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Rose Callahan/The Dandy Portraits

Modernes Dandytum - Gute Kleidung ist eine Frage der Höflichkeit

Nathaniel Adams hat ein Buch über Dandys verfasst. Seit Jahren erforscht er den verfeinerten Auftritt und findet, dass gute Kleidung auch eine Frage der Höflichkeit ist

Autoreninfo

Bergmann, Lena

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Dem Dandy haftet ein komischer Ruf an, das weiß auch Nathaniel Adams. „Viele denken, dass einer, der dandyhaft aussieht, also besonders adrett gekleidet ist, automatisch schwul oder affektiert ist. Oder altbacken. Kein richtiger Kerl also.“

Doch Adams weiß ebenso, und zwar durch jahrelanges Forschen, dass ein Kleidungsstil, der durch Maßanzüge, Einstecktücher, Manschettenknöpfe und Socken mit Seidenanteil geprägt ist, weder ein Anachronismus noch etwas für Memmen sein muss. Wie seine Studienobjekte schenkt auch er selbst – heterosexuell und in seiner Junggesellenbude mit vielen Büchern, Anzügen und Flaschen nicht besonders ordentlich – seiner Garderobe viel Aufmerksamkeit. Trotzdem, sagt er, habe er noch keinen hohen Grad der Perfektion erreicht, was seinen Auftritt betrifft.

Das ist natürlich relativ. Im Bildband „I am Dandy“, der gerade im Gestalten-Verlag erschien, hat der Journalist exquisit gekleidete Herren versammelt. Markante Persönlichkeiten, oft beruflich sehr erfolgreich, für die der Krawattenknoten oder die Fliege, aber auch Weste, Manschettenknöpfe und Kopfbekleidung zur Morgenroutine gehören wie das Zähneputzen und das Urinieren. Was gibt’s da schon groß zu berichten? Fragen sich viele dieser Männer in jenem naiven Ton, den die Selbstverständlichkeit oft mit sich bringt.

Der Dresscode gilt auch im Job


Sehr viel, findet hingegen Adams. Er hat sie besucht und nach ihren Ritualen und Motiven befragt. Zum Beispiel Edward Hayes, laut Adams New Yorks bestgekleideter Anwalt, der in den Achtzigern als Staatsanwalt in der Bronx für Mordfälle zuständig war und auch heute noch das Gegenteil von einem Softie darstellt. Hayes, der als Kind von seinem Unterklasse-Vater verprügelt und aus Schikane zum Schuheputzen gezwungen worden war, schwor sich damals, dass er eines Tages die besten fucking Schuhe auf Erden tragen würde. In seinen rahmengenähten Pferdeledermodellen war Hayes für den Autor Tom Wolfe dann auch Vorbild für den Anwalt in „Fegefeuer der Eitelkeiten“.

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Auch Wolfe traf Nathaniel Adams einmal, doch leider hat sein „höchstes Vorbild“, was Mode und das Schreiben betrifft, es nicht in sein Buch geschafft. Dafür jedoch der legendäre Journalist Gay Talese, den er während eines Gastauftritts an der journalistischen Fakultät der Columbia University kennenlernte. Adams hörte sich Taleses Ausführungen darüber an, dass es essenziell sei, sich für den Job gut zu kleiden. Eine Frage der Höflichkeit. Man solle sich gefälligst nicht nur für Beerdigungen oder Hochzeiten zurechtmachen, sondern auch für die Arbeit. Und dann wurde Nathaniel Adams eine besondere Ehre zuteil: Talese streckte den Zeigefinger auf den einzigen Studenten im Raum, der Anzug und Krawatte trug, und sagte: „Er hat es verstanden.“

Was Mode betrifft, hat Adams tatsächlich einiges verstanden. Er klingt, als hätte er eine Enzyklopädie der Männerbekleidung in der einen Innentasche seines maßgeschneiderten Anzugs – und eine kulturhistorische Erörterung der Lebensgewohnheiten in der anderen.

Der 29-Jährige wuchs in New York auf, als Sohn einer gebürtigen Inderin und eines Amerikaners. Seine Mutter unterrichtet an der New York University Literatur, sein Vater ist Psychoanalytiker. Beide haben ihn mit ihrem eher gemütlichen Stil nicht zu seiner verfeinerten Garderobe inspiriert. Doch schon im College widmete er sich dem Thema Dandytum wissenschaftlich. Schließlich gewann er als Student der Columbia für ein Buch-Exposé über Dandys ein Stipendium. Das ermöglichte es ihm, das Phänomen zu erforschen. Er begab sich zunächst nach London, wo er die Archive des ältesten Herrenausstatters der Savile Row, Meyer & Mortimer studierte. „Als Erstes wurden dort Uniformen genäht – ich fand Skizzen für Ausstattungen, die Soldaten für Waterloo bestellt hatten.“ Er reiste nach Frankreich und Italien und schließlich bis in den Kongo und nach Südafrika, um Kleidungsrituale zu untersuchen. Sein Vater hatte Angst, dass ihm etwas zustoßen würde, wenn er an solchen Orten im Anzug aufkreuzen würde.

Die Hippie-Bewegung bedeutete das Ende der ordentlichen Garderobe


Seinen ersten maßgeschneiderten Anzug kaufte Adams aus zweiter Hand, in einem Laden im New Yorker West Village. Ein Mann aus der Nachbarschaft mit exakt seinen Maßen war gestorben, und immer, wenn es sich Adams leisten konnte, erstand er ein weiteres Stück aus dessen Garderobe. Er wundere sich heute oft, warum so viele Menschen die ästhetisch fragwürdige Bequemisierung der Kleiderschränke mitgemacht haben. „Der Jogginganzug steht für mich für den absoluten Untergang“, sagt Adams. Sein Äußeres hat mit einem Jogginganzug so wenig gemein wie ein Plastikstuhl mit einem Regency-Sofa. Der Dolchstoß für den gepflegten Auftritt sei die Hippie-Bewegung gewesen, „danach haben die Menschen nie wieder in ordentliche Kleidung zurückgefunden. Der neue Freiheitsdrang hatte damals natürlich politische und sexuelle Motive – aber er hatte fatale Auswirkungen auf die Garderobe.“

 

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