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Hamed Abdel-Samad: - „Wäre der Islam eine Firma, so wäre sie schon längst pleite“

Der ägyptische Politikwissenschaftler und Historiker Hamed Abdel-Samad setzt sich sehr kritisch mit dem Islam auseinander. Als Sohn eines sunnitischen Imams nahe Gizeh geboren, studierte er in Kairo und Augsburg und forschte am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität in München. Nach der Veröffentlichung seines ersten Buchs sprach eine fundamentalistische Gruppe eine Fatwa gegen das einstige Mitglied der radikalen Muslimbruderschaft aus und er stand unter Polizeischutz. Abdel-Samad wurde als Teilnehmer der zweiten Deutschen Islamkonferenz von Innenminister Thomas de Maizière berufen.

Herr Abdel-Samad, in Ihrem neuen Buch „Der Untergang der islamischen Welt“ behaupten Sie, dass der Islam als politische und gesellschaftliche Idee über kurz oder lang zerbrechen wird. Woran machen Sie seinen angeblich bevorstehenden Zusammenbruch fest? Der Islam bietet keine zukunftsfähigen wirtschaftlichen oder politischen Konzepte und hat auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts keine Antworten. Die Globalisierung erfordert notwendigerweise Öffnung und Flexibilität, diese aber sind in den meisten islamischen Staaten Mangelware. Überall da, wo der politische Islam die Macht an sich reißen konnte, wie in Afghanistan, dem Iran, Saudi Arabien, Somalia und dem Sudan, leiden die Menschen an Rückständigkeit und Abschottung.

In muslimischen Ländern wie Türkei und Indonesien gibt es, allem Einfluss der Religion auf die Politik zum Trotz, etablierte demokratische Systeme. Ist also tatsächlich der Islam das Problem oder ist es nicht vielmehr seine fundamentalistische und antimodernistische Interpretation? Es stimmt, dass es in diesen Ländern gute Ansätze für eine funktionierende Zivilgesellschaft gibt. Und auch in Iran, Ägypten und Saudi Arabien fliehen viele junge Menschen aus den veralteten Strukturen und suchen nach Alternativen. Aber: Die Geisteshaltung der Muslime mag reformierbar sein, der Islam selbst ist es nicht.

Inwiefern? Der Islam bietet Anweisungen für Gesetzgebung, Staatsordnung und fast alle Situationen des Lebens, die nicht verhandelbar sind. Nun haben wir uns aber in den modernen Gesellschaften darauf geeinigt, dass nicht Gott, sondern der Mensch der Gesetzgeber ist, und dass die Gesetze nicht durch heilige Botschaften, sondern durch Verhandeln und gesunden Menschenverstand zustande kommen. Dieser Gegensatz zwischen dem Islam und der westlichen Welt ist unüberbrückbar. Die juristisch-politische Seite des Islam ist nicht mit der Moderne vereinbar.

Sie sprechen in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer „geregelten Insolvenz“ des Islam. Ja, denn um sich in die Weltgemeinschaft eingliedern zu können, müssen die Muslime sich endlich von der Illusion lösen, dass die Gesetze und die Regeln des Zusammenlebens von Gott direkt diktiert werden. Ebenso wichtig ist es, dass sie aufhören, die Welt in Gläubige und Ungläubige zu unterteilen. Man braucht eine Bildung, die nicht für Loyalität und Religiosität wirbt, sondern für freies Denken. Muslime müssen sich vom schweren Koffer trennen, der ihre Reise in die Zukunft behindert.

Um im Bild zu bleiben: Was genau befindet sich in diesem Koffer? In ihm lastet die Unantastbarkeit der Religion, die das Denken hemmt; hinzu kommen die veralteten Welt- und Gesellschaftsbilder, die die Zusammenarbeit mit anderen Kulturen wesentlich erschweren.

Dabei gab es in der islamischen Welt im Mittelalter einen regen kulturellen Austausch mit Juden und Christen. In dieser Blütezeit waren die Muslime den Europäern in nahezu allen Bereichen des Wissens weit überlegen. Warum hat sich das im Laufe der Jahrhunderte fundamental geändert? Die islamische Welt war damals führend, weil man integrationsfähig war in Bezug auf das Wissen anderer Kulturen. Man übersetzte die wichtigsten Werke der Griechen und der Perser. Heute denkt man, aus dem Land der Ungläubigen kann nichts Gutes kommen, deshalb übersetzt Spanien alleine mehr fremdsprachige Werke ins Spanische als alle arabischen Staaten gemeinsam ins Arabische. Das ist nur ein Beleg dafür, dass die islamische Welt die Macht längst verloren hat. Dennoch beharrt man auf der kulturellen und moralischen Überlegenheit gegenüber dem Westen, obwohl diese Überlegenheit keine Substanz hat. Der Islam hat den Zug der Moderne verpasst, sitzt nun am Gleis und ihm bleiben nur Abschottung und das Beleidigtsein übrig. Wäre der Islam eine Firma, so wäre sie schon längst pleite gegangen.

Können Ihrer Ansicht nach die Muslime in Europa Anstöße für eine Öffnung geben? Die Muslime in Europa können sich von der Autoritätshörigkeit und von den patriarchalischen Strukturen abnabeln. Sie können den Glauben privatisieren. Leider tun viele Muslime in Europa aber genau das Gegenteil. Sie importieren die veralteten Denkweisen aus der Heimat, frieren diese in der Fremde ein und nennen das Identität. Das führt in den Ländern, in die sie eingewandert sind, zwangsläufig zu heftigen Problemen.

Horst Seehofer forderte aus diesem Grund kürzlich einen Stopp muslimischer Zuwanderer, weil diese sich mit der Integration besonders schwertäten. Wie stehen Sie zu der Aussage des CSU-Chefs? Herr Seehofer wurde sofort von der Wirtschaft zurückgepfiffen, weil die Bundesrepublik auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen ist – auch auf muslimische. Man darf nicht auf Abschottung mit Abschottung reagieren. Die Politik sollte sich stattdessen an der Einwanderungspolitik von Ländern orientieren, in denen die Integration von Zuwanderern geglückt ist. Das gilt auch für Herrn Seehofer.

Sie sind Mitglied der Deutschen Islamkonferenz. Was kann die Bundesregierung von Ländern wie den USA, Australien oder Kanada lernen, in denen die Quote von muslimischen Integrationsverweigerern ungleich niedriger ist als in Deutschland? Die meisten Muslime in Europa kommen aus bildungsfernen Schichten und pflegen auch in der Fremde ihre patriarchalischen Kulturen. Nach Nordamerika hingegen wandern hauptsächlich gebildete Muslime ein und treffen dort auf klassische Einwanderungsgesellschaften, die keine geschlossenen historischen Identitäten haben. Das erleichtert ihre Eingliederung. Dessen ungeachtet gibt es aber einen entscheidenden Unterschied: Migranten in Nordamerika müssen für sich selbst und für ihre Kinder sorgen. Insbesondere deshalb ist ihre Arbeitslosigkeitsquote dort wesentlich niedriger als in Europa.

Sie sprechen sich gegen den Sozialstaat aus? Die Sozialhilfe sollte abgeschafft und stattdessen ein soziales BAföG-System eingeführt werden. Der Super-Nanny-Staat zementiert viele Menschen in ihrer Opferrolle und Hilflosigkeit. Es entspricht nicht meinem Verständnis von Menschenwürde, wenn ganze Familien dauerhaft vom Sozialstaat leben und Kinder, die in dieses System hineinwachsen, mit 18 Jahren ihre Selbstständigkeit dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie selber Sozialhilfe beantragen.

Mit Verlaub, das europäische sozialstaatliche Modell ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Gesellschaft. Derjenige, der auf Hilfe angewiesen ist, wird nicht sich selbst überlassen, sondern in seiner Not von der Gesellschaft aufgefangen. Menschen, die unverschuldet in Not geraten, sollten immer von der staatlichen Hilfe profitieren, doch mit gesunden, arbeitsfähigen Bürgern sollte anders umgegangen werden. Diese könnten zeitlich begrenzte Zuschüsse erhalten, mit dem Ziel, aus sich und ihren Kindern etwas zu machen. Wenn nach Jahren ununterbrochener Hilfe keine Fortschritte zu erkennen wären, ist die Stadt, in der der Hilfeempfänger lebt, offensichtlich die falsche und vielleicht auch der Staat, in dem er lebt. Spätestens dann müssen die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Das Gespräch führte Philipp Engel.

Hamed Abdel-Samad: Der Untergang der islamischen Welt: Eine Prognose. Droemer Verlag München, 240 Seiten, 18 Euro.

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