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Fidel Castro junior

Er ist Atomphysiker, interessiert sich für Einstein und war zu Besuch in Berlin. Fidel Castro Díaz-Balart sieht nicht nur seinem Vater verblüffend ähnlich, er war auch inkognito in Berlin. Cicero hat ihn getroffen.

Auf der Fähre nach Caputh starren die Fahrgäste und tuscheln: Schau mal, der sieht ja aus wie… nein, das kann nicht sein. Er wirkt irgendwie jünger. Ein Doppelgänger? Unsichere Blicke, doch keiner wagt, den Mann anzusprechen und die erlösende Frage zu stellen: „Entschuldigen Sie, sind Sie Fidel Castro?“ Ja und Nein: Fidel Castro Díaz-Balart trägt diesen Namen, doch er ist der älteste Sohn des kubanischen Revolutionärs, aber zugleich ein irritierendes Abbild seines Vaters als junger Mann. Nur der Beiname Fidelito passt mit seinem Diminutiv so gar nicht zu einem Mann von einsneunzig. Charismatisch wie sein Vater, zurückhaltend und charmant, mit Esprit, Witz und Herzlichkeit – wenn Begegnungen mit ihm wiedergegeben werden, fallen solche Beschreibungen. Damit ist der Junior der denkbar beste Botschafter des Máximo Líder, dem Oberhaupt jener von Wasser ummauerten DDR in der Sonne mit ihrem Rum, den Zigarren und der Lust. Vielleicht ist sie deshalb noch nicht untergegangen. Fidelito ist ein Teil von Kubas Charmeoffensive gegen den Rest der Welt. Mit dem Sohn von El Comandante reden auch Leute, die seinen Vater nicht empfangen würden. Denn er versteht sich vor allem als Wissenschaftler, nicht als Politiker. In Havanna 1949 geboren, ist er heute Professor und Koordinator an der Kubanischen Akademie der Wissenschaften. Er reist durch die Welt, oft ohne Bodyguards. So auch nach Berlin und Potsdam, wo er ohne große Öffentlichkeit bei einem Arbeitsbesuch der Max-Planck-Gesellschaft eine knappe Woche auf den Spuren Albert Einsteins wandelte. Castro kennt Deutschland, war schon im hessischen Landtag in Wiesbaden, in Düsseldorf und anderen Städten. Ob es um Medizin, Nanotechnik oder Energie aus Wasserstoff geht, stets wird der Wissenschaftler Castro von seinen Gesprächspartnern als sachkundig und interessiert beschrieben. Er will wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält, wenn er den Teilchenbeschleuniger DESY in Hamburg besucht. Denn das Atom ist das Schicksalselement für den Vater und den Sohn. Konnten die USA auch die Raketen neunzig Seemeilen vor Florida verhindern, dann würde Kuba seine Atome eben selbst spalten: Fidelito ging zum Studium in die UdSSR und kam als ausgebildeter Atomphysiker mit zwei Doktortiteln zurück. Schon mit Anfang dreißig wurde er 1980 Generalsekretär der Atomenergiekommission Kubas, leitete das Programm zum Bau des ersten Atomreaktors Kubas in der Bucht von Cienfuegos. Das wichtige Prestigeprojekt wurde allerdings nie fertig: Zwölf Jahre später und eine Milliarde Dollar ärmer gaben Kuba und vor allem die Partner in Russland 1992 auf. Fidels Sohn ging, die freundlichsten Quellen sprechen von Abberufung. Andere vergleichen ihn seitdem mit einem politischen Frühstücksdirektor: viel unterwegs, gern gesehen, aber letztlich ohne Einfluss. Geblieben sind zumindest die Privilegien bis hin zur echten Ray-Ban-Sonnenbrille, die aber bei einem Nuklearphysiker schon fast als selbstironisches Accessoire gelten kann. Dennoch: Für die große US-Tageszeitung Miami Herald spielt er „keine wirkliche Rolle in der kommunistischen Regierung der Insel“, und wenn heute in der US-Außenpolitik von „Fidel Castro junior“ die Rede ist, meinen die Falken nicht ihn, sondern Hugo Chavez, den Präsidenten Venezuelas. Es gilt als unwahrscheinlich, dass er dem bald achtzigjährigen Castro nachfolgt. Beobachter rechnen eher mit dessen Bruder Raúl, als Armeechef und Erster Vizepräsident bereits im Zentrum der Macht. Unter den Linden, mit dem Blick auf die zur Festung gesicherte US-Botschaft, bemerkt Castro Díaz-Balart, jetzt wisse er endlich, was mit den Steinen der Berliner Mauer geschehen sei. Die Ironie eines Standhaften, denn nicht weniger als zehn US-Präsidenten haben sich bis heute an Fidel Castro politisch die Zähne ausgebissen. Sein Sohn hingegen kennt die Vereinigten Staaten, denn er wuchs dort auf: 1954 wurde er von seiner Mutter Mirta Díaz-Balart in die USA gebracht, als sie die Scheidung von Castro durchsetzen wollte. In den folgenden Jahren kämpften beide um das Kind bis hin zu Entführungen, am Ende blieb Fidelito bei der Mutter in den USA. Später kehrte er freiwillig nach Kuba zurück und steht seitdem zu seinem Vater – anders als etwa seine im Exil lebende Halbschwester Alina, die Fidel Castro öffentlich mit Verachtung verfolgt. Wenn auch der frappierende Phänotyp die beiden verbindet, gibt es doch erkennbare Unterschiede: Der Sohn ist Nichtraucher, zum zweiten Mal verheiratet und hat drei Kinder, während beim Vater weder die Zahl der Frauen noch der Kinder so ganz klar ist. Wo Fidel senior Reden ohne Unterlass halten kann (der Rekord liegt bei zehn Stunden), da gilt Fidelito als geduldiger Zuhörer und empfängt viele Gäste, so jüngst Virgin-Chef Sir Richard Branson. Der erhielt nach dem angeregten Gespräch noch eine Visitenkarte seines Gastgebers mit Namen und allen Titeln – aber ohne Adresse und Telefonnummer. Ob Bescheidenheit oder ein eindeutiges Zeichen der Macht: Wer einen Termin mit Fidel Castros Sohn hat, wird auf Kuba schon zu ihm finden.

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