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() Bereits 2007 demonstrierten Wallonen und Flamen für ein einheitliches Belgien.
Ein Jahr ohne Regierung – zerfällt das Land der Flamen und Wallonen?

Seit einem Jahr hat unser Nachbarland Belgien schon keine Regierung mehr. Was ist da eigentlich los? Steht die belgische Nation vor der Auflösung? Wie geht es weiter, wenn sich die völlig zerstrittenen Volksgruppen nicht auf eine gemeinsame Regierung verständigen können?

Den Weltrekord halten die Belgier schon seit ein paar Wochen, jetzt feiern sie auch noch den ersten Jahrestag ihrer regierungslosen Zeit. Am 26. April 2011 ist es ein Jahr her, dass der belgische König den Rücktritt von Ministerpräsident Yves Leterme angenommen hat. Seit einem Jahr ist Belgien ohne Regierung. Dabei dauert das belgische Siechtum eigentlich schon länger. Es begann im Juni 2007 als der damalige Premier Guy Verhofstadt und seine liberal-sozialistische Regierung abgewählt wurden. Seitdem geht es in Belgien zu wie in Absurdistan. Tag für Tag sitzen Politiker beider Landesteile in Brüssel am Verhandlungstisch, aber es passiert nichts. Und König Albert schaut hilflos zu. Die meisten Belgier nehmen die Anarchie an der Spitze ihres Staates gelassen. Aber es gibt auch jene Männer, die ihre Bärte wachsen lassen wollen, bis eine neue Regierung steht. Eine belgische Senatorin rief ihre Landsfrauen zum Sexstreik auf, um die streitenden Flamen und Wallonen zu Vernunft zu zwingen und einige Studenten versuchten, eine Fritten-Revolution anzuzetteln. Doch der Protest konnte nicht viele Menschen auf die Straße bringen. Nur ganz allmählich verstehen die Belgier, dass die Lage ernst ist. Immer öfter ist nun von der Teilung des Landes die Rede. Zerfällt das Land der Flamen und Wallonen, weil sich die völlig zerstrittenen Volksgruppen nicht mehr auf eine gemeinsame Regierung verständigen können? Die Planspiele, die vor allem in den Nachbarländern entworfen werden, klingen einfach: Flandern könnte ein Teil der Niederlande werden, die Wallonien ein Departement Frankreichs und die kleine deutsche Minderheit in Ostbelgien könnte wieder zu Deutschland kommen. Aber so weit sind die Belgier nicht. Sie blicken eher skeptisch auf die großen Nachbarn. Die Niederländer besuchen zwar gerne die alten belgischen Städte wie Antwerpen und Gent. In dem nördlichen Nachbarland gelten die Flamen als freundlich und nett. Die Flamen jedoch denken ganz anders über die Holländer. Schuld sind vor allem ihr heller, für viele arrogant klingender Akzent und ihr vermeintlich plumpes Benehmen in der Freizeit. Bis vor ein paar Jahren gab es regelmäßig Umfragen, ob die Holländer die Flandern bei sich in den Niederlanden haben wollen. Die Antwort war immer eindeutig: Eine Mehrheit kann sich dies sehr gut vorstellen. Kein Wunder, dass auch der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders einmal erklärt hat, das es für ihn eine gute Idee wäre, Flandern an die Niederlande anzuschließen. Die Antwort der Flamen jedoch war und ist eindeutig: Hohngelächter. Ein Staat zusammen mit den Niederländern: Niemals! Zu unterschiedlich ist die Geschichte der beiden Niederländisch sprechenden Länder. Für die Flamen sind Sprache und Eigenständigkeit eine Frage der Identität, sie haben sich mühsam behauptet gegen die ehemals französische Elite des Landes, die Flämisch als minderwertige Sprache ansah. Und während die Flamen in den vergangenen Jahrhunderten mit eigenen Schriftstellern, Musikern und Schauspielern eine starke kulturelle Identität entwickelt haben, die sich deutlich von den Niederlanden unterscheidet, orientieren sich die Wallonen stark an Frankreich. Sie haben einiges zur französischen Kultur beigetragen. Die Franzosen sind immer wieder überrascht zu hören, was alles belgisch ist: Jacques Brel, René Magritte, die Schlümpfe, Tim und Struppi zum Beispiel. Und so steht die wallonische Kultur der französischen näher, als die flämische den Niederlanden. Viele Franzosen können sich durchaus vorstellen, dass die Wallonie zu Frankreich gehören könnte. Und viele Wallonen halten dies für kleine schlechte Idee, wenn Belgien endgültig auseinander fällt. Die Frage ist aber, ob das auch für Frankreich gut wäre? Die Antwort ist zwiespältig. Frankreich bekäme vier Millionen Einwohner hinzu. Dies würde die Position des Landes in der Europäischen Union stärken, der Abstand zu Deutschland würde sich verkleinern. Doch die Wallonie ist arm, sie ist ein wirtschaftliches und soziales Krisengebiet. Wollen die Franzosen ihre neuen Landsleute tatsächlich mit Milliarden Summen unterstützen? Präsident Sarkozy dürfte zudem nicht gefallen, dass dort eine altmodische sozialdemokratische Partei die dominierende politische Kraft ist. Lesen Sie im zweiten Teil, ob Deutschland auf neue Bürger hoffen kann.

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