kommunistische Regime zu Grabe getragen. Bei der denkwürdigen Trauerfeier vor den Särgen des 31 Jahre zuvor bei einem Geheimprozess zum Tode verurteilten Ministerpräsidenten der 1956er Revolution Imre Nagy und seiner vier Schicksalsgenossen sprach zuletzt ein völlig unbekannter, 26-jähriger, bärtiger Student. Er hatte allen Rednern mit seinen außerordentlich scharf formulierten Forderungen nach Demokratie, Unabhängigkeit und dem Abzug der damals noch 70.000 Soldaten zählenden sowjetischen Truppen die Schau gestohlen. Der junge Mann wurde durch die Fernsehübertragung schlagartig in Ungarn und auch im Ausland bekannt. Dieser wortgewaltige Vertreter einer eigenständigen Jugendorganisation, des Bundes der Jungen Demokraten (Fidesz), hieß Viktor Orbán. Wer hätte damals gedacht, dass der junge Revoluzzer nur neun Jahre später (inzwischen ohne Bart und mit Krawatte) mit 35 Jahren zum jüngsten Ministerpräsidenten in der ungarischen Geschichte aufsteigen würde? Der absolute Wille zur Macht hat das Charakterbild Viktor Orbáns während seiner ganzen Karriere geprägt. Er verstand es stets, von untragbar gewordenen Funktionären seiner eigenen Partei rechtzeitig abzurücken und sich für Pannen nicht „haftbar“ machen zu lassen. Die Fidesz-Partei war 1990 und 1994 noch die schwächste Gruppierung im Parlament gewesen. Dem Jungabgeordneten Orbán gelang es, sie mit hoher taktischer Begabung zur dominierenden politischen Kraft aufzubauen. Den wichtigsten Schlüssel zum beispiellosen Aufstieg bildete der zielbewusste und skrupellos vollzogene Schwenk nach rechts. Mit einer Handvoll engster Freunde hat Orbán die einstige basisdemokratische Bewegung seit 1994 in eine charismatische Führerpartei umgestaltet. Seine leidenschaftlichen Reden spiegelten den Übergang zu den früher verpönten konservativen und klerikalen Werten und vor allem zum bewussten Ausspielen des Mythos der ungarischen Nation gegenüber den linken und liberalen politischen Rivalen. Nach seinem ersten sensationellen Wahlsieg im Mai 1998 gegen die korrupte und entscheidungsschwache sozialliberale Regierung charakterisierte der Politologe László Lengyel den jungen Sieger so: „Viktor Orbán vertraut niemandem. Er ist eine Tigernatur; unbarmherzig erschlägt er seine Opfer, er besitzt keine inneren Grenzen.“ Der zentralisierte, autoritäre Führungsstil des von seinen Anhängern bewunderten, von Gegnern gefürchteten Ministerpräsidenten kennzeichnete bereits damals den ganzen staatlichen Machtapparat. Die zum Teil durch seine maßlos übertriebene Konfrontationstaktik mitgeprägten Niederlagen 2002 und 2006 durch die sozialliberalen Bündnisse waren ein gewaltiger Schock für den siegessicheren Orbán. Von Rachsucht getrieben, forderten seine publizistischen Einpeitscher Vergeltung für den angeblich durch Wahlschwindel „gestohlenen“ Sieg. Orbán überstand auch seine dritte Niederlage ungefährdet an der Parteispitze und nutzte eiskalt und rücksichtslos die Folgen einer „politischen Atombombe“, der berüchtigten geheimen „Lügenrede“ des sozialistischen Regierungschefs Ferenc Gyurcsány. Orbán gab bereits im September 2006 das Signal für die jahrelange Vernichtungskampagne gegen den „krankhaften Lügner“ und dessen „dilettantisches Sparpaket“. Diese Taktik führte schließlich zur Zertrümmerung der korrupten und innerlich gespaltenen Sozialisten und zur Versenkung ihrer liberalen Steigbügelhalter. Am Vorabend seines 47. Geburtstags feierte Orbán schließlich im Frühjahr dieses Jahres seinen größten politischen Triumph: Er gewann die Wahlen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Sein Siegeswille, seine Fähigkeit, politische oder taktische Fehler blitzschnell zu korrigieren, seine Begabung, Konkurrenten rechtzeitig kaltzustellen, und seine zynische Entschlossenheit, die enttäuschten linken Wähler und Teile des rechtsextremen Randes durch eine Mischung aus nationalistischen, klerikalen und linkspopulistischen Phrasen zu gewinnen, brachten ihm den epochalen Wahlsieg. Seitdem hat Orbán in wenigen Monaten die Weichen für ein neues System gestellt. Die 1990 bei der Wende eingebauten verfassungsmäßigen Bremsen der Exekutivmacht wurden schnell aus dem Weg geräumt. Die Ergebnisse der jüngsten Kommunalwahlen bestätigen, dass die Mehrheit der durch den Systemwechsel und die Wirtschaftskrise tief enttäuschten Ungarn eine starke Regierung wünscht. Es gibt heute kaum eine Demokratie im Westen, in der ein Regierungschef direkt und indirekt über den Regierungsapparat die Institutionen der Justiz sowie die elektronischen und die Printmedien so ungehindert beherrschen kann wie dieser geniale Machtpolitiker. Viktor Orbán sagte vor einem Jahr bei einer geschlossenen Veranstaltung, er möchte statt „dualem Parteihader“ seine Partei im „zentralen politischen Kraftfeld“ für die kommenden 15 bis 20 Jahre „zum allein herrschenden Machtfaktor“ machen. Die Chancen dafür sind vielversprechend.

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